Zum Anfang    Konzeptuelle Kunst Uebersicht

Thomas Dreher

 

Art & Language :

Kontextreflexive Kunst im Kunstkontext
Plurifunktionale und mehrschichtige Bild- und Diskursmodelle



Gruppe versus Karriere


Terry Atkinson und Michael Baldwin lernen sich Oktober/November 1966 am Coventry College of Art (heute: Lanchester Polytechnic) kennen. Einige ihrer gemeinsam verfassten Manuskripte erscheinen in kleinen Editionen mit limitierten Auflagen von 200 Exemplaren signiert und numeriert und werden ab 1968 von der "Art & Language Press" in Coventry verteilt. Atkinson, Baldwin, David Bainbridge und Harold Hurrell sind an der Gründung dieser Presse beteiligt. Im Mai 1969 erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift "Art-Language", die einen Querschnitt über Konzeptuelle Tendenzen mit Beiträgen von Victor Burgin, Dan Graham, Lawrence Weiner, Sol LeWitt u.a. bietet. Die folgenden Nummern präsentieren Beiträge von Art & Language-Mitgliedern, ab Februar 1970 auch von den New Yorker Mitgliedern Ian Burn und Mel Ramsden, mit denen ab 1972 Michael Corris und Terry Smith in New York zusammenarbeiten.

Intern kursieren in den englischen und amerikanischen Gruppen Thesenpapiere, die Ausgangspunkte für Diskussionen und Texte bilden. Teilweise entstehen Texte durch Überarbeitung von Tonbandmitschnitten. 1974 erscheinen auch Transkriptionen von Tonbandmitschnitten.1

Joseph Kosuth firmiert seit Juli 1969 als amerikanischer Herausgeber von "Art-Language". Kosuth widersetzt sich der Aufforderung, neben der Gruppe nicht mit eigenen Aktivitäten im Kunstbetrieb aufzutreten. Dies führt 1976 zu seinem Ausschluß. Auf der Basis bereits erarbeiteter theoretischer Ansätze und über den Austausch von Thesenpapieren und Diskussionen entstehen neue Manuskripte, für die ein einzelnes Mitglied nur innerhalb der Gruppe und der Zeitschrift "Art-Language" als Autor firmieren kann. Würde ein Mitglied die Texte, die es auf der Basis der gruppeninternen Kommunikation zu erstellen in der Lage war, im Kunstbetrieb zur Selbstdarstellung verwenden, würde es die Basis der Zusammenarbeit unterlaufen, die darin besteht, an die Gruppe zurück zu leiten, was mit ihrer Hilfe zustande kam.

Art & Language ist eine der wenigen programmatisch orientierten Künstlergruppen nach 1945. Sie unterscheidet sich von zweckorientierten Künstlervereinigungen. Sie entstehen, wenn Künstler die Kollaboration mit Kollegen suchen, um eigene Position auf der Suche nach Ausstellungsmöglichkeiten verbessern zu können. Diese Künstlergruppen brechen auseinander sobald einzelne Mitglieder Galeristen finden. Art & Language ist die einzige Künstlergruppe, die primär kunsttheoretisch arbeitet und in Ausstellungen Texte und Modelle präsentiert, die den jeweiligen Stand der gruppeninternen Diskussion zusammenfassen. Die Ausdifferenzierung des theoretischen Ansatzes steht im Vordergrund, nicht - wie in Künstlergruppen der klassischen Avantgarde - die programmatische Legitimation einer Kunstproduktion.2

Die Zahl der amerikanischen Mitglieder steigt bis zur Auflösung 1976 ständig. Von zuletzt 15 Mitgliedern3 sind namentlich von 10 Beiträge in der Zeitschrift "The Fox" erschienen (Andrew Menard und Ron White sind zwei Namen eines Autors). "The Fox" wird von Sarah Charlesworth finanziert und von Joseph Kosuth herausgegeben. Die Redaktionsarbeit der drei 1975-76 realisierten Nummern teilen sich Mitglieder aus dem engeren Kreis von Art &Language: Ian Burn, Mel und Paula Ramsden.

Seit 1977 arbeiten Michael Baldwin und Mel Ramsden in Banbury zusammen. Es entstand ein inzwischen umfangreiches Oeuvre an Bildern. Einige Texte werden mit Charles Harrison geschrieben, der seit 1971 "Art-Language" herausgibt. Die selbst gestellte Aufgabe der Gruppe, kunst- und kunstkontextreflexive Kunst im Kunstkontext zu präsentieren, hat sich nicht geändert - der Anteil des Sichtbaren gegenüber dem Lesbaren hat sich allerdings erheblich erhöht.

"Art-Language"

In der "Introduction" zur ersten Ausgabe von "Art-Language" konfrontiert Terry Atkinson den Leser mit folgender Frage: "Can this editorial come up for the count as a member of the extended class `visual art work´?"4 Die Frage resultiert:
1. aus einer Auffassung, die Kunstbeobachtung nicht als eine unmittelbar anschauliche, sondern als begriffsgeleitet versteht: "Initially what conceptual art seems to be is questioning the condition that seems to rigidly govern the form of visual art - that visual remains visual." 5
2. aus dem Verständnis, künstlerische Tätigkeit nicht auf visuelle Medien zu beschränken, sondern inter- und multimedial zu verstehen und verbale Medien einzubeziehen: "Does art-theory come up for the count as a possible sector of `conceptual art´"?6
3. aus Reflexionen, die aus den vorangegangenen Punkten 1. und 2. die Konsequenz ziehen, Kunsttheorie als künstlerische Tätigkeit zu betreiben: "Inside the framework of `conceptual art´ the making of art and the making of a certain kind of art theory are often the same procedure."7
4. aus Überlegungen, eine explizite Kunsttheorie, die als künstlerische Praxis im Kunstbetrieb lanciert wird, als Kritik institutionalisierter Erwartungshaltungen einzusetzen.

Atkinson schlägt vor, kunsttheoretische Überlegungen über den Status Kunst im Kunstbetrieb an Stellen zu exponieren, die für Kunstwerke reserviert sind, also Texte auf Papierträger an Wänden von Räumen zu plazieren, die für Kunstausstellungen genutzt werden. Der fotografisch vergrösserte, von Atkinson und Baldwin geschriebene Text "Print (2 sections A and B)"(Abb. 1) von 1966 fragt nach den Kriterien, die zwischen dem Blatt, auf dem der Text steht, und seinem möglichen oder aktuellen Status eine Beziehung herstellen: "Is this piece of paper an art work?" Grundlagen der Kunstbeobachtung verlieren ihre Selbstverständlichkeit, wenn Kriterien der Unterscheidung zwischen Kunstobjekten und Nicht-Kunst hinterfragt werden: "Is there a property possessed by some things in the world which can be identified as art (as `being art´), or even the property of art (the latter of course presupposing that art is a property of things)?" Wenn es keine anschaulichen Unterscheidungskriterien gibt, dann muß der Denkrahmen zur Definition von Kunst anders, nach Art & Language auf höheren Abstraktionsstufen, angesetzt werden.

Das Textwerk übernimmt die Funktion der Kunsttheorie, die traditionell als künstlerischer Tätigkeit übergeordnet gilt, und stellt in Werk-Positionen in Ausstellungen diese Überordnung der Kunsttheorie infrage: Die bindende Abgrenzung der Möglichkeiten künstlerischer Praxis durch von Nicht-Künstlern - Philosophen und Kunstkritiker - artikulierte Postulate wird abgelehnt.

