Thomas Dreher
Art & Language :
Kontextreflexive Kunst
im Kunstkontext
Plurifunktionale und mehrschichtige Bild- und Diskursmodelle
Gruppe versus Karriere
Terry Atkinson und Michael Baldwin lernen sich Oktober/November 1966 am
Coventry College of Art (heute: Lanchester Polytechnic) kennen. Einige
ihrer gemeinsam verfassten Manuskripte erscheinen in kleinen Editionen
mit limitierten Auflagen von 200 Exemplaren signiert und numeriert und
werden ab 1968 von der "Art & Language Press" in Coventry verteilt.
Atkinson, Baldwin, David Bainbridge und Harold Hurrell sind an der Gründung
dieser Presse beteiligt. Im Mai 1969 erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift
"Art-Language", die einen Querschnitt über Konzeptuelle Tendenzen mit
Beiträgen von Victor Burgin,
Dan
Graham, Lawrence
Weiner, Sol
LeWitt u.a. bietet. Die folgenden Nummern präsentieren Beiträge von
Art & Language-Mitgliedern, ab Februar 1970 auch von den New Yorker
Mitgliedern Ian
Burn und Mel Ramsden,
mit denen ab 1972 Michael
Corris und Terry
Smith in New York zusammenarbeiten.
Intern
kursieren in den englischen und amerikanischen Gruppen Thesenpapiere, die
Ausgangspunkte für Diskussionen und Texte bilden. Teilweise entstehen Texte
durch Überarbeitung von Tonbandmitschnitten. 1974
erscheinen auch Transkriptionen von Tonbandmitschnitten.1
Joseph Kosuth
firmiert seit Juli 1969 als amerikanischer Herausgeber von "Art-Language". Kosuth
widersetzt sich der Aufforderung, neben der Gruppe nicht mit eigenen Aktivitäten
im Kunstbetrieb aufzutreten. Dies führt 1976 zu seinem Ausschluß. Auf der Basis
bereits erarbeiteter theoretischer Ansätze und über den Austausch von Thesenpapieren
und Diskussionen entstehen neue Manuskripte, für die ein einzelnes Mitglied
nur innerhalb der Gruppe und der Zeitschrift "Art-Language" als Autor firmieren
kann. Würde ein Mitglied die Texte, die es auf der Basis der gruppeninternen
Kommunikation zu erstellen in der Lage war, im Kunstbetrieb zur Selbstdarstellung
verwenden, würde es die Basis der Zusammenarbeit unterlaufen, die darin besteht,
an die Gruppe zurück zu leiten, was mit ihrer Hilfe zustande kam.
Art & Language ist eine der wenigen programmatisch orientierten
Künstlergruppen nach 1945. Sie unterscheidet sich von zweckorientierten
Künstlervereinigungen. Sie entstehen, wenn Künstler die Kollaboration mit
Kollegen suchen, um eigene Position auf der Suche nach Ausstellungsmöglichkeiten
verbessern zu können. Diese Künstlergruppen brechen auseinander sobald einzelne
Mitglieder Galeristen finden. Art & Language ist die einzige
Künstlergruppe, die primär kunsttheoretisch arbeitet und in Ausstellungen Texte
und Modelle präsentiert, die den jeweiligen Stand der gruppeninternen Diskussion
zusammenfassen. Die Ausdifferenzierung des
theoretischen Ansatzes steht im Vordergrund, nicht - wie in Künstlergruppen der
klassischen Avantgarde - die programmatische Legitimation einer
Kunstproduktion.2
Die Zahl der amerikanischen Mitglieder steigt bis zur
Auflösung 1976 ständig. Von zuletzt 15 Mitgliedern3 sind namentlich von 10 Beiträge in der Zeitschrift
"The Fox" erschienen (Andrew Menard und Ron White sind zwei Namen eines Autors).
"The Fox" wird von Sarah
Charlesworth finanziert und von Joseph Kosuth herausgegeben. Die Redaktionsarbeit
der drei 1975-76 realisierten Nummern teilen sich Mitglieder aus dem engeren
Kreis von Art &Language: Ian Burn, Mel und Paula Ramsden.
Seit 1977 arbeiten Michael Baldwin und Mel Ramsden in Banbury zusammen. Es entstand
ein inzwischen umfangreiches Oeuvre an Bildern. Einige Texte werden mit Charles
Harrison geschrieben, der seit 1971 "Art-Language" herausgibt. Die selbst gestellte
Aufgabe der Gruppe, kunst- und kunstkontextreflexive Kunst im Kunstkontext zu
präsentieren, hat sich nicht geändert - der Anteil des Sichtbaren gegenüber
dem Lesbaren hat sich allerdings erheblich erhöht.
"Art-Language"
In der "Introduction" zur ersten Ausgabe von "Art-Language"
konfrontiert Terry Atkinson den Leser mit folgender Frage: "Can this editorial come up for the count as a member of
the extended class `visual art work´?"4 Die Frage resultiert: 1. aus einer Auffassung,
die Kunstbeobachtung nicht als eine unmittelbar anschauliche, sondern als
begriffsgeleitet versteht: "Initially what
conceptual art seems to be is questioning the condition that seems to rigidly
govern the form of visual art - that visual remains visual." 5 2. aus dem Verständnis, künstlerische
Tätigkeit nicht auf visuelle Medien zu beschränken, sondern inter- und
multimedial zu verstehen und verbale Medien einzubeziehen: "Does art-theory come up for the count as a possible
sector of `conceptual art´"?6 3. aus Reflexionen, die aus den
vorangegangenen Punkten 1. und 2. die Konsequenz ziehen, Kunsttheorie als
künstlerische Tätigkeit zu betreiben: "Inside the
framework of `conceptual art´ the making of art and the making of a certain kind
of art theory are often the same procedure."7 4. aus Überlegungen, eine explizite
Kunsttheorie, die als künstlerische Praxis im Kunstbetrieb lanciert wird, als
Kritik institutionalisierter Erwartungshaltungen einzusetzen.
Atkinson schlägt vor, kunsttheoretische Überlegungen über
den Status Kunst im Kunstbetrieb an Stellen zu exponieren, die für Kunstwerke
reserviert sind, also Texte auf Papierträger an Wänden von Räumen zu plazieren,
die für Kunstausstellungen genutzt werden. Der fotografisch vergrösserte, von
Atkinson und Baldwin geschriebene Text "Print
(2 sections A and B)"(Abb. 1) von 1966 fragt nach den Kriterien, die
zwischen dem Blatt, auf dem der Text steht, und seinem möglichen oder aktuellen
Status eine Beziehung herstellen: "Is this piece of paper an art work?"
Grundlagen der Kunstbeobachtung verlieren ihre Selbstverständlichkeit, wenn
Kriterien der Unterscheidung zwischen Kunstobjekten und Nicht-Kunst hinterfragt
werden: "Is there a property possessed by some things in the world which can
be identified as art (as `being art´), or even the property of art (the latter
of course presupposing that art is a property of things)?" Wenn es keine
anschaulichen Unterscheidungskriterien gibt, dann muß der Denkrahmen zur
Definition von Kunst anders, nach Art & Language auf höheren
Abstraktionsstufen, angesetzt werden.
Das Textwerk übernimmt die Funktion
der Kunsttheorie, die traditionell als künstlerischer Tätigkeit übergeordnet
gilt, und stellt in Werk-Positionen in Ausstellungen diese Überordnung der
Kunsttheorie infrage: Die bindende Abgrenzung der Möglichkeiten künstlerischer
Praxis durch von Nicht-Künstlern - Philosophen und Kunstkritiker - artikulierte
Postulate wird abgelehnt.
Status
Kunst
Im folgenden wird eine der komplexeren Resystematisierungen
der kunsttheoretischen Ansichten vorgestellt, die um 1970 etabliert waren, und
der Gegensatz zu Auffassungen gezeigt, wie sie die Mitglieder von Art &
Language artikuliert haben.
Der englische Philosoph Richard Wollheim sieht 1970 in "The Work of Art as Object"
die Voraussetzung künstlerischen Schaffens im Erwerb von Wissen und Fertigkeiten,
die zu Resultaten führen, welche von Kunstbeobachtern `als Kunstwerk´ erkannt
werden können. Um die Erkennbarkeit `als Kunstwerk´ zu sichern, muß künstlerische
Produktion an bereits `als Kunst´ tradierte Präsentationsformen anschließen.
Künstler können nach Wollheim etablierte Präsentationsformen nur so weit transformieren,
wie eine an formalen Gattungskriterien orientierte Zuschreibung des Status Kunst
erhalten bleibt. Der Kunstbeobachter erlernt diese Zuschreibung mit dem Wissen
des Gebrauchs des Begriffs Kunst: "The truth is that
we acquire and possess a concept of art, again a concept of painting, and when
the spectator looks at a work of art or at a painting, this must mean amongst
other things that he brings it under one of these concepts. Now, whether he
does so or not depends on whether he can do so or not, and though his ability
depends on a variety of factors, one thing that cannot be effective here is
mere decision."8
Wollheim schließt den Künstler aus, der, wie von Donald Judd und Joseph Kosuth
vorgeschlagen, entscheidet, was Kunst ist9, und der erwartet, daß das Kunstpublikum seiner
Entscheidung folgt.10
Wollheim greift den Beitrag "The Seventies: Post-Object Art", den Donald Karshan
als Einleitung zu der von ihm im New York Cultural Center organisierten Ausstellung
"Conceptual Art and Conceptual Aspects" schrieb, an, weil er zwei aus seiner
Sicht falsche Ansichten verficht:
1. Der Objektcharakter ist nicht
die Voraussetzung für ein Kunstwerk. 2. Über das
Konzept von Kunst kann ohne Rücksicht auf konventionalisierte
Präsentationsformen entschieden werden.11
Nach Wollheim liegt den Versuchen, "mere decision" der
Zuschreibung des Status Kunst zugrunde zu legen, die Verkehrung der Beobachtung
von Nicht-Kunst `als Kunst´ in den Kunstcharakter von Nicht-Kunst zugrunde: "The attrition occurs into two stages: first, from
thinking of something as a work of art to thinking that it is a work of art ;
then from thinking that something is a work of art (something like) saying to
oneself that it is a work of art."12
Nach Wollheim muß sich der konventionalisierte `Gebrauch´ des Begriffs Kunst
seiner Auffassung von der `Natur´ der etablierten Kunstmedien angleichen. Er
beschreibt die Entwicklung der modernen Malerei als zwingend, da in der
abstrakten Kunst die konventionalisierte Identifikationsweise von Kunstwerken
besser mit "the connotation of physicality"
und so mit"`possession of a surface´"13
in Übereinstimmung gebracht worden sei. Gegen Wollheims scheinbar evidente
Verbindung der "connotation of physicality" mit "`possession of a
surface´" wenden Atkinson und Baldwin in "On the Material
Character/Physical-Object-Paradigm of Art" ein:
"Perception is modal. A perceptually presented object is identified with a
physical individual in many cases; in other cases, a physically presented object
is identified with a `perceptual´ individual. Which way round, if any way round,
does Professor Wollheim´s proposed art theory have it?"14
Die Differenz zwischen Gegenstandsidentifikation und Wahrnehmungsphänomenen
berücksichtigt Wollheim nicht. Zwischen 1968 und
1970 argumentieren die englischen Art & Language-Mitglieder Atkinson und
Baldwin objektorientiert und die New Yorker Burn und Ramsden
wahrnehmungsorientiert.15
Wollheim verbindet `Konventionalismus´ -
den Gebrauch des Begriffs Kunst - und `Essentialismus´ - zeitlos gegebene Natur
der Kunst - zu einem Statement gegen Objekt-, Inter- und Multimediakunst. Nach
Atkinson und Baldwin verkehrt Wollheim induktiv aus der Kunstgeschichte
gewonnene Erkenntnisse über konventionalisierte Kriterien der Kunstgattungen in
Deduktionen aus einer geschichtsenthobenen Natur der Kunst, statt zwischen
aktuell anerkannten und möglichen künstlerischen Präsentationsformen zu
differenzieren: "What we may have here is a
law-like statement which has been immunized against possible future experience
insofar as, if an experience does not fit it, so much the worse for the
experience...It seems that an art theory can´t deny the complexities of
propositional modalities."16
Gegen
eine "normal art"17,
die nicht in der Lage ist, ihre eigenen ontologischen Prämissen zu hinterfragen,
schreiben Atkinson und Baldwin: "The recognition
at the end of the 18th Century that matter may exist in one of three states -
solid, liquid, gas - was a way of organizing physical science...But from an Art
Language point of view all the old ontological worry has become a waste of time;
the physical-object-naturalistic notion is mostly harmlessly no use. The point
is that the physical object individuation method is conceptually
weightless...What is needed is the recognition that in whatever way we want to
constitute our art theory, it may well be just part of the activity, and that
the theoretical context may not exhibit referential failure at all, only
`referential multiplicity´."18
"`Referential multiplicity´" gibt es innerhalb des Art &
Language-Diskurses, wie oben bemerkt, zwischen objekt- und wahrnehmungsbezogen
konstruierten referentiellen Zeichenfunktionen: Art
& Language arbeiten mit den gruppeninternen Alternativen zwischen einer
"symptom theory of meaning" und einer "causal theory of
meaning"19,
die im Unterschied zu Wollheim nicht innerhalb eines Textes zugleich angewandt,
sondern aussortiert und gegeneinander gesetzt werden: Ein Diskurs über die
Beobachtungsweise, die Beobachtungsoperationen zugrunde liegt, wird
notwendig.
Nach Atkinson und Baldwin ist der Glaube an
ein"essentialist/material character/physical-object paradigm" als ein
unverrückbares "Naturgesetz" einem "Kategorienfehler"
verpflichtet. Das "Paradigma" ist selbst eine "soziale
Gegebenheit" und damit "veränderbar".20 Die Konstruktion einer Alternative erfordert die
Explikation, `wie´ gesehen wird, bevor erörtert wird, `was´ gesehen wird.
Essentialismus und Konventionalismus dagegen sind immer schon einer
"ontological priority"21
verpflichtet, bevor sie diese erklären können.
Der Beobachtung erster Ordnung, gefangen in impliziten ontologischen
Prioritäten, halten die Mitglieder von Art & Language eine Beobachtung
zweiter Ordnung entgegen, die "constructual possibilities" bzw.
"virtual entities" als "expressions, a way of speaking"22
entwirft und die alternativen Entwürfe in einer Beobachtung dritter Ordnung
diskutiert: Die kunsttheoretische Wende von der Bewußtseinsphilosophie zur
Sprachphilosophie hat bei Wollheim zur Rekonstruktion der klassischen Kriterien
der Identifikation von Kunst durch Gattungskriterien geführt, bei Art &
Language dagegen zu ihrer Dekonstruktion, zum Verzicht jeder Festlegung auf
Präsentationsformen.
Die Mitglieder von Art & Language plädieren
für die Umstellung des Diskurses über Kunst von einem Paradigma auf
eine Pluralität von Konzepten. Kunsttheorie soll dann nicht mehr eine
nachgeschobene Legitimation einer bereits in der Kunstöffentlichkeit (inclusive
Kunsthandel) etablierten künstlerischen Praxis sein, sondern in einem Wettstreit
zwischen Argumenten, die für das eine oder andere Kunstkonzept sprechen, zum
Verhandlungsgegenstand werden. Das Idealmodell der Mitglieder von Art &
Language ist eine Situation, in der eine Pluralität von Kunstkonzepten
entwickelt wird, welche durch die wechselseitige Reibung die Konzepte tragenden
Argumente im Diskurs verbessert werden. Dieses Ideal einer debattierenden
Kunstöffentlichkeit ist ein auf den Kunstbetrieb übertragenes Modell der
gruppeninternen Diskurspraxis: "A
multiplicity of choices changes the style of argument, and refutations are
impossible without a choice of alternatives." "...It is only by having
genuine alternatives that one is able to make the discussion of fundamentals
(ideological assumptions and implications) an essential part of art."23
Beabsichtigt ist auf dem hier referierten
Diskursstand von 1972, im Kunstbetrieb vom Nacheinander der Paradigmen zur
Ablösung von Paradigmen, vom "paradigm-shift-to" zum
"paradigm-shift-from"24, zu gelangen. Die institutionellen und
ökonomischen Rahmenbedingungen des Kunstbetriebs, die es dem "material
character/physical object paradigm of art" erlauben, sich hartnäckig zu halten,
und das Problem der Mitglieder von Art & Language, wie in diese
Rahmenbedingungen verändernd eingegriffenwerden kann, bilden den Inhalt von
Texten in "Art-Language" und besonders in "The Fox" bis 1976. Konflikte zwischen einer diskursunabhängigen
(auch musealen) Spektakelorganisation und dem Idealmodell von
Interaktionsbereichen für Diskurse werden von den amerikanischen Mitgliedern
thematisiert, aber nicht gelöst.25
"Index"-Systeme
Ab 1972 entstehen ausstellbare Werke aus Zeichenystemen, die
eine bestimmte Art des Umgangs mit Alternativen und Brüchen zwischen den
Textbeiträgen verschiedener Mitglieder thematisieren. Es entstehen Modelle für
die Handhabung einer gruppeninternen Pluralität von Modellvarianten und
-alternativen. Diese Modelle für
Modellalternativen konstituieren eine Beobachtung dritter Ordnung der Reflexion
der Reflexion, der "Reflexivität".26
1972 auf der
documenta 5 präsentiert die Künstlergruppe in "Index
01" (Abb. 2) alle in "Art-Language", Kunstzeitschriften und Katalogen
publizierten Texte sowie einige Manuskripte. Die Texte wurden aufgeteilt in
Karteien, die in acht Metallkästen mit je sechs
Auszügen (Abb. 3) deponiert sind. Auf den Außenseiten der Auszüge befinden
sich Aufschriften: Buchstaben als Indices und Titel der so bezeichneten Artikel.
Auf den Texten in den Karteien jeden Auszugs sind Subindices für einzelne
Artikelabschnitte zu finden. Die Indices kehren auf den Fotoabzügen
an den Wänden (Abb. 4) wieder. Auf jedem Fotoabzug steht links oben ein
Hauptindex eines Artikels oder Artikelabschnitts, auf den sich alles folgende
bezieht. In der neben dem Hauptindex folgenden vertikalen Reihe bezeichnen
arabische Ziffern verschiedene Leser, z.B. 1-14. Jeder Leser hat unter "(+)"
Indices und Subindices notiert, die Texte und Abschnitte bezeichnen, welche mit
dem Hauptindex kompatibel sind. Unter der Rubrik "(-)" stehen alle Indices für
nichtkompatible, unentscheidbare Text(abschnitt)e und unter "(T)" alle Indices
für nicht vergleichbare Referenten. Im Auszug "key and index" findet der Leser
den Schlüssel zu den Bedeutungen von "+", "-" und "T". Die Bewertungen an den
Wänden weisen auf eine Vielfalt von Ansichten innerhalb der gruppenin- und
-externen Modelleser. Die Bezugsfelder zwischen Elementen des bis 1972
entstandenen A&L-Diskurses erscheinen offen für eine Fortsetzung der
Diskussion sowohl innerhalb der Gruppe als auch zwischen Mitgliedern und
Nichtmitgliedern. Diese Offenheit nach außen
entsteht durch die dritte Ordnung der Beobachtung, durch das Modell für
Modellalternativen, die als Rahmen gruppenintern notwendig erscheint, um die
Unübersichtlichkeit der eigenen Ansätze nicht willkürlich zu vermehren: Der
"Index 01" ermöglicht Schließung und Öffnung gleichzeitig.27
Das dreiwertige
System wurde von den englischen Mitgliedern in "Index
02" (Abb. 5 - Abb. 9) im Hinblick auf die logischen Kriterien Transitivität
und Symmetrie überarbeitet. Die optische
Präsenz des Wall-Display der 42 Blätter in einer (Galerie Bischofberger, Zürich)
und 320 Blätter in einer anderen Fassung (Sammlung
Herbert, Gent) (Abb. 10), die Pragmatik der Zeichenformen und ihre
eigenartige Relation zu den metasprachlichen Zeichenfunktionen des Konzepts
wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht reflektiert.28
Das Drei-Werte-System und seine logischen
Implikationen wurde von einem Alternativmodell der amerikanischen Mitglieder
infrage gestellt. Die Mitglieder Ian Burn, Michael Corris, Preston Heller,
Andrew Menard und Terry Smith schrieben zwischen Januar und Juli 1973 Texte zu
Grundsatzfragen von Art & Language. Mel Ramsden und Michael Corris haben aus
diesem Textmaterial "Annotations" gewählt, diese mit Schlagworten versehen, die
Schlagworte alphabetisch geordnet und bis "408" numeriert. Der Leser kann an
beliebiger Stelle in "Blurting In" einsteigen und erhält unter jedem Schlagwort
Hinweise, wo er weiterführende (Pfeil) und kompatible ("&") Schlagworte
finden kann, aber nicht muß. In der Einführung heißt es auf S. 2: "The whole
thing can be seen as a domain of overlapping sets." Der Leser kann sich
seinen eigenen Pfad aus freien Sprüngen zwischen Schlagworten und
Fortsetzungshinweisen konstruieren.
Dieses an begrenzt offener
Interaktion zwischen Text und Leser orientierte Modell verzichtet auf die
Thematisierung von Widersprüchen im Art & Language-Diskurs, wie sie in den
Index-Systemen "01" und "02" unter dem Wert "(-)" zu finden waren. Die
Gegensätze zwischen "Index 02" und "Blurting In" lassen sich grob so skizzieren:
Logische Stringenz gegen die Pragmatik der Alltagssprache, Wittgenstein I gegen
II. An den Modellen über Modellalternativen wiederholt sich der
gruppeninterne Dissenz bzw. die Pluralität der Ansätze. Die Beobachtung dritter
Ordnung fängt die Vielheit der Ansätze nicht auf, sondern veranschaulicht sie
durch ihre Präsentationsform.
Der "Index
002 (Bxal)" (Abb. 11) der englischen Mitglieder widerspricht 1973 der ungebrochen
narrativen Ordnung von "Blurting
In" (Abb. 12).29 Unter roten und schwarzen Notenlinien steht ein
von den englischen Mitgliedern verfaßter Text über das transatlantische Verhältnis
der beiden Gruppen. Der Text ist über den Notenlinien mit Indices "S1" bis "S15"
für jeden der Sätze versehen. Innerhalb jeden Satzes sind die Worte durchgezählt
und die Wortindices ebenfalls über den Notenlinien plaziert worden. Zwischen
den Notenlinien haben amerikanische Mitglieder Verkettungsmöglichkeiten zwischen
den Worten notiert. In der New Yorker John Weber Gallery sind die Index-Papiere
mit Eintragungen präsentiert worden, nicht aber das Eintragungssystem "Bxal".
Ebensowenig ist auf das Musterblatt, das in "Art-Language",
June 1974, S.15 (Abb. 13) publiziert wurde, verwiesen worden. Geht so schon jeder rekonstruierbare Zusammenhang verloren,
so erweist die Rekonstruktion des "Bxal"-Systems und seiner Anwendung in "Index
002 (Bxal)", daß der Zusammenhang zwischen den Absichten des Eintragenden und
dem Lesbaren nicht dechiffrierbar ist: Die Ziffern für Relationen zwischen Wortindices
von "S 1"30
in der rechten Spalte des Musterblattes stehen neben einer vierspaltigen Liste
möglicher Verkettungen ("concatenations" zwischen zwei Textfragmenten/"Blurts"
("B") "x" und "y"), ohne erkennen zu lassen, welche der vier Verknüpfungsmöglichkeiten
in derselben Zeile gemeint war: Der Leser beginnt entweder von Neuem zu wählen,
oder beläßt es bei der Registrierung von Eintragungen als bloße Oberfläche.
Der bei "Index 02" bemerkte Widerspruch zwischen optischem Eigensinn des Wall-Display
und logischer Ordnung des Zeichensystems wird jetzt zum Prinzip: In
der Anwendung des englischen "Bxal"-Systems produzieren die amerikanischen Mitglieder
selbstbezügliche Zeichenformen. Während ein amerikanisches Mitglied in einem
publizierten Tonbandprotokoll sagte "...the surface generated would allow
the viewer more potential for reconstruction on an experiential basis"31,
äußerte das englische Mitglied Philip Pilkington, das am Konzept dieses Index-Systems
maßgeblich beteiligt war, 1987 schriftlich und mündlich, daß die Eintragungen
nur als `Schrift´, als eine Menge von Inskriptionen gedacht sind. Der
Informationswert jeder Eintragung sei analog zu
Pierre Abaelards "paradox of the heap of stones" zu betrachten: Durch
neue Eintragungen verändern sich die Merkmale/der Informationswert der vorhandenen
Eintragungen nicht.32 Die Auffassungen der Art & Language-Mitglieder
schwanken zwischen Desemantisierung und potentieller Resemantisierung der Eintragungen.
Die Konzeption des
"Bxal"-Eintragungssystems und des "Index 002 (Bxal)" vermeidet, daß das ganze
System sich `affirmativ´ auflösen läßt durch homologe Koordination eines
Komplexes von Zeichen (in einen anderen bzw.) in einen Komplex von Bedeutungen.
Im Unterschied zu den Index-Systemen "01" und "02" werden die Übersetzungsregeln
und Indices einer `dominierenden´ metasprachlichen Zeichenfunktion nicht als
"key" angeboten, sondern, obwohl es einen Schlüssel für die Produktion gibt, für
die Rezipienten versteckt. Was in der Ausstellung sichtbar ist, erscheint wie
eine Kopie ohne Original, wie die Abschrift einer abwesenden Urschrift.