Status Kunst

Im folgenden wird eine der komplexeren Resystematisierungen der kunsttheoretischen Ansichten vorgestellt, die um 1970 etabliert waren, und der Gegensatz zu Auffassungen gezeigt, wie sie die Mitglieder von Art & Language artikuliert haben.

Der englische Philosoph Richard Wollheim sieht 1970 in "The Work of Art as Object" die Voraussetzung künstlerischen Schaffens im Erwerb von Wissen und Fertigkeiten, die zu Resultaten führen, welche von Kunstbeobachtern `als Kunstwerk´ erkannt werden können. Um die Erkennbarkeit `als Kunstwerk´ zu sichern, muß künstlerische Produktion an bereits `als Kunst´ tradierte Präsentationsformen anschließen. Künstler können nach Wollheim etablierte Präsentationsformen nur so weit transformieren, wie eine an formalen Gattungskriterien orientierte Zuschreibung des Status Kunst erhalten bleibt. Der Kunstbeobachter erlernt diese Zuschreibung mit dem Wissen des Gebrauchs des Begriffs Kunst: "The truth is that we acquire and possess a concept of art, again a concept of painting, and when the spectator looks at a work of art or at a painting, this must mean amongst other things that he brings it under one of these concepts. Now, whether he does so or not depends on whether he can do so or not, and though his ability depends on a variety of factors, one thing that cannot be effective here is mere decision."8 Wollheim schließt den Künstler aus, der, wie von Donald Judd und Joseph Kosuth vorgeschlagen, entscheidet, was Kunst ist9, und der erwartet, daß das Kunstpublikum seiner Entscheidung folgt.10 Wollheim greift den Beitrag "The Seventies: Post-Object Art", den Donald Karshan als Einleitung zu der von ihm im New York Cultural Center organisierten Ausstellung "Conceptual Art and Conceptual Aspects" schrieb, an, weil er zwei aus seiner Sicht falsche Ansichten verficht:
1. Der Objektcharakter ist nicht die Voraussetzung für ein Kunstwerk.
2. Über das Konzept von Kunst kann ohne Rücksicht auf
konventionalisierte Präsentationsformen entschieden werden.11

Nach Wollheim liegt den Versuchen, "mere decision" der Zuschreibung des Status Kunst zugrunde zu legen, die Verkehrung der Beobachtung von Nicht-Kunst `als Kunst´ in den Kunstcharakter von Nicht-Kunst zugrunde: "The attrition occurs into two stages: first, from thinking of something as a work of art to thinking that it is a work of art ; then from thinking that something is a work of art (something like) saying to oneself that it is a work of art."12 Nach Wollheim muß sich der konventionalisierte `Gebrauch´ des Begriffs Kunst seiner Auffassung von der `Natur´ der etablierten Kunstmedien angleichen. Er beschreibt die Entwicklung der modernen Malerei als zwingend, da in der abstrakten Kunst die konventionalisierte Identifikationsweise von Kunstwerken besser mit "the connotation of physicality" und so mit"`possession of a surface´"13 in Übereinstimmung gebracht worden sei. Gegen Wollheims scheinbar evidente Verbindung der "connotation of physicality" mit "`possession of a surface´" wenden Atkinson und Baldwin in "On the Material Character/Physical-Object-Paradigm of Art" ein: "Perception is modal. A perceptually presented object is identified with a physical individual in many cases; in other cases, a physically presented object is identified with a `perceptual´ individual. Which way round, if any way round, does Professor Wollheim´s proposed art theory have it?"14 Die Differenz zwischen Gegenstandsidentifikation und Wahrnehmungsphänomenen berücksichtigt Wollheim nicht. Zwischen 1968 und 1970 argumentieren die englischen Art & Language-Mitglieder Atkinson und Baldwin objektorientiert und die New Yorker Burn und Ramsden wahrnehmungsorientiert.15

Wollheim verbindet `Konventionalismus´ - den Gebrauch des Begriffs Kunst - und `Essentialismus´ - zeitlos gegebene Natur der Kunst - zu einem Statement gegen Objekt-, Inter- und Multimediakunst. Nach Atkinson und Baldwin verkehrt Wollheim induktiv aus der Kunstgeschichte gewonnene Erkenntnisse über konventionalisierte Kriterien der Kunstgattungen in Deduktionen aus einer geschichtsenthobenen Natur der Kunst, statt zwischen aktuell anerkannten und möglichen künstlerischen Präsentationsformen zu differenzieren: "What we may have here is a law-like statement which has been immunized against possible future experience insofar as, if an experience does not fit it, so much the worse for the experience...It seems that an art theory can´t deny the complexities of propositional modalities."16

Gegen eine "normal art"17, die nicht in der Lage ist, ihre eigenen ontologischen Prämissen zu hinterfragen, schreiben Atkinson und Baldwin: "The recognition at the end of the 18th Century that matter may exist in one of three states - solid, liquid, gas - was a way of organizing physical science...But from an Art Language point of view all the old ontological worry has become a waste of time; the physical-object-naturalistic notion is mostly harmlessly no use. The point is that the physical object individuation method is conceptually weightless...What is needed is the recognition that in whatever way we want to constitute our art theory, it may well be just part of the activity, and that the theoretical context may not exhibit referential failure at all, only `referential multiplicity´."18 "`Referential multiplicity´" gibt es innerhalb des Art & Language-Diskurses, wie oben bemerkt, zwischen objekt- und wahrnehmungsbezogen konstruierten referentiellen Zeichenfunktionen: Art & Language arbeiten mit den gruppeninternen Alternativen zwischen einer "symptom theory of meaning" und einer "causal theory of meaning"19, die im Unterschied zu Wollheim nicht innerhalb eines Textes zugleich angewandt, sondern aussortiert und gegeneinander gesetzt werden: Ein Diskurs über die Beobachtungsweise, die Beobachtungsoperationen zugrunde liegt, wird notwendig.

Nach Atkinson und Baldwin ist der Glaube an ein"essentialist/material character/physical-object paradigm" als ein unverrückbares "Naturgesetz" einem "Kategorienfehler" verpflichtet. Das "Paradigma" ist selbst eine "soziale Gegebenheit" und damit "veränderbar".20 Die Konstruktion einer Alternative erfordert die Explikation, `wie´ gesehen wird, bevor erörtert wird, `was´ gesehen wird. Essentialismus und Konventionalismus dagegen sind immer schon einer "ontological priority"21 verpflichtet, bevor sie diese erklären können. Der Beobachtung erster Ordnung, gefangen in impliziten ontologischen Prioritäten, halten die Mitglieder von Art & Language eine Beobachtung zweiter Ordnung entgegen, die "constructual possibilities" bzw. "virtual entities" als "expressions, a way of speaking"22 entwirft und die alternativen Entwürfe in einer Beobachtung dritter Ordnung diskutiert: Die kunsttheoretische Wende von der Bewußtseinsphilosophie zur Sprachphilosophie hat bei Wollheim zur Rekonstruktion der klassischen Kriterien der Identifikation von Kunst durch Gattungskriterien geführt, bei Art & Language dagegen zu ihrer Dekonstruktion, zum Verzicht jeder Festlegung auf Präsentationsformen.