Provoziert die Infragestellung der Konstitution der Beobachtung dritter Ordnung,
wie sie "Index 01" und "02" vorführen, durch den "Index 002 (Bxal)" zu einer
neuen Sicht auf die Beobachtung erster Ordnung? Kehrt eine mehrere
Reflexionsordnungen konstruierende Konzeptuelle Kunst sich hier von semantischen
Innenbrechungen ab und der Zeichenform zu? Nein: Semantische Innenbrechungen
erzeugen in der Präsentation bereits bei "Index 02" eine Eigendynamik der
Zeichenformen des Wall-Display. Die pragmatische Dimension der Wandpräsentation
ist in der Konzeption des "Index 002 (Bxal)" berücksichtigt worden. Der
Pragmatik wird mehr als eine nur beiläufige Rolle zugestanden. Sie ist nicht zu
Syntax und Semantik hinzu addierte Rhetorik, sondern Bildmodell, daß das
Diskursmodell stört, indem es in dessen Koordinationen von Zeichen mit
Bedeutungen durch poetische Zeichenfunktionen, durch selbstbezügliche
Zeichenformen, einbricht.
Die
Inskriptionen um ihrer selbst willen, als `Schrift´ ohne eindeutigen
Diskursbezug im "Index 002 (Bxal)", das vielverzweigte "Blurting In"-System und
das von logisch-metasprachlichen Zeichenfunktionen `dominierte´33
System der Index-Systeme "01" und "02" verschärfen die Brüche zwischen
alternativen Sprachmodellen innerhalb von Art & Language. Die Frage, wie
diese Alternativen aufeinander bezogen werden können, stellt sich in der
Beobachtung dritter Ordnung neu und anders.
"Dialectical
Materialism"
Englische Art & Language-Mitglieder
haben 1975 Plakate der Serie "Dialectical
Materialism" (Abb. 14) auf die Wände des Oxforder Museum of Modern
Art geklebt. Über kleinen Reproduktionen
von Beispielen des russischen Konstruktivismus erscheinen in einem weiteren
Bildfeld Klein- und Großbuchstaben sowie Ziffern und Wiederholungen der
Abkürzung "Surf.", lesbar als "Surface", "Surfeit"34
oder "Surfing". Die Zeichen sind vorcodierten Ordnungen - Alphabet und
Zahlen - entnommen, die nicht nur ihre Form, sondern auch ihre Reihenfolge
festlegen. Sie sind `schlechte´ Mittel zur Wiedergabe der
Bildzusammenhänge der Vorlage - `schlecht´, weil sie die visuellen Zusammenhänge
de(kon-)struieren. Aufgelöst werden narrative Zusammenhänge z.B. in El
Lissitzkys "Da
sind zwei Quadrate": Suprematistische Erzählung in zwei Quadraten
in sechs Spielen"35:
Die beiden Hauptaktoren, die Quadrate, erscheinen als Feld verdichteter
Zeichenereignisse mit offenen Konturen. Bei schmalen Formen des Vorbildes
löst die Öffnung der Konturen das Feld der Zeichenverdichtung auf. Von
schmalen Balken bleiben nur zusammenhanglose Zeichen: Die Ausgangsform
wird punktualisiert. Wird hier aus dem Icon der Vorlage ein Index zur
Lesbarkeit der Zusammenhänge zwischen den Zeichenmengen oder liefern die
Buchstaben und Zahlenreihen Indices zur Semantisierung der Zeichenformen
der Vorlage?
Die Wiederkehr der Text- und Zahlzeichen auf anderen
Wandplakaten der Oxforder Installation legt die Möglichkeit der Semantisierung
nahe. Die Text- und Zahlzeichen erscheinen vor, neben und über Textabschnitten
wie Indices. Allerdings erhalten einzelne Abschnitte mehrere Indices, z. B.
Großbuchstabenindices und zwei verschiedene Zahlenindices.
Außerdem gibt
es Felder, in denen Buchstaben ohne Text- oder Bildbezug verteilt sind: Neben
vertikalen Reihen von Großbuchstaben kommen Kleinbuchstaben in vertikalen Reihen
vor. Die Kleinbuchstaben wechseln von vertikaler Reihe zu vertikaler Reihe
alphabetisch von links nach rechts, also kommt pro Reihe ein Buchstabe vor. Die
Buchstaben erscheinen zwar geordnet, doch ist die Häufigkeit der Besetzung der
Sparte und der Lücken beliebig. Einzelne vertikale Reihen bleiben unbesetzt. Die
Zeichenkoordination schwankt hier zwischen geordnetem Diagramm aus links oben
mit "A" beginnendem und sich nach unten und rechts fortsetzendem Alphabet und
einer Bildkomposition, diesmal ohne Rekurs auf Vorlagen. Die Elemente von
vorcodierten Zeichenserien kommen in der Oxforder Installation vor - als
Indices in Textbezügen, - als Zeichenformen in Bildbezügen zu den Vorlagen
des russischen Konstruktivismus, - als Zeichenmaterial, das selbst
Bildphänomene konstituiert. Auf einem Wandplakat wird die maschinelle
Übersetzbarkeit "symbol after symbol" von zwei Sprachen erklärt, die in
"a close semantic relationship" zueinander stehen. Der Text eines anderen
Plakates, das in der Oxforder Installation über dem maschinelle
Übersetzungsvoraussetzungen erklärenden Wandplakat aufgeklebt ist, endet mit dem
Satz: "To show that there is no authentic piece by piece relationship between
surface structure and conceptual form, various concrete examples might be
cited." Isomorphe Übersetzung als mögliche Relation zwischen zwei Sprachen
und nicht-isomorphe Relation zwischen Oberflächenstruktur und Konzept werden
miteinander konfrontiert. Die nicht-isomorphe Relation zwischen Oberflächen- und
Tiefenstruktur erschwert die isomorphe Übersetzung bis zu ihrer Unmöglichkeit.
Auf weiteren Wandplakaten wird die Wechselseitigkeit von vergangenen und
zukünftigen gesellschaftlichen Veränderungen beschrieben. Die Veränderungen der
Gegenwart ermöglichen zugleich eine andere Zukunft wie einen neuen Blick auf das
Vergangene, das seine Bedeutung ebenfalls ändert. Die rekursive Modifikation der
gegenwärtigen Sicht des Vergangenen transformiert wiederum die Sicht auf die
Zukunft. Eine Dialektik zwischen den Möglichkeiten des vergangenen und der
Zukunft wird entfaltet. Der ursprünglich an
der analytischen Philosophie orientierte Ansatz wird von den englischen
Mitgliedern von Art & Language von einer an der "Neuen Rhetorik"
orientierten Dialektik korrigiert. 36
Zu den drei Verwendungsweisen der
vorcodierten Zeichenreihen als Indices und/oder Icons kommen durch
Texterläuterungen drei Sprachmodelle hinzu, die Isomorphie, Differenz oder
Dialektik (zwischen Isomorphie und Differenz) betonen. "Dialectical Materialism"
setzt sich mit der Logik der Index-Systeme "01" und "02" und der Nicht-Logik des
"Index 002 (Bxal)" auseinander und offeriert einen dritten Weg. Die Wandtexte
und die Art des Umgangs mit Indices erklären sich wechselseitig.
Die
dichte Präsentation von Zeichen in poetischen, phatischen, referentiellen und
metasprachlichen Zeichenfunktionen `nebeneinander´ führt zu einer
Beobachtersituation, in der die Zeichenfunktionen zueinander in Verhältnissen
der `Negation´, der `Spannung´ (als wechselseitige `Negation´) oder des
`Gleitens´ lesbar sind. "Dialectical Materialism" ist zugleich Resumée der
theoretischen politischen Positionen und Antizipation der folgenden
Gemälde.
Bild- &
Diskursmodelle
Ein wichtiger Schritt der Entwicklung
von Art & Language nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Gruppe
zu einem neuen Start auf der Basis vorhandener Erkenntnisse ist die malerische
Auseinandersetzung mit einem Plakat, das 1942 die Vichy-Regierung zur
Rekrutierung von Industriearbeitern verwendete. Es trägt den Slogan «Ils
donnent leur sang donnez votre travail» (Abb.14a). In der Zusammenarbeit
von Michael Baldwin und Mel Ramsden mit Charles Harrison und Philip Pilkington
ergeben sich ab 1976/77 Investigationen der Bildkonzepte des Realismus
und der Abstraktion mit der Tendenz, ihre sich wechselseitig ausschließenden
Geltungsansprüche und ihre inzwischen in Ritualen des Kalten Krieges festgefahrene
politische Vorcodierung zu überprüfen. Das deutsche Plakat von 1942 wird
malerisch und verkürzt wiedergegeben: Ohne den behelmten Kopf eines deutschen
Soldaten werden die dargestellten Personen in Reihen vor der Fabrik zu
Referenten der «Ils». Der Slogan wird ohne Besatzerkopf anders lesbar,
als wäre das "Blut", das «Ils» als Arbeitskraft einsetzen, als Vorbild
für den Beobachter zu verstehen, ihrem Arbeitseinsatz zu folgen. Aus faschistischer Propaganda wird durch eine
Auslassung eine Aussage, die auch als sozialistische Propaganda lesbar
sein könnte: Der Stil der Darstellung erleichtert dies.37 In der malerischen
Adaption von Art & Language erscheint das modifizierte Plakatmotiv
wie ein Nachfahre von Industrie- & Arbeiterbildern der Neuen Sachlichkeit.38
In Bildern der Reihe der "Portrait
of V. I. Lenin...in the style of Jackson Pollock" (1979-80) wird
Pollocks Dripping-Technik für Porträt-Malerei eingesetzt. Am
Schnittpunkt zwischen vom Westen zur Weltkunst ernannter Abstraktion,
die nach Clement Greenberg im "`American-Type´ Painting"39
zu neuen Höhepunkten fand, und personenbezogener Ostpropaganda entsteht
das 1972 zum ersten Mal in "Comparative Models, version 1" formulierte
Problem der "Theoriebeladenheit der Beobachtung"40 neu. Die Produktion der Drip-Spuren unterliegt
demselben Prinzip der Beobachtung wie die Rezeption: Die Beobachtung des
Rezipienten muß in der Zuspitzung der Farbspuren auf Erkennbarkeit eines
Gesichts im Produktionsprozeß antizipiert werden. Die zwischen Farbspuren
und Gesichten kippende Wahrnehmung ist für die Mitglieder von Art &
Language ebenso wie für Bildbeobachter ein Experiment - im Unterschied
zu der Produktion konzeptuell vororganisierter Index-Systeme. Die Lenin/Pollock-Porträts
wiederum thematisieren bereits eine in die Produktion eingelagerte Beobachtung,
die nicht systematisch, sondern nur nach "trial-and-error"-Verfahren
vorgehen kann: Die "ontologische Relativität" der nicht hintergehbaren
"flexiblen" Beziehung von Schema und Korrektur einer wahrnehmungsbezogenen
Konstitution referentieller Zeichenfunktion (s. "symptom theory of meaning"
oben) wird von Art & Language nicht im Rücklauf auf Wahrnehmungskonventionen
geschlossen. Sie wird vielmehr im Vorlauf auf die Korrigierbarkeit von
Sehkonventionen geöffnet, und zwar durch die Relationierung von Bild-
mit Diskursmodellen: Keine "symptom theory of meaning" ohne Rekurs
auf eine oder mehrere "causal theories of meaning". Vorcodierte
Gesichtsikone und vorcodiertes Exempel des Malmediums durchdringen sich
in den Lenin/Pollock-Bildern in einer Medium/Form- bzw. Form/Inhalt-Brechung,
die Reflexionen über in Sehprozesse eingebettete Leseprozesse, über die
Unvermeidbarkeit der Koppelung von Sehen/Lesen und die Unmöglichkeit eines
"unschuldigen" Sehens, provoziert.41
Einen Gegensatz
von Perzeption und Konzeption thematisieren Art & Language 1981-82
in ihren "Painted by Mouth"-Bildern: Eine Fotovorlage, deren Inhalt der
Titel "Attacked by an Unknown Man in a City Park: A Dying Woman..." (Abb.
14b) beschreibt, wird mit dem Pinsel im Munde gemalt. Ein Bild entsteht,
das auch als expressionistische Variante von Jacques-Louis Davids "Der
Tod des jungen Joseph Bara" (1794) gelesen werden kann und Gustave
Courbets "Mädchen am
Ufer der Seine" von 1856/57 ähnlich sieht.42 Weder Vorlage noch Malprinzip programmieren die
expressive Wirkung und Lesbarkeit des Resultats vor: Art & Language
rekombinieren poetisch-selbstbezügliche Zeichenformen der zitternden Mundmaltechnik
(Bildform(en)) mit iconischen referentiellen Zeichenfunktionen (Abbild/Darstellung)
zu einem Resultat, das dem Beobachter emotive Zeichenfunktionen zu erkennen
und mit poetischen und referentiellen Zeichenfunktionen in Bezug zu setzen
erlaubt: Einerseits entstehen emotive Zeichenfunktionen aus der Relationierung
von poetischen mit referentiellen Zeichenfunktionen, andererseits verweisen
die emotiven Zeichenfunktionen auf die poetischen und referentiellen Zeichenfunktionen
in einem Beobachterprozeß der Verschiebung der Problemsicht zurück. Das
mit "Dialectical Materialism" aufgeworfene Problem der Relationen zwischen
Zeichenfunktionen erscheint in einer Weise aufs Neue, die die Wende von
Art & Language zur Malpraxis nachvollziehbar werden läßt.
Bei Beobachtung des Resultats ergeben sich auch Seh-/Leseprozesse, die
im Produktionsprozeß noch nicht berücksichtigt wurden: Die Relation von
Bildtechnik und Bildwirkung wird auch für die Maler Baldwin und Ramsden
zur überraschenden Erfahrung. "Sehen" wird in den Lenin/Pollock- und "Painted
by Mouth"-Bildern (Abb. 14c) einerseits autonomer als bisher begriffen
und von Prozessen des Lesens von Text abgelöst, andererseits gewinnt gerade
dadurch das Problem der Bildwahrnehmung an Bedeutung, die nicht auf Unmittelbarkeit
reduzierbar ist, weil sie sich nur im zeitlichen Vor- und Rücklauf erschließt,
als Sehprozeß im Rücklauf auf mentale Bildmuster und im Vorlauf auf Refocussierung
durch Wechsel der Zeichenfunktionen und durch Bildmustertransformation.
Diese Dialektik von Vor- und Rücklauf wurde auf Textplakaten von "Dialectical
Materialism" als sozialer Transformationsprozeß artikuliert. Jetzt setzen
Art & Language diese Dialektik auf einer Wahrnehmungsebene an, in
der das Problem der Relation von Sehpraxis und konzeptuellem Lesen, der
Relation von Praxis und "theoretischer Praxis", sich gerade dadurch
verschärft, daß im Bildmodell nicht mehr auf die deduktive Systematik
der ersten Index-Systeme zurückgegriffen werden kann. Wenn weder ein Umwelt
Stück für Stück isomorph abbildender Naturalismus noch ein konzeptueller
Idealismus als Fluchtpunkte möglich sind, dann bietet sich die Alternative
an, Sehen als Praxis einer permanenten Refocussierung der Beobachterhaltung
gegenüber dem Beobachteten zu konzeptualisieren/reflektieren/beobachten.
Im Prozeß der Refocussierung verschiebt sich dem Beobachter entlang von
"Wendemarken" permanent die Einstellung zur Umwelt, zum Bild der
Umwelt im Vorstellungsbild und damit die Wahrnehmung von dem, was als
Teil der Umwelt, als in ihr existierendes Objekt geglaubt wird. Hatten Art &
Language in der theoriekonstitutiven Phase bis 1970 Sinneswahrnehmung
(über Reizmuster) noch direkt an konzeptuell-begriffliche Systematisierung
von Weltmodellen anschließen wollen43,
so durchdringen sich jetzt Bild- und Diskursmodelle in permanenter Rehistorisierung/Verzeitlichung
als sich ineinander faltende, kompaktierende, und ausfaltbare mentale
Schichten.44 Bild- und Diskursmodelle besitzen ihre historische
Semantik, die bild- und sprachmedienspezifische Möglichkeiten zugleich
für Zukünftiges schließt und öffnet, sowohl getrennt als auch in der Art,
wie Bilder und Diskurse laufend parallel und zur wechselseitigen Semantisierung
verwendet werden. In der Aufarbeitung der Relationen zwischen Bild- und
Diskursmodellen wird Konzeptuelle Textkunst zugleich revidiert und als
notwendig bestätigt.
"Incidents in a Museum"
Die 23 Varianten der "Index: Incidents in a Museum"-Bilder
erzeugen durch mehrfache Bildweltbrechungen dynamische, nur in der
Retransformation erfaßbare Weltbilder:
- Abgebildet werden verschiedene Ausstellungsräume des 1966 eröffneten neuen
Whitney Museum of American Art in der Madison Avenue im Stadtzentrum von New York.
Die Bilder führen sich in für Nachkriegskunst paradigmatischen Präsentationsumständen
vor, in denen sie real nie erscheinen können. Das Abgebildete ist Modell und
Brechung der jeweiligen Präsentationsumstände, in denen der Beobachter das Bild
vorfindet.
- Die in
einem Atelier in England gemalten "Incidents" führen eine imaginäre Ausstellung
mit Werken von Art & Language vor.
- Die Materialisation der Malvorlage geschieht pro Variante
mehrfach auf je eigenen Keilrahmen. Das jeweils grössere Bild enthält eine Aussparung
für das kleinere Bild. Neben der Inkorporation von zwei Bildern kleineren Formats,
die dieselbe Raumsituation in entsprechend reduziertem Maßstab zeigen (III,
V, 1985; IX (Abb.18),
XI (Abb.15),
XV (Abb.15),
1986), gibt es Varianten, in denen der Maßstab der Darstellung sich bei kleinerem
Bild nicht verändert, also das Bild auf anderem Träger fortgesetzt ist, oder
der Maßstab umgekehrt proportional zum Bildformat gewählt ist (II, IV, 1985;
VII (Abb.17),
X (Abb.18),
XVI (Abb.16),
1986). Die verschiedenen Relationen von Maßstab und Format werden in zweifacher
Innenbrechung kombiniert. Ein häufig wiederkehrendes Muster der Innenbrechungen
ist die Kombination eines auf dem grösseren Innenbild ohne oder mit nur geringem
Maßstabwechsel fortgesetzten Bildes, mit einem Innenbild, das klein das gesamte
Bildmotiv zeigt (V, VI (Abb.15),
VIII, XIII, 1986).
In einigen Varianten wird die Darstellung einer fiktiven Art
& Language-Ausstellung im Whitney Museum gebrochen: Wenn das kleinste Bild
nicht das ganze Motiv zeigt, und wenn das, was es zeigt, nicht die Lücken der
Ausschnitte in den beiden größeren Bildern füllt, dann ist das Ausgangsmotiv
nicht rekonstruierbar (X, 1986). Andere Varianten mit nur einem Innenbild, das
das ganze Motiv des Außenbildes vorführt, zelebrieren die Präsentationsumstände
des Whitney Museum, ohne Werke zu exponieren (XV, 1986; XVIII, XXIV, 1987). Die
Wiederholungssequenzen in diesen und anderen Varianten können eine Eigendynamik
poetischer Zeichenfunktionen entwickeln, deren Reiz mit dem Sehen-Lesen des
Dargestellten, der referentiellen Zeichenfunktion, konkurriert. Die Repetition
unterstützt und bricht zugleich die Fiktion der imaginären Art &
Language-Ausstellung.
Einen ironischen Kniefall vor Marcel Breuers formalistisch gewordenem (Nicht mehr-)Funktionalismus leisten sich
Art & Language in einigen Varianten: Sie führen fiktive Werke vor, die es
im Oeuvre von Art & Language nicht gibt, und die eigens für die Vorführung
der von Breuer geschaffenen Präsentationsumstände für Kunst geschaffen worden
zu sein scheinen: Ein Kurzschluß zwischen Werk und Museumsform wird hergestellt,
indem die formalen Phänomene beider soweit angenähert werden, bis die Kunst
zum Mobiliar der Architektur wird (IX mit einem grauen Längsrechteck, XIII mit
einem seitenverkehrten realistischen Bild des Fensters im vierten Stock, XVI
mit einem schwarzen Monochrom, alle 1986). Diese Annäherung von Kunstmedien
und musealen Präsentationsumständen wurde von Andrew Menard und Ron White bereits
1975 in "Media Madness" als "Architecture of Contemplation" thematisiert, die
zum Medium wird, das die Werkformen nurmehr variieren. Der in "The Fox" publizierte Artikel schließt
mit einem Foto von Sarah Charlesworth, das ein monochromes Gemälde an der Wand
(Robert Ryman?)
und Stahlplatten von Carl
André am Boden zeigt.45 Der Widerspruch zwischen der von Art & Language
laufend neu problematisierten Relation von Bild- und Diskursmodellen und der
diskursentlastenden Spektakelorganisation, die sich als Geschmackskultur von
den Massenmedien abzusetzen vorgibt und doch gerade darin ihr Teil ist, wird
von Art & Language hier thematisiert: Dem Beobachter wurden in "Print (2
sections A and B)" 1966 die im musealen Präsentationskontext etablierten Kriterien
der Identifikation von etwas als Kunst mit Fragezeichen versehen vorgehalten.
Jetzt werden in den "Incidents" den etablierten musealen Relationen zwischen
Präsentationsumständen und Präsentationsformen Modelle der Überspitzung vorgehalten,
die anzeigen, daß hier eine Sackgasse vorliegt. Einer modisch gewordenen Kontextkunst, die nur
wiederholt, was sie an musealen Präsentationsformen bereits vorfindet (z.B.
Heimo Zobernig, Gerwald Rockenschaub, Christopher Williams46), können die Mitglieder von Art & Language
die "Incidents" entgegen halten, die die affirmative Selbsteinbettung in Musealisierungsprozesse
durch Prozesse der fortlaufenden Verschiebung der Zusammenhänge zwischen Materiellem,
Optischem und Mentalem ablösen.
Die
materielle Bildinkorporation erzeugt optische Wiederholungsmuster und ist mental
ableitbar aus einer virtuellen Syntax der beliebigen Bildvergrößerung,
Bildverdoppelung und Bildeinblendung: In der Beobachtung ergeben sich Spannungen
und Durchdringungen von materiellen, optischen und mentalen Strata. Zwischen
referentielle und metasprachliche Zeichenfunktionen schieben sich poetische und
emotive. Das Weltmodell "Dialectical Materialism" wird in den "Incidents in a
Museum" zum Kunstmodell. In das Kunstmodell wird allerdings die Brechung Kunst-
und Weltbeobachtung als Brechung mit sich selbst - den Bildern im Bild - und
musealer Umwelt eingebettet: Kontextreflexive Kunst im Kontext.
Geiselbefreiung
"Hostages" ist ein mit Jean Fautriers Geiselbilder/Otages
(1943-45)47 aus Fleckengesichte[r]n verwandter Titel einer
Bildserie, die Baldwin und Ramsden 1988 begannen. In den ersten Versionen
(II-XIII, 1988-89 (Abb.
19 - Abb.
21)) wird ein Bildfeld von Streifen geteilt. Das Bildfeld erscheint
wie eine Fläche palettenähnlich ausgestrichener Farbe. Tatsächlich ist
eine malerische Reproduktion eines Feldes ausgestrichener Farbe zu sehen.
Die Wiedergabe der Vorlage ist nicht immer im Maßstab 1:1. Während die
Reproduktion der palettenartigen Ausstreichung den Bildrand berücksichtigt,
werden die Streifen von diesem hart geschnitten. Auf einigen Streifen
kehren Ausschnitte aus den Whitney-Interieurs wieder. Andere Streifen
sind monochrom oder mit Flecken bemalt. Wiederum andere imitieren nach
dem Vorbild des synthetischen Kubismus Holzstrukturen. Einige Streifen
besitzen eigene Träger, die in die Bildfläche wie Intarsien eingelegt
sind. Die Streifen sind als zu mindestens zwei Grundrissen gehörend identifizierbar.
Die Bemalung der Streifen läßt sich stilistischen Codes zuordnen. Die
Grundrißdiagramme schneiden flach durch den optischen Eindruck eines Farbbildraums,
den die Reproduktionen ausgestrichener Farbflecke hervorrufen: Nicht wegen
der malerischen Behandlung der Streifen, wohl aber wegen deren linearen
und orthogonalen Umrisse kann hier von Hard Edge-Streifen über/in/zwischen
abstrakt-expressiven Farbfeldern gesprochen werden. Die beiden Grundrisse
werden in einer Bildebene geschnitten: Jeweils einer der beiden Streifen
wird an den Kreuzungsstellen unterbrochen.
Diese "Hostages" sind an die formalen Paradigmen der
Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ebenso gebunden wie sie den
Ausschließlichkeitsanspruch dieser Paradigmen auf der Bildfläche durch
Simultaneität vertreiben: "paradigm-shift-from" statt
"paradigm-shift-to" auf einer Bildfläche, die sich selbst als "imaginäres
Museum" von Bildmöglichkeiten der künstlerischen (Neo-)Avantgarde vorführt. Das
Bildmodell schlägt "New Painting" in dessen eigenem Feld, dem artifiziellen
Rekombinieren malerischer Möglichkeiten. Baldwin und Ramsden wandeln die als
postmodern bezeichneten Pasticcio-Verfahren aus Code-Fragmenten in Verfahren der
Code-Transformation. Scheinbar Originales ist reproduziert und aus
Reproduktionen und Adaptionen wird in der wechselseitigen Einspiegelung
Originales erzeugt: Die Übernahmen aus bildexternen Ressourcen, die Geiseln,
werden bildintern zur Selbstdifferenzierung in einem Bildsystem
weiterverarbeitet, das sich von den Bildsystemen, in denen die Motive bereits
vorkommen, absetzt: Geiselbefreiung.