Die Mitglieder von Art & Language plädieren für die Umstellung des Diskurses über Kunst von einem Paradigma auf eine Pluralität von Konzepten. Kunsttheorie soll dann nicht mehr eine nachgeschobene Legitimation einer bereits in der Kunstöffentlichkeit (inclusive Kunsthandel) etablierten künstlerischen Praxis sein, sondern in einem Wettstreit zwischen Argumenten, die für das eine oder andere Kunstkonzept sprechen, zum Verhandlungsgegenstand werden. Das Idealmodell der Mitglieder von Art & Language ist eine Situation, in der eine Pluralität von Kunstkonzepten entwickelt wird, welche durch die wechselseitige Reibung die Konzepte tragenden Argumente im Diskurs verbessert werden. Dieses Ideal einer debattierenden Kunstöffentlichkeit ist ein auf den Kunstbetrieb übertragenes Modell der gruppeninternen Diskurspraxis: "A multiplicity of choices changes the style of argument, and refutations are impossible without a choice of alternatives." "...It is only by having genuine alternatives that one is able to make the discussion of fundamentals (ideological assumptions and implications) an essential part of art."23 Beabsichtigt ist auf dem hier referierten Diskursstand von 1972, im Kunstbetrieb vom Nacheinander der Paradigmen zur Ablösung von Paradigmen, vom "paradigm-shift-to" zum "paradigm-shift-from"24, zu gelangen. Die institutionellen und ökonomischen Rahmenbedingungen des Kunstbetriebs, die es dem "material character/physical object paradigm of art" erlauben, sich hartnäckig zu halten, und das Problem der Mitglieder von Art & Language, wie in diese Rahmenbedingungen verändernd eingegriffenwerden kann, bilden den Inhalt von Texten in "Art-Language" und besonders in "The Fox" bis 1976. Konflikte zwischen einer diskursunabhängigen (auch musealen) Spektakelorganisation und dem Idealmodell von Interaktionsbereichen für Diskurse werden von den amerikanischen Mitgliedern thematisiert, aber nicht gelöst.25

"Index"-Systeme

Ab 1972 entstehen ausstellbare Werke aus Zeichenystemen, die eine bestimmte Art des Umgangs mit Alternativen und Brüchen zwischen den Textbeiträgen verschiedener Mitglieder thematisieren. Es entstehen Modelle für die Handhabung einer gruppeninternen Pluralität von Modellvarianten und -alternativen. Diese Modelle für Modellalternativen konstituieren eine Beobachtung dritter Ordnung der Reflexion der Reflexion, der "Reflexivität".26

1972 auf der documenta 5 präsentiert die Künstlergruppe in "Index 01" (Abb. 2) alle in "Art-Language", Kunstzeitschriften und Katalogen publizierten Texte sowie einige Manuskripte. Die Texte wurden aufgeteilt in Karteien, die in acht Metallkästen mit je sechs Auszügen (Abb. 3) deponiert sind. Auf den Außenseiten der Auszüge befinden sich Aufschriften: Buchstaben als Indices und Titel der so bezeichneten Artikel. Auf den Texten in den Karteien jeden Auszugs sind Subindices für einzelne Artikelabschnitte zu finden. Die Indices kehren auf den Fotoabzügen an den Wänden (Abb. 4) wieder. Auf jedem Fotoabzug steht links oben ein Hauptindex eines Artikels oder Artikelabschnitts, auf den sich alles folgende bezieht. In der neben dem Hauptindex folgenden vertikalen Reihe bezeichnen arabische Ziffern verschiedene Leser, z.B. 1-14. Jeder Leser hat unter "(+)" Indices und Subindices notiert, die Texte und Abschnitte bezeichnen, welche mit dem Hauptindex kompatibel sind. Unter der Rubrik "(-)" stehen alle Indices für nichtkompatible, unentscheidbare Text(abschnitt)e und unter "(T)" alle Indices für nicht vergleichbare Referenten. Im Auszug "key and index" findet der Leser den Schlüssel zu den Bedeutungen von "+", "-" und "T". Die Bewertungen an den Wänden weisen auf eine Vielfalt von Ansichten innerhalb der gruppenin- und -externen Modelleser. Die Bezugsfelder zwischen Elementen des bis 1972 entstandenen A&L-Diskurses erscheinen offen für eine Fortsetzung der Diskussion sowohl innerhalb der Gruppe als auch zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern. Diese Offenheit nach außen entsteht durch die dritte Ordnung der Beobachtung, durch das Modell für Modellalternativen, die als Rahmen gruppenintern notwendig erscheint, um die Unübersichtlichkeit der eigenen Ansätze nicht willkürlich zu vermehren: Der "Index 01" ermöglicht Schließung und Öffnung gleichzeitig.27

Das dreiwertige System wurde von den englischen Mitgliedern in "Index 02" (Abb. 5 - Abb. 9) im Hinblick auf die logischen Kriterien Transitivität und Symmetrie überarbeitet. Die optische Präsenz des Wall-Display der 42 Blätter in einer (Galerie Bischofberger, Zürich) und 320 Blätter in einer anderen Fassung (Sammlung Herbert, Gent) (Abb. 10), die Pragmatik der Zeichenformen und ihre eigenartige Relation zu den metasprachlichen Zeichenfunktionen des Konzepts wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht reflektiert.28

Das Drei-Werte-System und seine logischen Implikationen wurde von einem Alternativmodell der amerikanischen Mitglieder infrage gestellt. Die Mitglieder Ian Burn, Michael Corris, Preston Heller, Andrew Menard und Terry Smith schrieben zwischen Januar und Juli 1973 Texte zu Grundsatzfragen von Art & Language. Mel Ramsden und Michael Corris haben aus diesem Textmaterial "Annotations" gewählt, diese mit Schlagworten versehen, die Schlagworte alphabetisch geordnet und bis "408" numeriert. Der Leser kann an beliebiger Stelle in "Blurting In" einsteigen und erhält unter jedem Schlagwort Hinweise, wo er weiterführende (Pfeil) und kompatible ("&") Schlagworte finden kann, aber nicht muß. In der Einführung heißt es auf S. 2: "The whole thing can be seen as a domain of overlapping sets." Der Leser kann sich seinen eigenen Pfad aus freien Sprüngen zwischen Schlagworten und Fortsetzungshinweisen konstruieren.

Dieses an begrenzt offener Interaktion zwischen Text und Leser orientierte Modell verzichtet auf die Thematisierung von Widersprüchen im Art & Language-Diskurs, wie sie in den Index-Systemen "01" und "02" unter dem Wert "(-)" zu finden waren. Die Gegensätze zwischen "Index 02" und "Blurting In" lassen sich grob so skizzieren: Logische Stringenz gegen die Pragmatik der Alltagssprache, Wittgenstein I gegen II. An den Modellen über Modellalternativen wiederholt sich der gruppeninterne Dissenz bzw. die Pluralität der Ansätze. Die Beobachtung dritter Ordnung fängt die Vielheit der Ansätze nicht auf, sondern veranschaulicht sie durch ihre Präsentationsform.