Die "Hostages"-Varianten bis Nr. XIV rekapitulieren den 1972 artikulierten Standpunkt
des "paradigm-shift-from" 1988, als sich abzeichnet, daß sich die Kunstgeschichte
der achtziger Jahre auf die Pole Neo-Expressionismus und Neo-Konzeptualismus
eingrenzen läßt. 1972 bereits artikulieren Atkinson/Baldwin in "Some post-war
American work and Art-Language ideological responsiveness", daß sich der Paradigmenwechsel
abstrakter Expressionismus-Pop Art-Minimal Art-Conceptual Art nicht beliebig
fortsetzen läßt. Das Argument bezieht sich auf eine Situation der Institutionalisierung
neoavantgardistischer Praktiken als Progress ad infinitum, für die eine Investigation
nach dem Vorbild der Untersuchung der Paradigmen wissenschaftlicher Revolution
von Thomas Kuhn (oder nach Roland Barthes´ Analyse der Zeichensysteme
der Mode?) angebrachter ist als moderne Fragestellungen der Selbstemanzipation
der Vernunft als sich ausdifferenzierende Vernünftigkeit. Indem die "Hostages"
Teile aus stilistischen Codes in Transformations-/Verschiebungsprozesse überführen,
öffnen sie die Enge der Polarisierung künstlerischer Alternativen gerade im
Rekurs auf Clement Greenbergs Dichotomie "linear"-"malerisch". Greenberg führte 1962 explizit Heinrich
Wölfflins aus Stilanalysen abgeleitete Dichotomie "plastisch"/"linear"-"malerisch"
in den Diskurs über amerikanische Nachkriegsmalerei zwischen abstraktem Expressionismus
und Hard Edge/"Post Painterly Abstraction"48
ein. In den frühen "Hostages" wird daraus ein Vexierspiel zwischen malerischen
und linearen Flächen dies- und jenseits von Schnitten in der Leinwand und linearen
Umrissen. Das Bildmodell provoziert zu Erkenntnissen, die in Diskursmodellen
von Art & Language schon länger als überfällige selbstbezügliche Reflexion
des Kunstbetriebs dargelegt worden sind. Doch was außer einem unverschämt guten Bildmodell
konnte bei 1988 noch extrem steigendem Kunstboom49 mit Kunstbeobachtern rechnen?
Schichtenmodell 1
In 1989-90 entstandenen "Hostages"-Versionen
wird auf einer Darstellung einer Baumallee (erste Schicht) in bestimmten,
auf Vorzeichnungen festgelegten Formationen - es handelt sich um typografische
Überarbeitungen der Abkürzung "Surf." - dicke Farbmaterie gesetzt. Beim
Auflegen einer Glasplatte im Format der Leinwand verteilen sich die Taches
zu Schlieren (zweite Schicht). Das Glas spiegelt die Präsentationsumstände
vor den Schlieren erheblich geringer. Bei bestimmten, in Museen nicht
unüblichen Lichtumständen sind von der Malerei kaum mehr als die Schlieren
erkennbar. Auf dem auf die Leinwand mit kleinen Schrauben befestigten
Glas sind in einigen "Hostages" Textposter aufgeklebt (XIX,
XXII, XXV, L, LX, LXVI, LXIX, LXXII, s. Abb.
21c - Abb.
21d). Von den vier Textpostern auf "Hostage LXIX" (Abb.21e)
sind je zwei Varianten durch Textmanipulation entstanden: Laut-, aber
nicht sinnverwandte Worte sind gegeneinander vertauscht worden: Welcher
Text ist die Variation, welcher der Ursprung? Die Ursprungsfrage entfällt
in einer Kette fortlaufender Variationen. Der Text, der gemeint sein könnte,
liegt vielleicht zwischen beiden Varianten, oder es ist kein anderer Sinn
als der der Variation zu finden: rein formaler Selbstbezug oder experimentelle
Möglichkeiten der Semantisierung, wie vormals bei den Inskriptionen von
"Index 002 (Bxal)"? Die Sprachververschiebungen versetzen die Erzählungen
in den Zustand des Transitorischen.
Die vergangene Transformation der Farbpaste durch die Glasplatte und ein
weiterer Teil der trotz Schlieren noch sichtbaren Teile des Landschaftsbildes
werden von den Textpostern abgedeckt, die mit den semantischen Verschiebungen
unabgeschlossene narrative Verläufe vorführen. In "Hostage XIX" von 1989
weist der Text über einem verschlierten Whitney-Interieur auf ein 1995
zu malendes Bild und offeriert die paradoxe Zukunftsprognose "We may
hide behind our speech at this apalling moment." Zwischen Sprache
als Möglichkeit, Aktuelles in Potentielles zu öffnen, und sprachlosem
Staunen vor dem unkalkulierbaren, kontingenten Farbereignis, zwischen
Situativem und Möglichkeitsdimension, liegt eine unaufhebbare `Spannung´.
Das Verhältnis zwischen Abgedecktem, physisch Präsentem und Abdeckendem,
auf nicht Anwesendes Verweisendes kann als Gegenbewegung zwischen Sehen/Lesen
und Lesen, zwischen präsenter Spur vergangener Aktion und in der Textbedeutung
gegenwärtiger Zukunft charakterisiert werden. Die Selbstdifferenzierung
in einem materielle, optische und mentale (textsemantische) Strata zusammenführenden
`Schichtenmodell´ enthält Möglichkeit - siehe die Texte - und - siehe
die Schlieren - Risiko des Kontingenten.
Schichtenmodell 2
Baldwin und Ramsden führen 1992 in
der Serie "Index (Now They Are)" eine neue Fassung des Schichtenmodells
vor. Über einer gemalten Kopie eines Ausschnitts von Gustave Courbets
«L´Origine du Monde» (1866) ist eine
Glasscheibe montiert, die von hinten hautfarben rosa bemalt ist. In
Anspielung auf Jackson Pollocks "The
Deep" von 195350 wird die Hinterglasmalerei (in den Varianten "II",
"X" und in einem alten Zustand der Variante
"V" (Abb. 22 - Abb. 24)) im Bereich der vertikalen Mittelachse durch
auslaufende Pinselspuren fahrig und gibt den Blick frei auf den darunterliegenden
"Ursprung". Pollocks "The Deep" wird nicht kopiert, wie Courbets
«L´Origine du Monde», sondern adaptiert. Der Durchblick auf die Vulva
wiederum paraphrasiert Marcel Duchamps Inszenierung des voyeuristischen
Blicks auf eine "imaginäre Landschaft" mit einen Akt im Gebüsch
in
«Etants donnés: 1° la chute d´eau, 2° le gaz d´éclairage» (1947-66)
mittels Türe mit zwei Gucklöchern und Schaufensterpuppe. Diese
Installation befindet sich in einem kleinen Raum neben dem "Großen Glas"
im Philadelphia Museum of Art.51 Duchamps Anspielung auf das männliche Geschlecht
- «le gaz d´éclairage» - fehlt bei Art & Language ebenso wie
die malerische Struktur von Pollocks Übermalung in "The Deep". Der ausgefranste
Kontur der Hinterglasmalerei, der den Durchblick ermöglicht, wiederholt
in Variante "X" zwar den Schamhaarumriß, verdeckt ihn damit aber auch.
Was also provoziert die Erkennbarkeit des weiblichen Geschlechts? Offensichtlich
die Reinszenierung der Gucklochperspektive, der Schlüsselloch-Blick als
museale Peep-Show ohne Schutz vor weiteren Beobachtern, die vor dem Bild
Stehende beim Beobachten beobachten.
Der frontal vor dem Bild Stehende sieht den Schattenumriß seines Gesichts auf
dem spiegelnden Glas (Vor den dunklen Teilen des Durchblicks spiegeln sich helle
Gegenstände und vor der rosa Hinterglasmalerei dunkle). Der Beobachter beobachtende
Beobachter und der Beobachter vor dem Bild sehen den Kopfumriß um "The Deep".
Der Spiegel des Kopfkonturs konterkariert den Abdruck, den die Gesichter der
Museumsbesucher auf Duchamps Tür hinterlassen haben: An
die Stelle der Erotik der durch den Spalt zwischen den Gucklöchern gesteckten
Nase des Beobachters von «Etants donnés» tritt der neutrale Glasspiegel, der
den Beobachter auf sich selbst, auf sein Blickbegehren, zurückwirft.52 Dieter Daniels wandelt angesichts «Etants donnés»
Duchamps Grabinschrift "Übrigens sind es immer die anderen, die sterben" ab
zu: "`Übrigens sind es immer die anderen, die gucken.´" und fügt den
Kommentar hinzu: "...denn das eigene Schauen sieht man nicht." Das "eigene
Schauen" wird noch nicht bei Duchamp, dafür aber bei Art & Language sichtbar:
Duchamps Durchblick wird rekonstruiert als Spiegelbild mit Durchblick. Schon
im 18. Jahrhundert wird der Körper zum beliebig partialisierbaren Blickobjekt,
zum "imaginären Körper."53
Der Blick auf das Geschlecht ersetzt den Akt. Die Relation von Reflex und Durchblick in einigen
"Index (Now they are)"-Varianten schafft ein Bildmodell, das als aus Kunstmodellen
destilliertes Modellbild für musealisierte Weltbeobachtung - jenes der Gegenwart
ferne Weltverhältnis in der Gegenwart54 - verstanden werden kann: Der Blick bricht sich
schon am Spiegel, bevor er den "imaginären Körper" hätte sehen können.
Baldwin und Ramsden entschieden sich schließlich dafür, die gesamte Fläche der
Glasplatte zuzustreichen und dem vor die Platte tretenden Beobachter ein nur
schwach sich aus der rosa Fläche abhebendes, deiktisches/indexikalisches "Hello"
zu lesen zu geben - doch warum sollte er nahe treten, wenn er von Ferne nur
Glasspiegelungen über einer monochromen Fläche sieht? Auch die überarbeitete
Variante "V" gibt heute von der Courbet-Kopie nicht mehr zu erkennen als am
Bildrand überstehende Malspuren, es sei denn, die Glasplatte wird abgeschraubt.
In der Hängung mehrerer Varianten 1993 in einem Saal des Jeu de Paume kehrt
allerdings die Ausstellungssituation der "Architecture of Contemplation"
zurück, die Menard und White in "Media Madness" skizzieren: Werke in hinreichenden
Abständen, um sowohl als isolierte Objekte sich behaupten zu können, und in
nicht zu grossen Abständen, um noch als zusammengehörige Reihe erfaßt werden
zu können, bilden einen bestimmten Rhythmus an den Wänden. Die Gleichheit von
Musealisierung als Weltbeobachtung thematisierendem Schichtenmodell und musealem
Präsentationskontext wäre besorgniserregend, wären da nicht die Kontextverschiebungen
der Vorbilder durch Kopie, Adaption und Paraphrase.
"Now they are" versteht Michael Baldwin als "Duchampian Anagram".