Der "Index 002 (Bxal)" (Abb. 11) der englischen Mitglieder widerspricht 1973 der ungebrochen narrativen Ordnung von "Blurting In" (Abb. 12).29 Unter roten und schwarzen Notenlinien steht ein von den englischen Mitgliedern verfaßter Text über das transatlantische Verhältnis der beiden Gruppen. Der Text ist über den Notenlinien mit Indices "S1" bis "S15" für jeden der Sätze versehen. Innerhalb jeden Satzes sind die Worte durchgezählt und die Wortindices ebenfalls über den Notenlinien plaziert worden. Zwischen den Notenlinien haben amerikanische Mitglieder Verkettungsmöglichkeiten zwischen den Worten notiert. In der New Yorker John Weber Gallery sind die Index-Papiere mit Eintragungen präsentiert worden, nicht aber das Eintragungssystem "Bxal". Ebensowenig ist auf das Musterblatt, das in "Art-Language", June 1974, S.15 (Abb. 13) publiziert wurde, verwiesen worden. Geht so schon jeder rekonstruierbare Zusammenhang verloren, so erweist die Rekonstruktion des "Bxal"-Systems und seiner Anwendung in "Index 002 (Bxal)", daß der Zusammenhang zwischen den Absichten des Eintragenden und dem Lesbaren nicht dechiffrierbar ist: Die Ziffern für Relationen zwischen Wortindices von "S 1"30 in der rechten Spalte des Musterblattes stehen neben einer vierspaltigen Liste möglicher Verkettungen ("concatenations" zwischen zwei Textfragmenten/"Blurts" ("B") "x" und "y"), ohne erkennen zu lassen, welche der vier Verknüpfungsmöglichkeiten in derselben Zeile gemeint war: Der Leser beginnt entweder von Neuem zu wählen, oder beläßt es bei der Registrierung von Eintragungen als bloße Oberfläche. Der bei "Index 02" bemerkte Widerspruch zwischen optischem Eigensinn des Wall-Display und logischer Ordnung des Zeichensystems wird jetzt zum Prinzip: In der Anwendung des englischen "Bxal"-Systems produzieren die amerikanischen Mitglieder selbstbezügliche Zeichenformen. Während ein amerikanisches Mitglied in einem publizierten Tonbandprotokoll sagte "...the surface generated would allow the viewer more potential for reconstruction on an experiential basis"31, äußerte das englische Mitglied Philip Pilkington, das am Konzept dieses Index-Systems maßgeblich beteiligt war, 1987 schriftlich und mündlich, daß die Eintragungen nur als `Schrift´, als eine Menge von Inskriptionen gedacht sind. Der Informationswert jeder Eintragung sei analog zu Pierre Abaelards "paradox of the heap of stones" zu betrachten: Durch neue Eintragungen verändern sich die Merkmale/der Informationswert der vorhandenen Eintragungen nicht.32 Die Auffassungen der Art & Language-Mitglieder schwanken zwischen Desemantisierung und potentieller Resemantisierung der Eintragungen.

Die Konzeption des "Bxal"-Eintragungssystems und des "Index 002 (Bxal)" vermeidet, daß das ganze System sich `affirmativ´ auflösen läßt durch homologe Koordination eines Komplexes von Zeichen (in einen anderen bzw.) in einen Komplex von Bedeutungen. Im Unterschied zu den Index-Systemen "01" und "02" werden die Übersetzungsregeln und Indices einer `dominierenden´ metasprachlichen Zeichenfunktion nicht als "key" angeboten, sondern, obwohl es einen Schlüssel für die Produktion gibt, für die Rezipienten versteckt. Was in der Ausstellung sichtbar ist, erscheint wie eine Kopie ohne Original, wie die Abschrift einer abwesenden Urschrift. Provoziert die Infragestellung der Konstitution der Beobachtung dritter Ordnung, wie sie "Index 01" und "02" vorführen, durch den "Index 002 (Bxal)" zu einer neuen Sicht auf die Beobachtung erster Ordnung? Kehrt eine mehrere Reflexionsordnungen konstruierende Konzeptuelle Kunst sich hier von semantischen Innenbrechungen ab und der Zeichenform zu? Nein: Semantische Innenbrechungen erzeugen in der Präsentation bereits bei "Index 02" eine Eigendynamik der Zeichenformen des Wall-Display. Die pragmatische Dimension der Wandpräsentation ist in der Konzeption des "Index 002 (Bxal)" berücksichtigt worden. Der Pragmatik wird mehr als eine nur beiläufige Rolle zugestanden. Sie ist nicht zu Syntax und Semantik hinzu addierte Rhetorik, sondern Bildmodell, daß das Diskursmodell stört, indem es in dessen Koordinationen von Zeichen mit Bedeutungen durch poetische Zeichenfunktionen, durch selbstbezügliche Zeichenformen, einbricht.

Die Inskriptionen um ihrer selbst willen, als `Schrift´ ohne eindeutigen Diskursbezug im "Index 002 (Bxal)", das vielverzweigte "Blurting In"-System und das von logisch-metasprachlichen Zeichenfunktionen `dominierte´33 System der Index-Systeme "01" und "02" verschärfen die Brüche zwischen alternativen Sprachmodellen innerhalb von Art & Language. Die Frage, wie diese Alternativen aufeinander bezogen werden können, stellt sich in der Beobachtung dritter Ordnung neu und anders.

"Dialectical Materialism"

Englische Art & Language-Mitglieder haben 1975 Plakate der Serie "Dialectical Materialism" (Abb. 14) auf die Wände des Oxforder Museum of Modern Art geklebt. Über kleinen Reproduktionen von Beispielen des russischen Konstruktivismus erscheinen in einem weiteren Bildfeld Klein- und Großbuchstaben sowie Ziffern und Wiederholungen der Abkürzung "Surf.", lesbar als "Surface", "Surfeit"34 oder "Surfing". Die Zeichen sind vorcodierten Ordnungen - Alphabet und Zahlen - entnommen, die nicht nur ihre Form, sondern auch ihre Reihenfolge festlegen. Sie sind `schlechte´ Mittel zur Wiedergabe der Bildzusammenhänge der Vorlage - `schlecht´, weil sie die visuellen Zusammenhänge de(kon-)struieren. Aufgelöst werden narrative Zusammenhänge z.B. in El Lissitzkys "Da sind zwei Quadrate": Suprematistische Erzählung in zwei Quadraten in sechs Spielen"35: Die beiden Hauptaktoren, die Quadrate, erscheinen als Feld verdichteter Zeichenereignisse mit offenen Konturen. Bei schmalen Formen des Vorbildes löst die Öffnung der Konturen das Feld der Zeichenverdichtung auf. Von schmalen Balken bleiben nur zusammenhanglose Zeichen: Die Ausgangsform wird punktualisiert. Wird hier aus dem Icon der Vorlage ein Index zur Lesbarkeit der Zusammenhänge zwischen den Zeichenmengen oder liefern die Buchstaben und Zahlenreihen Indices zur Semantisierung der Zeichenformen der Vorlage?

Die Wiederkehr der Text- und Zahlzeichen auf anderen Wandplakaten der Oxforder Installation legt die Möglichkeit der Semantisierung nahe. Die Text- und Zahlzeichen erscheinen vor, neben und über Textabschnitten wie Indices. Allerdings erhalten einzelne Abschnitte mehrere Indices, z. B. Großbuchstabenindices und zwei verschiedene Zahlenindices.