Es ist eine Übersetzung der lateinischen Phrase "nunc sunt", die Baldwin
anagrammatisch auch englisch als "nun´s cunt" verstehen will: «Il y a donc
une question entre la vulgarité latente du titre et le résultat final. C´est
pourquoi il est aussi question du masquage et du déguisement.»55
In Duchamps Anagramm gibt der Wechsel der Sprachen vom Lateinischen ins Englische
der Verschiebung von "c" und "s" erst einen sinnverleihenden Kontext. Das Schichtenmodell von Art & Language thematisiert
diese Kontextverschiebung: Jede Schicht liefert den Elementen anderer Schichten
einen anderen optischen Kontext, der die semantischen Felder gegenüber dem Kontext
der Schicht, in der sie materialisiert sind, verschiebt.56 Das Verschiebungsmodell für die alte Version von
Variante "V" und für die Varianten "II" und "X" faßt folgendes Diagramm zusammen:
Die Referenz auf kunsthistorische Vorbilder durch Adaption
und Kopie verschiebt die Aufmerksamkeit zumindest teilweise vom `Was´ auf das
`Wie´. Die `Was´-`Wie´-Relation wiederum erzeugt die Möglichkeit der Analogie zu
Duchamps Schlüssellochinszenierung, die den Nahblick des Beobachters auf
(post-)moderne Distanz hält. Duchamps «Etants donnés» ist der Vorläufer des
Schichtenmodells von Art & Language. Die Referenz allerdings wird mit der
vollständigen Übermalung abgetrennt: Die Kopie von Courbets «L´Origine du Monde»
ist materiell, aber fast nicht optisch da. Mental präsent kann sie durch Wissen
werden, erhältlich durch Abmontieren der Glasplatte - das nicht unproblematische
Privileg des Besitzers - oder über Katalogillustrationen. Ist das unsichtbar
gemachte, aber material vorhandene Bild analog zur `Negation´ zu betrachten, die
die `Affirmation´ voraussetzt? Baldwin, Harrison und Ramsden schreiben in der
neuesten, nach neun Jahren Pause erschienen "Art-Language"-Nummer über "A
painting which is not to be seen": "Faced with the insistence of `actual
seeing´, it may be that the real `possibility of seeing´ rests paradoxically
with that which is `not to be seen´: that which the eye must register, but does
not copy." Das Bild präsentiert sich also in einer Form, in der es
einerseits Aktuelles durch mögliches Sehen-Lesen ersetzt, andererseits aber die
Voraussetzung für den Wechsel von `aktual´ zu `möglich´, das Abdecken des
Aktuellen, aufheben will. Das Paradox des real Möglichen ("real
possibility") steht für den Wandel der Sicht auf museale Vorbilder in einem
veränderten Kontext. Bild und Diskurs klaffen hier wieder auseinander: Was das Diskursmodell an
Transformationsprozessen will, kann das nichtmentale Bild an sich selbst nicht
vorführen, aber es kann auf seinen Mangel verweisen: "...the condition of
being `not to be seen´ seems to be connected with the practical matter of
assigning a possibility of discursive agency to that thing which is being
discursively and physically acted upon in the studio." 57 Der Diskurs über die Relation von Bild- und
Diskursmodell erscheint Baldwin, Harrison und Ramsden als die zentrale
Herausforderung des Konzepts "a painting which is not to be
seen".
Art & Language führen in den monochromen Varianten von
"Index (Now they are)" nicht die `Negation´ einer Kopie eines Bildes mit
referentiellen Zeichenfunktionen durch Übermalen vor, sondern eine `Spannung´,
eine wechselseitige `Negation´ von poetischen und referentiellen
Zeichenfunktionen. Die spiegelnde Glasfläche und die Malspuren, die am Rand
beobachtbar sind, stören die Desemantisierung im Sinne des Programms einer
künstlerischen Avantgarde, das das Ende der Malerei-Entwicklung im monochromen
Farbkörper kommen sieht und doch nicht kommen lassen will. Was an Umrissen von
der Courbet-Kopie durchscheint, wird teilweise wiederum von den Spiegelungen
ausgelöscht, teilweise durchdringen sich Spiegelungen und gerade noch mögliche
Transparenz - auch in unangenehmer Weise, wenn der Beobachter sich als Figur vor
Schamhaar erkennt. Ein Ausstreichen des (Ab-)Bildes zugunsten eines Malkörpers,
eine `Affirmation´ poetischer Zeichenfunktion mit `Negation´ aller mitteilenden
Zeichenfunktionen kann deshalb nicht mehr vorliegen. Die im Konzept des Schichtenmodells angelegte
Rückkehr der Semantisierung aus dem Hinterhalt - wie das Rauschen, das sich zur
Information zu verdichten droht wie das Grau auf dem Geheimfoto, das in der
Vergrösserung sein Geheimnis nicht ohne Interpretation der Fleckenmuster
preisgibt - bedroht zu deutlich "Monofunktionalität".58 Die Referenz auf das Darunterliegende, ob als
Ganzes gesehen oder nur als Farbrand, läuft beim Beobachten der Glasfläche mit.
Zugleich wenden sich die Bilder mit der "Hello"-Inschrift, soweit dies die
spiegelnde Glasfläche zu erkennen erlaubt, mit phatischen Zeichenfunktionen nach
vorn an den Beobachter. Das Schichtenmodell greift in der Konzeption der
"Index (Now they are)"-Serie von der monochromen Glasfläche in poetischen
Zeichenfunktionen nach unten durch auf referentielle Zeichenfunktionen und nach
oben auf phatische Zeichenfunktionen. Die Abwesenheit der Reflexionsebene
metasprachlicher Zeichenfunktionen im Bildmodell wird an dessen Implikationen
für Diskursmodelle selbst beobachtbar - deshalb "Art-Language: New
Series"?
So wenig das deiktische "Hello" ein direkter Apell an
bestimmte Beobachter ist, so wenig ist durch die Abdeckung die Oberfläche des
Abgedeckten erkennbar: Darstellung wie Beobachterappell werden so offen und
unspezifisch wie möglich gehalten. Zugleich
sind Darstellung und Beobachterapell, wie unspezifisch im narrativen Sinne auch
immer, im Sinne des Modernismus schon zu spezifisch, zu "theatralisch".59
Das Schichtenmodell ist eine Alternative zu einer
monochromen Malerei, die das Ende des Reduktionsprozesses durch minimalste Veränderungen
am Malkörper und Farbauftrag verzögern will und einem Ansatz, der einen Neubeginn
der Malerei nach Ad Reinhardts "last painting" sucht.60 Das Schichtenmodell führt über den engen Horizont
der Geschichte des Mediums Malerei hinaus: Es steht für eine Komplexierung der
Beziehungen zwischen materiellen, optischen und mentalen Strata sowie zwischen
Bild- und Diskursmodellen. Werke von Art & Language, die dem Schichtenmodell
zuzuordnen sind, provozieren Beobachter, zwischen materiell Existentem und Sichtbarem,
zwischen materiellen und optischen Strata mentale Beziehungen/Zwischenschichten
herzustellen. Die implizite Beobachtersituation von Werken des Schichtenmodells
ist als Kunst- ebenso wie als Weltmodell charakterisierbar, weil das Medium
Malerei nur Anlaß für ein Kunstmodell ist, dessen Schichtenbildung wiederum
als Modell für jede Art der Selbstdifferenzierung verstanden werden kann. Ohne Selbstdifferenzierung der Beobachtungsmöglichkeiten
gibt es - so argumentieren Vertreter des radikalen
Konstruktivismus - keine Möglichkeit der Umweltbeobachtung: Der Selbst/Selbst-Bezug
antizipiert den Selbst/Fremd-Bezug.61
In Varianten der
Serie "Study for an Incident: Now
They Are" (Abb. 25) von 1993 wird ein weiteres Beispiel des Schichtenmodells
in tragbaren, grauen Ready-Made-Boxen präsentiert. Die oben offene Box mit jeweils einem dezentriert
vertikal in ihr arretierten Zeichnung erscheint in musealen
Ausstellungspräsentationen wie ein grauer Container im weißen Container, aber
auch wie museale Installationen minimalistischer Objekte von Donald Judd.62 In der Box befinden sich hinter Glas Auszüge
eines Interviews mit Tom Holert, das in "Texte zur Kunst" (Nr.12) abgedruckt
wurde. Die Auszüge verdecken Bilder, die in
zwei Reihen Courbets «L´Origine du Monde» ("Next"-Varianten) und eine
Grottenzeichnung Courbets63 adaptieren und in einer weiteren Reihe
Landschaftsmotive der "Hostages" ("Elegant"-Varianten) paraphrasieren. Die
Präsentation der verdeckten Bilder in der Box führen die Grammatik des
Enthaltens/Einbettens, wie sie von Baldwin und Ramsden schon in den
Bildern-im-Bild der "Index: Incidents in a Museum"-Reihe angewandt wurde, in
Kombination mit der Grammatik des Schichtens vor. Die Grammatik des
Enthaltens ist als Innenschichtung/-brechung der umgekehrte materiale Prozeß zur
Schichtung übereinander, in der Innenschichten Außenschichten erhalten. Die
Innen/Außen-Brechungen, wie sie in mentalen Strata und Diskursmodellen
vorgeführt werden können, werden in materielle Strata nicht in eins-zu-eins
korrespondierende Modelle übertragen, sondern adaptiert und paraphrasiert. Die
Übersetzung mentaler Innen- und Außenbrechungen in materielle Strata erzwingt
Verschiebungen. Die Unterkomplexität von Bildmodellen verkehrt sich in ihre
Stärke, wenn sie der latenten `Dominante´ metasprachlicher Zeichenfunktionen in
Diskursmodellen poetische Zeichenfunktionen als korrigierende Gegenbewegung
entgegenhalten können: Die Parallelführung von Bild- und Diskursmodellen
führt zu permanenten Verschiebungen der Relationen zwischen
Zeichenfunktionen. Die "Studies for an Incident: Now they are"-Varianten
führen diese Verschiebungen zwischen Bild- und Diskursmodellen an sich selbst
durch den integrierten Interview-Text vor.
Plurifunktionalität der Zeichen
Zeichengebrauch ohne Reflexion über die Art der Koordination
von Zeichen mit Bedeutungen, konstituiert eine erste Ordnung der Beobachtung.
Auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung wird der Gebrauch der Zeichenfunktionen
beobachtet und in Beobachtungen dritter Ordnung werden die Möglichkeiten der
Beziehungen zwischen Zeichenfunktionen reflektiert.
Jean Baudrillard nimmt 1976 in «L´échange
symbolique et la mort»" Ferdinand de Saussures «Cahiers d´anagrammes» zum
Anlaß einer Auseinandersetzung mit der Koordination von Zeichen mit Bedeutungen,
mit Zeichenfunktionen. Saussures Anagramme sind nach Baudrillard Beispiel für
einen sprachinternen "symbolischen Tausch", der sich jedem "Äquivalenzprinzip",
also der Koordination von Zeichen mit Bedeutung, entzieht. Roman
Jakobsons Modell der Zeichenfunktionen lehnt Baudrillard ab, da es nicht
den Austausch von Zeichenformen als außerhalb jeder Koordination von Zeichen
mit Bedeutung, von Signifikant mit Signifikat, stehend ausweist, sondern Zeichenformen
als Sonderfall, als poetische Funktion in das System pluraler Zeichenfunktionen
integriert: «Qu´importe si le poétique
nie toutes les lois de la signification: on le neutralisera en lui donnant droit
de cité linguistique, et en lui imposant d´obéir au même principe de réalité.
Mais qu´est-ce qu´un signifiant ou un signifié qui ne sont plus régis par le
code de l´équivalence? Qu´est-ce qu´un signifiant qui n´est plus régi par la
loi de linéarité? Et qu´est-ce qu´une linguistique sans tout cela? Rien...»
64 Baudrillards radikale Kritik der Semantisierungsprozesse
verkürzt die Koordination von Zeichen mit Bedeutungen auf Fragen der "Äquivalenz"
, und lehnt dann in Folge dieser Verkürzung das Sprachmodell der Zeichenfunktionen
ab. Verschiebungen zwischen verschiedenen Zeichenreihen bzw. - schichten wären
auch analysierbar als Prozesse, in denen die "Differenz von Identität und Differenz"
in laufend neuen De- & Rekonstruktionen bearbeitet wird. Dieses prozessuale
Modell wird von Baudrillard ersetzt durch ein Sprachideal, durch ein statisches
Modell der selbstbezüglichen Dauerfluktuation von Signifikanten.
Aus der Sicht von Art & Language läßt sich Baudrillard vorwerfen,
daß er sich in eine Position begibt, in der eine kritische Reflexion/Beobachtung
der eigenen Position im kulturellen Kontext nicht mehr möglich ist oder
die eine Verwendung von Zeichenfunktionen voraussetzt, denen er entrinnen
will: Reflexiver Kontextbezug steht
gegen postsituationistische Wiederbelebungen des "Potlatsch"
und die Schwierigkeiten dieser Position, sich von Spektakel-Organisationen
abzugrenzen - mit Art & Language: "What will you have: expansion
or implosion, celebration or shame, art as a series of festivals or art
as a project of work?"65
"Dialectical Materialism" und das Schichtenmodell von Art & Language verstehe
ich als Plädoyer für die "Plurifunktionalität" von Zeichen. Art & Language
verwenden nicht nur Codes und Relationen zwischen Codefragmenten, sondern setzen
vorcodierte Zeichen ein, um Exempel für verschiedene Zeichenfunktionen zu erhalten.
In einem großen Teil der Werke spielen die Beziehungen zwischen Zeichenfunktionen
eine entscheidende Rolle. Verhältnisse der `Negation´, der `Spannung´ und des
`Gleitens´ zwischen Zeichen, die als in verschiedenen Funktionen stehend erkennbar
sind, stehen kritisch zu Verhältnissen der `Dominante´ und der `Affirmation´.
In der Oxforder Installation von "Dialectical Materialism" ergeben sich die
Relationen zwischen Zeichenfunktionen noch aus dem `Nebeneinander´ der Elemente
im Wall Display, die der Beobachter in einem mentalen Schichtenmodell aufeinander
beziehen kann. Das Schichtenmodell ist nicht nur als ein hierarchisches Ebenen-
oder Typenmodell vorstellbar, sondern auch als Schichtenbezug durch `Faltungen´,
z. B. durch Kontextverschiebungen, wie am Beispiel von "Index II, V (alter Zustand),
X (Now they are)" gezeigt. Diese Kontextverschiebungen reflektieren das Problem
der permanenten Refocussierung auf Welt, das bei der Analyse der "Theoriebeladenheit
der Beobachtung" in den Bildern der Reihe "Portrait
of V.I. Lenin...in the Style of Jackson Pollock" und in den "Painted
by Mouth"-Bildern eine entscheidende Rolle gewann. Die permanente Refocussierung
und Kontextverschiebung transformiert erstarrte Verhältnisse zwischen materiellen,
optischen und mentalen Strata. Die Umschichtung
der Schichtenverhältnisse wiederum erzeugt "Epi-" und "Parastrata".66 `Dominante´ Zeichenfunktionen, die die semantischen
Prozesse in anderen Zeichenfunktionen mitbestimmen, und `Affirmation´ zwischen
Zeichenfunktionen verhindern solche Umschichtungen. Die Geschichte von Art & Language ist
spätestens ab 1973 die Geschichte der Vermeidung, metasprachlichen Zeichenfunktionen
die Rolle der "dominanten Funktion"67
zukommen zu lassen und auf `affirmative´ Bezüge zwischen Zeichenfunktionen zurückgreifen
zu müssen. Das Wechselspiel zwischen Bild- und Diskursmodellen und damit zwischen
materialen, optischen und mentalen Strata resultiert hieraus.
Anmerkungen:
1
Burn,I./Ramsden,M./Smith,T.: Draft for an Anti-Textbook, in: Art-Language,
Vol.3/Nr.1, September 1974; Kat. Ausst. Art & Language: Proceedings I-IV,
Kunsthaus Luzern 1974.
2
Art-Language, Vol.2/No.4, June 1974, S.38: "... we are carrying on a form of the
`journal´ as an extensive `proceedings´...`going-on´."
3
Harrison,C./Orton,F.: A Provisional History of Art & Language, Galerie Eric
Fabre, Paris 1982, S.40.
4
Atkinson,T.: Introduction, in: Art-Language, Vol.1/Nr.1, May 1969, S.3.
5
Atkinson, s. Anm.4, S.1. Vgl. Gehlen,A.: Zeit-Bilder, Frankfurt a. M./Bonn 1960,
S.63,75 über die Relation Anschauung-Begriff in zeitgenössischer Kunst. Manfred
Schmalriede setzt Gehlens Erörterungen über die Funktion der Kunsttheorie in der
zeitgenössischen Kunst in Bezug zu Daniel Kahnweilers Begriff «peinture
conceptuelle». (Schmalriede,M.: Sich ein Bild machen über Bilder, in:
Neusüss,F.M. (Hg.): Fotografie als Kunst: Kunst als Fotografie, Köln 1979,
S.111.
6
Atkinson, s. Anm.4, S.2.
7
Atkinson, s. Anm.4, S.3.
8
Wollheim,R.: The Work of Art as Object, in: Studio International, December 1970,
S.234.
9
Kosuth,J.: Art after Philosophy, part I, in: Studio International, October 1969,
S.136: "That there is no `truth´ as to what art is seems quite
unrealized...Works of art are analytic propositions. That is, if viewed within
their context - as art - they provide no information what-so-ever about any
matter of fact. A work of art is a tautology in that it is a presentation of the
artist´s intention, that is, he is saying that that particular work of art is
art, which means, is a definition of art. Thus, that it is art is true
a priori (which is what Judd means when he states that `if someone calls
it art, it´s art." Vgl. Pilkington,P./Rushton,D.: Don Judd´s Dictum and its
Emptiness, in: Analytical Art, No.1, July 1971, S.2.
10
Für den Nachvollzug der ungewohnten Setzungen von Künstlern durch ein
eingeweihtes Publikum plädiert Lippard,L.: Change and Criticism. Consistency and
Small Minds (1967), Neu in: Dies.: Canging. Essays in Art Criticism, New York
1971, S.23-34.
11
Karshan,D.: The Seventies. Post-Object Art, in: Studio International, September
1970, S.69: "The marriage of a 17th-,18th- and 19th-century art form and the
consciousness of the twentieth century was a superficial and unharmonious
one."
12
Wollheim, s. Anm.8, S.234.
13
Wollheim, s. Anm.9, S.232f.
14
Atkinson,T./Baldwin,M.: On the Material-Character/Physical-Object Paradigm of
Art, in: Art-Language, Vol.2/No.1, February 1972, S.55.
15
Vgl. Atkinson,T./Baldwin,M.: Sunnybank (1967), in: Kat. Ausst. Conceptual
Art and Conceptual Aspects, The New York Cultural Center, New York City
1970, S.16-20 mit Burn,I.-o.T.,1968, vielteiliges Offset (Auflage: 25),
in: Kat. Ausst. Ian Burn: Minimal Conceptual Work 1965-70, Art Gallery
of Western Australia, Perth Cultural Centre, Perth 1992, S.48,84; Dreher,T.:
Konzeptuelle
Kunst in Amerika und England zwischen 1963 und 1976, Frankfurt a.M.
1992, o.P., Abb. Nr.5a (Werktext). Text mit geringfügigen Modifikationen,
in: Burn,I./Ramsden,M.: The Role of Language (1968), in: Vries,G. de (Hg.):
Über Kunst..., Köln 1974, S.90-95. Neu in: Burn, I.: Dialogue: Writings
in Art History, North Sydney, S.120-124.
16
Atkinson/Baldwin, s. Anm.14, S.51f.,55.
17
Atkinson,T./Baldwin,M.: Some post-war American Work and Art-Language ideological
responsiveness, in: Studio International, April 1972, S.165.
18
Atkinson,T./Baldwin,M.: A Reiteration of an Old Art-Language View, in: Kat.
Ausst. De Europa, John Weber Gallery, New York 1972, o.P.
19
Stenius,E.: Mood and language game (1967), in: Ders.: Critical Essays, Amsterdam
1972, S.188,191.
20
Atkinson/Baldwin, s.Anm.17, S.165f.
21
Atkinson,T./Bainbridge,D./Baldwin,M./Hurrell,H.: Status and Priority, in: Studio
International, January 1970, S.28.
22
Atkinson/Baldwin, s. Anm.17, S.167. Zur Beobachtung erster bis dritter Ordnung:
Huber, Hans-Dieter: Interview mit Niklas Luhmann, in: Texte zur Kunst, Herbst
1991, S.122-126; Luhmann,N.: Erkenntnis als Konstruktion, Bern 1988, S.21-24;
Luhmann,N: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1995, S.92-164;
Luhmann,N.: Weltkunst, in: Baecker,D./Bunsen,F./Luhmann,N.: Unbeobachtbare Welt.
Über Kunst und Architektur, Bielefeld 1990, S.22-30.
23
Burn,I./Ramsden,M.: A Dithering Device, masch. schrf. Manuskript 1972 (Archiv
Paul Maenz, Köln), S.30.
24
Atkinson/Baldwin, s. Anm.17, S.167.
25
Vgl. Ramsden,M.: On Practice, in: The Fox, Vol.1/Nr.1, 1975, S.77f.: "So,
alternatives to the present system of distribution, if they are to
challenge that system, cannot challenge this concept of mass-audience, since
such a concept means power and, at present, without its power one can´t be an
`alternative´." "Power" und die Rationalität der besseren Argumente im
herrschaftsfreien Diskurs lassen sich nicht vereinigen. Aber Funktionen von
Machtmechanismen lassen sich unterbrechen (Burn,I.: Buying Cultural Depency...,
in: The Fox, Vol.1/Nr.1, 1975, S.141-144).
26
Luhmann,N.: Soziale Systeme..., Frankfurt a.M. 1987, S.601.
27
Luhmann, s. Anm.26, S.25: "Die (inzwischen klassische) Unterscheidung von
`geschlossenen´ und `offenen´ Systemen wird ersetzt durch die Frage, wie
selbstreferentielle Geschlossenheit Offenheit erzeugen könne."
28
Dreher,T.: Konzeptuelle
Kunst in Amerika und England zwischen 1963 und 1976, Frankfurt a.M.
1992, S.357. Die Indices "A" bis "I(iii)7" wurden von 6 Lesern in "+"
(akzeptiert), "-" (nicht akzeptiert) und "T" (dahingestellt)-Gruppen aufgeteilt.
Um jeden Index aus der "+"-Gruppe als Headline über jedem der 6 Blätter
erscheinen zu lassen, sind 320 Blätter nötig. Der tautologische Selbstbezug
zwischen identischen Indices wird vermieden, indem der Index mit Tipp
Ex in der "+"-Gruppe ausgelöscht wird, der zugleich als Headline erscheint.
Die Relationen zwischen den Headlines und den darunter stehenden Indices
konstituieren das Bezugsfeld zwischen Textabschnitten von Art & Language.
29
Dreher, s. Anm.28, S.354-358. Die Ordnung des lexikalischen Querverweises von
"Blurting In" praktiziert Mel Ramsden schon in schon in "Elements of an
incomplete map (substantiality)", 1968 (Archiv Paul Maenz, Köln).
30
Aus der Eintragung im Musterblatt links oben geht hervor, daß die Indices auf
Worte von "S1", den ersten Satz, zu beziehen sind.
31
Burn/Ramsden/Smith, s. Anm.1, S.79.
32
Pilkington,P.: Brief an d.A., 30.8.1987, telefonisch: 22.9. und 5.10.1987.
Pilkington hat sich mit dem `Rauschen im Kanal´ - der gegen Null tendierenden
Redundanz, aus der keine Steigerung der Information resultiert - u.a. in
"Channel Noise" (mit David Rushton, 5-teilig) auseinandergesetzt. Zwischen
Pilkington und David Rushtons "Channel Noise/Noisy Channel A" von 1970
(5-teilig, Archiv Paul Maenz, Köln) und Mel Ramsdens "Elements of an incomplete
map (substantiality)" (s. Anm.29) bestehen bereits wichtige Differenzen auf der
Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung, die auf der Ebene der Beobachtung dritter
Ordnung zwischen "Blurting In" und "Index 002 (Bxal)" wiederkehren.
33
Über "Zeichenfunktionen": Eco,U.: Einführung in die Semiotik, München 1972,
S.145f.,269f.,307 mit Anm.3; Jakobson,R.: Linguistics and Poetics, in:
Sebeok,T.A. (Hg.): Style in Language, Cambridge/Mass. 1960, S.350-377. Über
dominante Zeichenfunktionen: Holenstein,E.: "Die russische ideologische
Tradition" und die deutsche Romantik, in: Jakobson,R./Gadamer,
H.-G./Holenstein,E.: Das Erbe Hegels II, Frankfurt a.M. 1984, S.61f.
34
"Surf." war als Abkürzung für "Surfeit" konzipiert (Kuspit,D.B.: Of Art and
Language, in: Artforum, May 1986, S.128).
35
Art & Language: Dialectical Materialism 1974, Museum of Modern Art, Oxford
1975, textrelevante Abb. in: Dreher, s. Anm.28, S.309-319, o.P. (Abb. 22f.);
Kat. Ausst. Art & Language, Musée de Toulon 1982, S.98f., Abb. 4a,b; Kat.
Ausst. Art & Language, Stedelijk van Abbemuseum, Eindhoven 1980, o.P., Abb.
76,79. El Lissitzky-Da sind zwei Quadrate: Suprematistische Erzählung in zwei
Quadraten in sechs Spielen, Berlin 1922.
36
"Dialectical Materialism", s. Anm.35, Abb. des hier angesprochenen Textes in:
Kat. Ausst. Sviluppi Alternative: Arte Inglese Oggi 1960-1976, Palazzo Reale,
Mailand 1976, Bd.2, S.358f. Vgl. die Texte in Kat. Ausst. Art & Language
1966-1975, Museum of Modern Art, Oxford 1975, S.41 über die Dialektik von
Vorlauf und Rücklauf, Katapher "Alpha" (rechtsverzweigt, Vorlauf) und Anapher
"Beta" (linksverzweigt, Rücklauf). Dazu Dreher, s. Anm.28, S.317ff. Zur
"Neuen Rhetorik" s. Olbrechts-Tyteca,L./Perelman,C.: Traité de l´Argumentation,
Brüssel 21970; Perelman,C.: The New Rhetoric, in: Bar-Hillel,Y. (Hg.):
Pragmatics of Natural Languages, Dordrecht 1971, S.145-149, bes. S.145f.:
"Dialectic reasoning, as opposed to the analytic reasoning of formal logic, is a
discourse addressed to an audience; this audience may be a special one, made up
of many people, one interlocutor, or the subject himself when he deliberates; or
it may be universal, the ideal audience we address when we appeal to reason..."
Explizite Referenz im Art & Language-Diskurs auf "Perelman":
Burn/Ramsden/Smith, s. Anm.1, S.6,21,45.
37
o.A.: A note on the cover, in: Art-Language, Vol.4/Nr.2 (The Fox, Nr. 6),
October 1977, S.3-5.