Außerdem gibt es Felder, in denen Buchstaben ohne Text- oder Bildbezug verteilt sind: Neben vertikalen Reihen von Großbuchstaben kommen Kleinbuchstaben in vertikalen Reihen vor. Die Kleinbuchstaben wechseln von vertikaler Reihe zu vertikaler Reihe alphabetisch von links nach rechts, also kommt pro Reihe ein Buchstabe vor. Die Buchstaben erscheinen zwar geordnet, doch ist die Häufigkeit der Besetzung der Sparte und der Lücken beliebig. Einzelne vertikale Reihen bleiben unbesetzt. Die Zeichenkoordination schwankt hier zwischen geordnetem Diagramm aus links oben mit "A" beginnendem und sich nach unten und rechts fortsetzendem Alphabet und einer Bildkomposition, diesmal ohne Rekurs auf Vorlagen.
Die Elemente von vorcodierten Zeichenserien kommen in der Oxforder Installation vor
- als Indices in Textbezügen,
- als Zeichenformen in Bildbezügen zu den Vorlagen des russischen
Konstruktivismus,
- als Zeichenmaterial, das selbst Bildphänomene konstituiert.
Auf einem Wandplakat wird die maschinelle Übersetzbarkeit "symbol after symbol" von zwei Sprachen erklärt, die in "a close semantic relationship" zueinander stehen. Der Text eines anderen Plakates, das in der Oxforder Installation über dem maschinelle Übersetzungsvoraussetzungen erklärenden Wandplakat aufgeklebt ist, endet mit dem Satz: "To show that there is no authentic piece by piece relationship between surface structure and conceptual form, various concrete examples might be cited." Isomorphe Übersetzung als mögliche Relation zwischen zwei Sprachen und nicht-isomorphe Relation zwischen Oberflächenstruktur und Konzept werden miteinander konfrontiert. Die nicht-isomorphe Relation zwischen Oberflächen- und Tiefenstruktur erschwert die isomorphe Übersetzung bis zu ihrer Unmöglichkeit. Auf weiteren Wandplakaten wird die Wechselseitigkeit von vergangenen und zukünftigen gesellschaftlichen Veränderungen beschrieben. Die Veränderungen der Gegenwart ermöglichen zugleich eine andere Zukunft wie einen neuen Blick auf das Vergangene, das seine Bedeutung ebenfalls ändert. Die rekursive Modifikation der gegenwärtigen Sicht des Vergangenen transformiert wiederum die Sicht auf die Zukunft. Eine Dialektik zwischen den Möglichkeiten des vergangenen und der Zukunft wird entfaltet. Der ursprünglich an der analytischen Philosophie orientierte Ansatz wird von den englischen Mitgliedern von Art & Language von einer an der "Neuen Rhetorik" orientierten Dialektik korrigiert. 36

Zu den drei Verwendungsweisen der vorcodierten Zeichenreihen als Indices und/oder Icons kommen durch Texterläuterungen drei Sprachmodelle hinzu, die Isomorphie, Differenz oder Dialektik (zwischen Isomorphie und Differenz) betonen. "Dialectical Materialism" setzt sich mit der Logik der Index-Systeme "01" und "02" und der Nicht-Logik des "Index 002 (Bxal)" auseinander und offeriert einen dritten Weg. Die Wandtexte und die Art des Umgangs mit Indices erklären sich wechselseitig.

Die dichte Präsentation von Zeichen in poetischen, phatischen, referentiellen und metasprachlichen Zeichenfunktionen `nebeneinander´ führt zu einer Beobachtersituation, in der die Zeichenfunktionen zueinander in Verhältnissen der `Negation´, der `Spannung´ (als wechselseitige `Negation´) oder des `Gleitens´ lesbar sind. "Dialectical Materialism" ist zugleich Resumée der theoretischen politischen Positionen und Antizipation der folgenden Gemälde.

Bild- & Diskursmodelle

Ein wichtiger Schritt der Entwicklung von Art & Language nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Gruppe zu einem neuen Start auf der Basis vorhandener Erkenntnisse ist die malerische Auseinandersetzung mit einem Plakat, das 1942 die Vichy-Regierung zur Rekrutierung von Industriearbeitern verwendete. Es trägt den Slogan «Ils donnent leur sang donnez votre travail» (Abb.14a). In der Zusammenarbeit von Michael Baldwin und Mel Ramsden mit Charles Harrison und Philip Pilkington ergeben sich ab 1976/77 Investigationen der Bildkonzepte des Realismus und der Abstraktion mit der Tendenz, ihre sich wechselseitig ausschließenden Geltungsansprüche und ihre inzwischen in Ritualen des Kalten Krieges festgefahrene politische Vorcodierung zu überprüfen. Das deutsche Plakat von 1942 wird malerisch und verkürzt wiedergegeben: Ohne den behelmten Kopf eines deutschen Soldaten werden die dargestellten Personen in Reihen vor der Fabrik zu Referenten der «Ils». Der Slogan wird ohne Besatzerkopf anders lesbar, als wäre das "Blut", das «Ils» als Arbeitskraft einsetzen, als Vorbild für den Beobachter zu verstehen, ihrem Arbeitseinsatz zu folgen. Aus faschistischer Propaganda wird durch eine Auslassung eine Aussage, die auch als sozialistische Propaganda lesbar sein könnte: Der Stil der Darstellung erleichtert dies.37 In der malerischen Adaption von Art & Language erscheint das modifizierte Plakatmotiv wie ein Nachfahre von Industrie- & Arbeiterbildern der Neuen Sachlichkeit.38

In Bildern der Reihe der "Portrait of V. I. Lenin...in the style of Jackson Pollock" (1979-80) wird Pollocks Dripping-Technik für Porträt-Malerei eingesetzt. Am Schnittpunkt zwischen vom Westen zur Weltkunst ernannter Abstraktion, die nach Clement Greenberg im "`American-Type´ Painting"39 zu neuen Höhepunkten fand, und personenbezogener Ostpropaganda entsteht das 1972 zum ersten Mal in "Comparative Models, version 1" formulierte Problem der "Theoriebeladenheit der Beobachtung"40 neu. Die Produktion der Drip-Spuren unterliegt demselben Prinzip der Beobachtung wie die Rezeption: Die Beobachtung des Rezipienten muß in der Zuspitzung der Farbspuren auf Erkennbarkeit eines Gesichts im Produktionsprozeß antizipiert werden. Die zwischen Farbspuren und Gesichten kippende Wahrnehmung ist für die Mitglieder von Art & Language ebenso wie für Bildbeobachter ein Experiment - im Unterschied zu der Produktion konzeptuell vororganisierter Index-Systeme. Die Lenin/Pollock-Porträts wiederum thematisieren bereits eine in die Produktion eingelagerte Beobachtung, die nicht systematisch, sondern nur nach "trial-and-error"-Verfahren vorgehen kann: Die "ontologische Relativität" der nicht hintergehbaren "flexiblen" Beziehung von Schema und Korrektur einer wahrnehmungsbezogenen Konstitution referentieller Zeichenfunktion (s. "symptom theory of meaning" oben) wird von Art & Language nicht im Rücklauf auf Wahrnehmungskonventionen geschlossen. Sie wird vielmehr im Vorlauf auf die Korrigierbarkeit von Sehkonventionen geöffnet, und zwar durch die Relationierung von Bild- mit Diskursmodellen: Keine "symptom theory of meaning" ohne Rekurs auf eine oder mehrere "causal theories of meaning". Vorcodierte Gesichtsikone und vorcodiertes Exempel des Malmediums durchdringen sich in den Lenin/Pollock-Bildern in einer Medium/Form- bzw. Form/Inhalt-Brechung, die Reflexionen über in Sehprozesse eingebettete Leseprozesse, über die Unvermeidbarkeit der Koppelung von Sehen/Lesen und die Unmöglichkeit eines "unschuldigen" Sehens, provoziert.41