38
Kat. Ausst. Kunst und Technik in den 20er Jahren: Neue Sachlichkeit und
Gegenständlicher Konstruktivismus, Städtische Galerie im Lenbachhaus,
München 1980. Das von Paul Wood auf dem Symposium "Art & Language
& Luhmann" am 26.1.1995 im Kunstraum Wien als Dia gezeigte Vorbild
(Autor unbekannt) entspricht dieser stilistischen Zuordnung. Durch das
Weglassen des Soldatenkopfes über der Szene entfernen Art & Language
das Element, das sich einer stilistischen Ableitung aus der Malerei der
Neuen Sachlichkeit in den zwanziger Jahren am wenigsten fügt.
39
Greenberg,C.: "American-Type" Painting (1955), neu in: Ders.: The collected
essays and criticism, vol.3, Chicago 1993, S.217-236.
40
Über "`theoryladenness´ of experience" äußern Ian Burn und Mel Ramsden in
"Comparative Models, Version 1" 1972 (Sammlung Vicky Rémy, Saint Tropez) in
"Fourth/Sixth Annotation" (auch in: Burn/Ramsden, s. Anm.23, S.7, Anm.3): "One
of the important contributions to perceptual science has been the disclosure
that aspects of perception are learned, aspects as crucial as being able to
cognize data based on perceptual events."
41
"trial-and-error": Gombrich,E.H.: Kunst und Illusion, Stuttgart/Zürich 1977, S.9
("hypothetischer Charakter aller Wahrnehmungsprozesse"), 14 (gegen "Unschuld des
Auges"), 110f. (mit Anm.-Hinweis auf "Flexibles Schema") u.a. "ontologische
Relativität": Quine, W.v.O.: Ontologische Relativität (1968), in: Ders.:
Ontologische Relativität u.a. Schriften, Stuttgart 1975, S.41-96.
42
Kat. Ausst. Gustave Courbet und Deutschland, Hamburger Kunsthalle 1978,
S.25,230.
43
Burn,I.-o.T., 1968, s. Anm.15.
44
Vgl. Wiener,O.: Künstliche Intelligenz, Berlin 1990, S.24f. ("Wendemarken" und
Faltung), 45,127-135.
45
Menard,A./White,R.: Media Madness, in: The Fox, Nr.2, 1975, S.105-117.
46
Kat. Ausst. Kontext Kunst, Trigon ´93, steirischer herbst ´93, Neue Galerie im
Landesmuseum Joanneum/Künstlerhaus in der Fabrik Lastenstraße 11, Graz 1993/Köln
1994, S.510-521,544-552,562-571. Brüderlin,M.: Gerwald Rockenschaub und Heimo
Zobernig, in: Du, Januar 1995, S.57-61.
47
Ausst. Jean Fautrier-Les Otages, Galerie René Drouin, Paris 1945, in: Glozer,L.:
Westkunst..., Köln 1981, S.141f.,384.
48
Greenberg,C.: After Abstract Expressionism, in: Art International, October 1962;
Kat. Ausst. Post Painterly Abstraction, Los Angeles County Museum of Art, Los
Angeles 1964 (Text: Clement Greenberg) u.a.
49
Decker,A.: La ténébreuse affaire des cycles du marché de l´art, in: Beaux Arts,
No.94, October 1991, S.44f.: 1988 beträgt die Steigerungsrate des Umsatzes der
Auktionen zeitgenössischer Kunst bei Christie´s und Sotheby´s gegenüber dem
Vorjahr 134,4%. Das ist mit Abstand die größte Steigerungsrate der achtziger
Jahre.
50
Pollock,J.-The Deep, in: Kat. Mus. Art Américain, Musée national d´art moderne,
Centre Georges Pompidou, Paris 1981, S.29,161; Naifeh,S./Smith, G.W.: Jackson
Pollock. An American Saga, London 1989, S.728f.,731. Courbet,G.-L´Origine du
Monde, 1866, in: Kat. Ausst. Gustave Courbet, s. Anm.42, S.610.
51
Daniels,D.: Duchamp und die anderen, Köln 1992, S.280-291; Lyotard,J.-F.: die
TRANSformatoren Duchamp, Stuttgart 21987, S.10-16,113-140,143f.
52
Lacan,J.: Le Séminaire, Livre XI: Les quatre concepts fondamentaux de la
psychanalyse (1964), Paris 1973, S.79 über «se voir se voir»: «En tant que je
suis sous le regard qui disparaiît...Ce regard que je rencontre - c´est à
repérer dans le texte même de Sartre - est, non point un regard vu, mais un
regard par moi imaginé au champ de l´Autre.»
53
Vgl. eine Illustration zu Borel: Mémoires du Saturnin, 18. Jhdt., in:
Kleinspehn,T.: Der flüchtige Blick..., Reinbek b. Hamburg 1989, S.279, vgl.
S.289,292.
54
Zur "Musealisierung" als Modell für Weltbeobachtung: Lübbe, Herrmann:
Zeit-Verhältnisse. Über die veränderte Gegenwart von Zukunft und Vergangenheit,
in: Zacharias, Wolfgang (Hg.): Zeitphänomen Musealisierung. Das Verschwinden der
Gegenwart und die Konstruktion der Erinnerung, Essen 1990, S.40-49. Baudrillard,
Jean: Die Agonie des Realen, Berlin 1978, S.18. Jeudy, H. P.: Die Welt als
Museum, Berlin 1987, S.10f.: "Aus dem Sozialen, aus dem sozialen Leben an sich
werden Kulturobjekte, und sie werden es in einer Art und Weise, daß wir uns in
einer endlosen, durch die Museographie aufgenötigten Spiegelung leben sehen.
Diese umfassende und durch die museale Verdopplung überaus aktiv gewordene
Spiegelfunktion macht sämtliche Auswirkungen entwicklungsbedingter Umbrüche
unschädlich. Ein ideologischer Erfolg des ökomusealen Prozesses, der die Welt am
liebsten in einen großen Spiegel des Lebens verwandeln würde...Heute wird das
Ereignis von den Kommunikationstechnologien als `Echt-Zeit´ behandelt, es wird
fast unmittelbar zu einem `Erinnerungseffekt´..."
55
Art & Language, in: Devolder,E.: Art & Language. Bruxelles, Galerie Isy
Brachot, in: Artefactum, September-Oktober-November 1992, S.42.
56
Vgl. Boden, K.P./Geenen,A./Kampermann,J./Scheller,M.: Internet. Werkzeuge und
Dienste, Berlin u.a. 1994, S.18f. über die "vereinfachte...Darstellung des
komplexen Vorgangs der Datenübertragung zwischen zwei Rechnern" mittels
"Schichtenmodell": "Jede Schicht bietet der ihr übergeordneten einen Dienst an
und kann die Dienste der unter ihr liegenden Schicht in Anspruch nehmen, ohne
ihre Funktionsweise zu kennen. Dem Anwender bleibt die Schichtung
verborgen."
57
Baldwin,M./Harrison,C./Ramsden,M.: On Conceptual Art and Painting, and speaking
and seeing. Three corrected Transcripts, in: Art-Language, New Series Nr.1, June
1994, S.44,48f.
58
Zu "Mono-" versus "Plurifunktionalität" von Zeichen durch eine begrenzte
Vielzahl von "Zeichenfunktionen" (s. Anm.33): Holenstein,E.: Einführung. Von der
Poesie und der Plurifunktionalität der Sprache, in: Jakobson,R.: Poetik.
Ausgewählte Aufsätze 1921-1971, Frankfurt a.M. 1979, S.7-60; Holenstein, s.
Anm.33, S.57-64; Mukarovsky,J.: Kapitel aus der Ästhetik, Frankfurt a.M. 1982,
4. Auflage, S.121ff.,133,146f. Zur Gegenstände identifizierenden
Interpretation abstrakter Bildmuster auf unscharfen Stellen in Fotografien: Eco,
s. Anm.33, S.253: "Der Kontext funktioniert als Idiolekt, der Signalen, die
sonst als reines Geräusch erscheinen könnten, bestimmte Codewerte
zuordnet."
59
Fried,M.: Art and Objecthood (1967), neu in: Harrison,C./Wood,P. (Hg.): Art in
Theory 1900-1990. An Anthology..., Oxford 41993, S.827-834.
60
Reinhardt,A. über "last painting which anyone can make": Ders.: Art-as-Art: The
Selected Writings of Ad Reinhardt, New York 1975, S.13. Vgl. Kat. Ausst. Ad
Reinhardt, Whitney Museum of American Art, New York 1981, S.27ff. Thesen zur
Malerei Malerei nach "Last Painting": Danto,A.: Art after The End of Art, in:
Artforum, April 1993, S.62-69; Weibel,P.: Das Bild nach dem letzten Bild/The
Picture after the Last Picture, in: König,K./Weibel,P.: Das Bild nach dem
letzten Bild/The Picture after the Last Picture, Galerie Metropol, Wien 1991,
S.183-211; Dreher,T.: Antiquiertheit der Malerei? In: Kat. Ausst. Pittura
Immedia: Malerei in den 90er Jahren, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz
1995, S.27-35 (S.27f. über Weibel und Danto).
61
Foerster,H.v.: Über selbst-organisierende Systeme und ihre Umwelten, in: Ders.:
Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke, Frankfurt a.M. 1993, S.211-232:
Luhmann, s. Anm.26, S.242-248.
62
Vgl. Kat. Ausst. Donald Judd, Whitney Museum of Modern Art, New York 1988,
S.105-107, Fig.72-74.
63
Kat. Ausst. Gustave Courbet, s.Anm.42, S.283f. (Kat. Nr.274), 609f.
64
Baudrillard,J.: L´échange symbolique et la mort, Paris 1976, S.288.
65
Art & Language: Blue Poles, in: Art-Language, Vol.5/Nr.5, March 1985, S.88.
Zur Kritik von Art & Language an Situationisten s. Dies.: Ralph the
Situationist, in: Artscribe,Nr.66, November-December 1987, S.59-62.
66
Deleuze,G./Guattari,F.: Tausend Plateaus, Berlin 1992, S.74ff. Vgl. Dreher,T.:
Robert Smithson. Epistrata, in: Kritisches Lexikon zur Gegenwartskunst, München
1995. Im Unterschied zu Smithsons Geomorphismus, der Abstraktion von möglichst
wenig physikalischen Eigenschaften der Außenwelt, betreiben Art & Language
Stratifizierung, um zwischen allen drei Beobachterordnungen Brücken zu
schlagen.
67
Holenstein, s. Anm.33, S.62: "Die dominante Funktion nimmt alle anderen
Funktionen in ihren Dienst."
Literatur über Art & Language mit Abbildungen
und Erörterungen der erwähnten Werke (2001 aktualisiert):
Monographien:
Art & Language: Catalogue Raisonné. November 1965-February 1969, Galerie
Bischofberger, Zürich 1969.
Atkinson,T./Bainbridge,D./Baldwin,M./Hurrell,H./Kosuth,J.: Art & Language,
Köln 1972.
Burn,I.: Dialogue: Writings in Art History, North Sydney 1991.
Harrison,C.: Essays on Art & Language, Oxford 1991.
Harrison,C./Orton,F.: A Provisional History of Art & Language, Galerie Eric
Fabre, Paris 1982.
Kat. Ausst. Art & Language in Practice, Fundació Antoni Tapiès, Barcelona 1999,
2 Bde.
Kat. Ausst. Art & Language, Galerie nationale du Jeu de Paume, Paris 1993.
Kat. Ausst. Art & Language, Ikon Gallery, Birmingham 1983.
Kat. Ausst. Art & Language, Musée de Toulon 1982.
Kat. Ausst. Art & Language, Stedelijk van Abbemuseum, Eindhoven 1980.
Kat. Ausst. Art & Language: Confessions: Incidents in a Museum, Lisson Gallery,
London 1986.
Kat. Ausst. Art & Language: Hostages, Lisson Gallery, London 1988.
Kat. Ausst. Art & Language: Hostages XXV-LXXVI, Lisson Gallery, London
1991.
Kat. Ausst. Art & Language: Index: Studio at 3 Wesley Place Painted by Mouth,
de Vleeshal, Middelburg 1982.
Kat. Ausst. Art & Language: Les Peintures, Palais des Beaux-Arts, Brüssel
1987.
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Ich danke Michael Baldwin, Philip Pilkington und Mel
Ramsden sowie Gerd De Vries und Paul Maenz für wichtige Informationen.
(Vortrag, Symposium "Art & Language &
Luhmann", Kunstraum Wien, 26.1.1995. Mit einigen Abbildungen publiziert
in: Institut für soziale Gegenwartsfragen, Freiburg i. Br./Kunstraum Wien
(Hg.): Art & Language & Luhmann. Passagen Verlag. Wien 1997, ISBN
3-85165-272-X, S.41-84, Literaturliste aktualisiert, Text 2014 geringfügig
modifiziert)
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