Einen Gegensatz von Perzeption und Konzeption thematisieren Art & Language 1981-82 in ihren "Painted by Mouth"-Bildern: Eine Fotovorlage, deren Inhalt der Titel "Attacked by an Unknown Man in a City Park: A Dying Woman..." (Abb. 14b) beschreibt, wird mit dem Pinsel im Munde gemalt. Ein Bild entsteht, das auch als expressionistische Variante von Jacques-Louis Davids "Der Tod des jungen Joseph Bara" (1794) gelesen werden kann und Gustave Courbets "Mädchen am Ufer der Seine" von 1856/57 ähnlich sieht.42 Weder Vorlage noch Malprinzip programmieren die expressive Wirkung und Lesbarkeit des Resultats vor: Art & Language rekombinieren poetisch-selbstbezügliche Zeichenformen der zitternden Mundmaltechnik (Bildform(en)) mit iconischen referentiellen Zeichenfunktionen (Abbild/Darstellung) zu einem Resultat, das dem Beobachter emotive Zeichenfunktionen zu erkennen und mit poetischen und referentiellen Zeichenfunktionen in Bezug zu setzen erlaubt: Einerseits entstehen emotive Zeichenfunktionen aus der Relationierung von poetischen mit referentiellen Zeichenfunktionen, andererseits verweisen die emotiven Zeichenfunktionen auf die poetischen und referentiellen Zeichenfunktionen in einem Beobachterprozeß der Verschiebung der Problemsicht zurück. Das mit "Dialectical Materialism" aufgeworfene Problem der Relationen zwischen Zeichenfunktionen erscheint in einer Weise aufs Neue, die die Wende von Art & Language zur Malpraxis nachvollziehbar werden läßt.

Bei Beobachtung des Resultats ergeben sich auch Seh-/Leseprozesse, die im Produktionsprozeß noch nicht berücksichtigt wurden: Die Relation von Bildtechnik und Bildwirkung wird auch für die Maler Baldwin und Ramsden zur überraschenden Erfahrung. "Sehen" wird in den Lenin/Pollock- und "Painted by Mouth"-Bildern (Abb. 14c) einerseits autonomer als bisher begriffen und von Prozessen des Lesens von Text abgelöst, andererseits gewinnt gerade dadurch das Problem der Bildwahrnehmung an Bedeutung, die nicht auf Unmittelbarkeit reduzierbar ist, weil sie sich nur im zeitlichen Vor- und Rücklauf erschließt, als Sehprozeß im Rücklauf auf mentale Bildmuster und im Vorlauf auf Refocussierung durch Wechsel der Zeichenfunktionen und durch Bildmustertransformation. Diese Dialektik von Vor- und Rücklauf wurde auf Textplakaten von "Dialectical Materialism" als sozialer Transformationsprozeß artikuliert. Jetzt setzen Art & Language diese Dialektik auf einer Wahrnehmungsebene an, in der das Problem der Relation von Sehpraxis und konzeptuellem Lesen, der Relation von Praxis und "theoretischer Praxis", sich gerade dadurch verschärft, daß im Bildmodell nicht mehr auf die deduktive Systematik der ersten Index-Systeme zurückgegriffen werden kann. Wenn weder ein Umwelt Stück für Stück isomorph abbildender Naturalismus noch ein konzeptueller Idealismus als Fluchtpunkte möglich sind, dann bietet sich die Alternative an, Sehen als Praxis einer permanenten Refocussierung der Beobachterhaltung gegenüber dem Beobachteten zu konzeptualisieren/reflektieren/beobachten. Im Prozeß der Refocussierung verschiebt sich dem Beobachter entlang von "Wendemarken" permanent die Einstellung zur Umwelt, zum Bild der Umwelt im Vorstellungsbild und damit die Wahrnehmung von dem, was als Teil der Umwelt, als in ihr existierendes Objekt geglaubt wird. Hatten Art & Language in der theoriekonstitutiven Phase bis 1970 Sinneswahrnehmung (über Reizmuster) noch direkt an konzeptuell-begriffliche Systematisierung von Weltmodellen anschließen wollen43, so durchdringen sich jetzt Bild- und Diskursmodelle in permanenter Rehistorisierung/Verzeitlichung als sich ineinander faltende, kompaktierende, und ausfaltbare mentale Schichten.44 Bild- und Diskursmodelle besitzen ihre historische Semantik, die bild- und sprachmedienspezifische Möglichkeiten zugleich für Zukünftiges schließt und öffnet, sowohl getrennt als auch in der Art, wie Bilder und Diskurse laufend parallel und zur wechselseitigen Semantisierung verwendet werden. In der Aufarbeitung der Relationen zwischen Bild- und Diskursmodellen wird Konzeptuelle Textkunst zugleich revidiert und als notwendig bestätigt.

"Incidents in a Museum"

Die 23 Varianten der "Index: Incidents in a Museum"-Bilder erzeugen durch mehrfache Bildweltbrechungen dynamische, nur in der Retransformation erfaßbare Weltbilder:
- Abgebildet werden verschiedene Ausstellungsräume des 1966 eröffneten neuen Whitney Museum of American Art in der Madison Avenue im Stadtzentrum von New York. Die Bilder führen sich in für Nachkriegskunst paradigmatischen Präsentationsumständen vor, in denen sie real nie erscheinen können. Das Abgebildete ist Modell und Brechung der jeweiligen Präsentationsumstände, in denen der Beobachter das Bild vorfindet.
- Die in einem Atelier in England gemalten "Incidents" führen eine imaginäre Ausstellung mit Werken von Art & Language vor.
- Die Materialisation der Malvorlage geschieht pro Variante mehrfach auf je eigenen Keilrahmen. Das jeweils grössere Bild enthält eine Aussparung für das kleinere Bild. Neben der Inkorporation von zwei Bildern kleineren Formats, die dieselbe Raumsituation in entsprechend reduziertem Maßstab zeigen (III, V, 1985; IX (Abb.18), XI (Abb.15), XV (Abb.15), 1986), gibt es Varianten, in denen der Maßstab der Darstellung sich bei kleinerem Bild nicht verändert, also das Bild auf anderem Träger fortgesetzt ist, oder der Maßstab umgekehrt proportional zum Bildformat gewählt ist (II, IV, 1985; VII (Abb.17), X (Abb.18), XVI (Abb.16), 1986). Die verschiedenen Relationen von Maßstab und Format werden in zweifacher Innenbrechung kombiniert. Ein häufig wiederkehrendes Muster der Innenbrechungen ist die Kombination eines auf dem grösseren Innenbild ohne oder mit nur geringem Maßstabwechsel fortgesetzten Bildes, mit einem Innenbild, das klein das gesamte Bildmotiv zeigt (V, VI (Abb.15), VIII, XIII, 1986).

In einigen Varianten wird die Darstellung einer fiktiven Art & Language-Ausstellung im Whitney Museum gebrochen: Wenn das kleinste Bild nicht das ganze Motiv zeigt, und wenn das, was es zeigt, nicht die Lücken der Ausschnitte in den beiden größeren Bildern füllt, dann ist das Ausgangsmotiv nicht rekonstruierbar (X, 1986). Andere Varianten mit nur einem Innenbild, das das ganze Motiv des Außenbildes vorführt, zelebrieren die Präsentationsumstände des Whitney Museum, ohne Werke zu exponieren (XV, 1986; XVIII, XXIV, 1987). Die Wiederholungssequenzen in diesen und anderen Varianten können eine Eigendynamik poetischer Zeichenfunktionen entwickeln, deren Reiz mit dem Sehen-Lesen des Dargestellten, der referentiellen Zeichenfunktion, konkurriert. Die Repetition unterstützt und bricht zugleich die Fiktion der imaginären Art & Language-Ausstellung.

Einen ironischen Kniefall vor Marcel Breuers formalistisch gewordenem (Nicht mehr-)Funktionalismus leisten sich Art & Language in einigen Varianten: Sie führen fiktive Werke vor, die es im Oeuvre von Art & Language nicht gibt, und die eigens für die Vorführung der von Breuer geschaffenen Präsentationsumstände für Kunst geschaffen worden zu sein scheinen: Ein Kurzschluß zwischen Werk und Museumsform wird hergestellt, indem die formalen Phänomene beider soweit angenähert werden, bis die Kunst zum Mobiliar der Architektur wird (IX mit einem grauen Längsrechteck, XIII mit einem seitenverkehrten realistischen Bild des Fensters im vierten Stock, XVI mit einem schwarzen Monochrom, alle 1986). Diese Annäherung von Kunstmedien und musealen Präsentationsumständen wurde von Andrew Menard und Ron White bereits 1975 in "Media Madness" als "Architecture of Contemplation" thematisiert, die zum Medium wird, das die Werkformen nurmehr variieren. Der in "The Fox" publizierte Artikel schließt mit einem Foto von Sarah Charlesworth, das ein monochromes Gemälde an der Wand (Robert Ryman?) und Stahlplatten von Carl André am Boden zeigt.45 Der Widerspruch zwischen der von Art & Language laufend neu problematisierten Relation von Bild- und Diskursmodellen und der diskursentlastenden Spektakelorganisation, die sich als Geschmackskultur von den Massenmedien abzusetzen vorgibt und doch gerade darin ihr Teil ist, wird von Art & Language hier thematisiert: Dem Beobachter wurden in "Print (2 sections A and B)" 1966 die im musealen Präsentationskontext etablierten Kriterien der Identifikation von etwas als Kunst mit Fragezeichen versehen vorgehalten. Jetzt werden in den "Incidents" den etablierten musealen Relationen zwischen Präsentationsumständen und Präsentationsformen Modelle der Überspitzung vorgehalten, die anzeigen, daß hier eine Sackgasse vorliegt. Einer modisch gewordenen Kontextkunst, die nur wiederholt, was sie an musealen Präsentationsformen bereits vorfindet (z.B. Heimo Zobernig, Gerwald Rockenschaub, Christopher Williams46), können die Mitglieder von Art & Language die "Incidents" entgegen halten, die die affirmative Selbsteinbettung in Musealisierungsprozesse durch Prozesse der fortlaufenden Verschiebung der Zusammenhänge zwischen Materiellem, Optischem und Mentalem ablösen.

Die materielle Bildinkorporation erzeugt optische Wiederholungsmuster und ist mental ableitbar aus einer virtuellen Syntax der beliebigen Bildvergrößerung, Bildverdoppelung und Bildeinblendung: In der Beobachtung ergeben sich Spannungen und Durchdringungen von materiellen, optischen und mentalen Strata. Zwischen referentielle und metasprachliche Zeichenfunktionen schieben sich poetische und emotive. Das Weltmodell "Dialectical Materialism" wird in den "Incidents in a Museum" zum Kunstmodell. In das Kunstmodell wird allerdings die Brechung Kunst- und Weltbeobachtung als Brechung mit sich selbst - den Bildern im Bild - und musealer Umwelt eingebettet: Kontextreflexive Kunst im Kontext.

Geiselbefreiung

"Hostages" ist ein mit Jean Fautriers Geiselbilder/Otages (1943-45)47 aus Fleckengesichte[r]n verwandter Titel einer Bildserie, die Baldwin und Ramsden 1988 begannen. In den ersten Versionen (II-XIII, 1988-89 (Abb. 19 - Abb. 21)) wird ein Bildfeld von Streifen geteilt. Das Bildfeld erscheint wie eine Fläche palettenähnlich ausgestrichener Farbe. Tatsächlich ist eine malerische Reproduktion eines Feldes ausgestrichener Farbe zu sehen. Die Wiedergabe der Vorlage ist nicht immer im Maßstab 1:1. Während die Reproduktion der palettenartigen Ausstreichung den Bildrand berücksichtigt, werden die Streifen von diesem hart geschnitten. Auf einigen Streifen kehren Ausschnitte aus den Whitney-Interieurs wieder. Andere Streifen sind monochrom oder mit Flecken bemalt. Wiederum andere imitieren nach dem Vorbild des synthetischen Kubismus Holzstrukturen. Einige Streifen besitzen eigene Träger, die in die Bildfläche wie Intarsien eingelegt sind. Die Streifen sind als zu mindestens zwei Grundrissen gehörend identifizierbar. Die Bemalung der Streifen läßt sich stilistischen Codes zuordnen. Die Grundrißdiagramme schneiden flach durch den optischen Eindruck eines Farbbildraums, den die Reproduktionen ausgestrichener Farbflecke hervorrufen: Nicht wegen der malerischen Behandlung der Streifen, wohl aber wegen deren linearen und orthogonalen Umrisse kann hier von Hard Edge-Streifen über/in/zwischen abstrakt-expressiven Farbfeldern gesprochen werden. Die beiden Grundrisse werden in einer Bildebene geschnitten: Jeweils einer der beiden Streifen wird an den Kreuzungsstellen unterbrochen.

Diese "Hostages" sind an die formalen Paradigmen der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ebenso gebunden wie sie den Ausschließlichkeitsanspruch dieser Paradigmen auf der Bildfläche durch Simultaneität vertreiben: "paradigm-shift-from" statt "paradigm-shift-to" auf einer Bildfläche, die sich selbst als "imaginäres Museum" von Bildmöglichkeiten der künstlerischen (Neo-)Avantgarde vorführt. Das Bildmodell schlägt "New Painting" in dessen eigenem Feld, dem artifiziellen Rekombinieren malerischer Möglichkeiten. Baldwin und Ramsden wandeln die als postmodern bezeichneten Pasticcio-Verfahren aus Code-Fragmenten in Verfahren der Code-Transformation. Scheinbar Originales ist reproduziert und aus Reproduktionen und Adaptionen wird in der wechselseitigen Einspiegelung Originales erzeugt: Die Übernahmen aus bildexternen Ressourcen, die Geiseln, werden bildintern zur Selbstdifferenzierung in einem Bildsystem weiterverarbeitet, das sich von den Bildsystemen, in denen die Motive bereits vorkommen, absetzt: Geiselbefreiung.

Die "Hostages"-Varianten bis Nr. XIV rekapitulieren den 1972 artikulierten Standpunkt des "paradigm-shift-from" 1988, als sich abzeichnet, daß sich die Kunstgeschichte der achtziger Jahre auf die Pole Neo-Expressionismus und Neo-Konzeptualismus eingrenzen läßt. 1972 bereits artikulieren Atkinson/Baldwin in "Some post-war American work and Art-Language ideological responsiveness", daß sich der Paradigmenwechsel abstrakter Expressionismus-Pop Art-Minimal Art-Conceptual Art nicht beliebig fortsetzen läßt. Das Argument bezieht sich auf eine Situation der Institutionalisierung neoavantgardistischer Praktiken als Progress ad infinitum, für die eine Investigation nach dem Vorbild der Untersuchung der Paradigmen wissenschaftlicher Revolution von Thomas Kuhn (oder nach Roland Barthes´ Analyse der Zeichensysteme der Mode?) angebrachter ist als moderne Fragestellungen der Selbstemanzipation der Vernunft als sich ausdifferenzierende Vernünftigkeit. Indem die "Hostages" Teile aus stilistischen Codes in Transformations-/Verschiebungsprozesse überführen, öffnen sie die Enge der Polarisierung künstlerischer Alternativen gerade im Rekurs auf Clement Greenbergs Dichotomie "linear"-"malerisch". Greenberg führte 1962 explizit Heinrich Wölfflins aus Stilanalysen abgeleitete Dichotomie "plastisch"/"linear"-"malerisch" in den Diskurs über amerikanische Nachkriegsmalerei zwischen abstraktem Expressionismus und Hard Edge/"Post Painterly Abstraction"48 ein. In den frühen "Hostages" wird daraus ein Vexierspiel zwischen malerischen und linearen Flächen dies- und jenseits von Schnitten in der Leinwand und linearen Umrissen. Das Bildmodell provoziert zu Erkenntnissen, die in Diskursmodellen von Art & Language schon länger als überfällige selbstbezügliche Reflexion des Kunstbetriebs dargelegt worden sind. Doch was außer einem unverschämt guten Bildmodell konnte bei 1988 noch extrem steigendem Kunstboom49 mit Kunstbeobachtern rechnen?

Schichtenmodell 1

In 1989-90 entstandenen "Hostages"-Versionen wird auf einer Darstellung einer Baumallee (erste Schicht) in bestimmten, auf Vorzeichnungen festgelegten Formationen - es handelt sich um typografische Überarbeitungen der Abkürzung "Surf." - dicke Farbmaterie gesetzt. Beim Auflegen einer Glasplatte im Format der Leinwand verteilen sich die Taches zu Schlieren (zweite Schicht). Das Glas spiegelt die Präsentationsumstände vor den Schlieren erheblich geringer. Bei bestimmten, in Museen nicht unüblichen Lichtumständen sind von der Malerei kaum mehr als die Schlieren erkennbar. Auf dem auf die Leinwand mit kleinen Schrauben befestigten Glas sind in einigen "Hostages" Textposter aufgeklebt (XIX, XXII, XXV, L, LX, LXVI, LXIX, LXXII, s. Abb. 21c - Abb. 21d). Von den vier Textpostern auf "Hostage LXIX" (Abb.21e) sind je zwei Varianten durch Textmanipulation entstanden: Laut-, aber nicht sinnverwandte Worte sind gegeneinander vertauscht worden: Welcher Text ist die Variation, welcher der Ursprung? Die Ursprungsfrage entfällt in einer Kette fortlaufender Variationen. Der Text, der gemeint sein könnte, liegt vielleicht zwischen beiden Varianten, oder es ist kein anderer Sinn als der der Variation zu finden: rein formaler Selbstbezug oder experimentelle Möglichkeiten der Semantisierung, wie vormals bei den Inskriptionen von "Index 002 (Bxal)"? Die Sprachververschiebungen versetzen die Erzählungen in den Zustand des Transitorischen.

Die vergangene Transformation der Farbpaste durch die Glasplatte und ein weiterer Teil der trotz Schlieren noch sichtbaren Teile des Landschaftsbildes werden von den Textpostern abgedeckt, die mit den semantischen Verschiebungen unabgeschlossene narrative Verläufe vorführen. In "Hostage XIX" von 1989 weist der Text über einem verschlierten Whitney-Interieur auf ein 1995 zu malendes Bild und offeriert die paradoxe Zukunftsprognose "We may hide behind our speech at this apalling moment." Zwischen Sprache als Möglichkeit, Aktuelles in Potentielles zu öffnen, und sprachlosem Staunen vor dem unkalkulierbaren, kontingenten Farbereignis, zwischen Situativem und Möglichkeitsdimension, liegt eine unaufhebbare `Spannung´. Das Verhältnis zwischen Abgedecktem, physisch Präsentem und Abdeckendem, auf nicht Anwesendes Verweisendes kann als Gegenbewegung zwischen Sehen/Lesen und Lesen, zwischen präsenter Spur vergangener Aktion und in der Textbedeutung gegenwärtiger Zukunft charakterisiert werden. Die Selbstdifferenzierung in einem materielle, optische und mentale (textsemantische) Strata zusammenführenden `Schichtenmodell´ enthält Möglichkeit - siehe die Texte - und - siehe die Schlieren - Risiko des Kontingenten.


Schichtenmodell 2

Baldwin und Ramsden führen 1992 in der Serie "Index (Now They Are)" eine neue Fassung des Schichtenmodells vor. Über einer gemalten Kopie eines Ausschnitts von Gustave Courbets «L´Origine du Monde» (1866) ist eine Glasscheibe montiert, die von hinten hautfarben rosa bemalt ist. In Anspielung auf Jackson Pollocks "The Deep" von 195350 wird die Hinterglasmalerei (in den Varianten "II", "X" und in einem alten Zustand der Variante "V" (Abb. 22 - Abb. 24)) im Bereich der vertikalen Mittelachse durch auslaufende Pinselspuren fahrig und gibt den Blick frei auf den darunterliegenden "Ursprung". Pollocks "The Deep" wird nicht kopiert, wie Courbets «L´Origine du Monde», sondern adaptiert. Der Durchblick auf die Vulva wiederum paraphrasiert Marcel Duchamps Inszenierung des voyeuristischen Blicks auf eine "imaginäre Landschaft" mit einen Akt im Gebüsch in «Etants donnés: 1° la chute d´eau, 2° le gaz d´éclairage» (1947-66) mittels Türe mit zwei Gucklöchern und Schaufensterpuppe. Diese Installation befindet sich in einem kleinen Raum neben dem "Großen Glas" im Philadelphia Museum of Art.51 Duchamps Anspielung auf das männliche Geschlecht - «le gaz d´éclairage» - fehlt bei Art & Language ebenso wie die malerische Struktur von Pollocks Übermalung in "The Deep". Der ausgefranste Kontur der Hinterglasmalerei, der den Durchblick ermöglicht, wiederholt in Variante "X" zwar den Schamhaarumriß, verdeckt ihn damit aber auch. Was also provoziert die Erkennbarkeit des weiblichen Geschlechts? Offensichtlich die Reinszenierung der Gucklochperspektive, der Schlüsselloch-Blick als museale Peep-Show ohne Schutz vor weiteren Beobachtern, die vor dem Bild Stehende beim Beobachten beobachten.

Der frontal vor dem Bild Stehende sieht den Schattenumriß seines Gesichts auf dem spiegelnden Glas (Vor den dunklen Teilen des Durchblicks spiegeln sich helle Gegenstände und vor der rosa Hinterglasmalerei dunkle). Der Beobachter beobachtende Beobachter und der Beobachter vor dem Bild sehen den Kopfumriß um "The Deep". Der Spiegel des Kopfkonturs konterkariert den Abdruck, den die Gesichter der Museumsbesucher auf Duchamps Tür hinterlassen haben: An die Stelle der Erotik der durch den Spalt zwischen den Gucklöchern gesteckten Nase des Beobachters von «Etants donnés» tritt der neutrale Glasspiegel, der den Beobachter auf sich selbst, auf sein Blickbegehren, zurückwirft.52 Dieter Daniels wandelt angesichts «Etants donnés» Duchamps Grabinschrift "Übrigens sind es immer die anderen, die sterben" ab zu: "`Übrigens sind es immer die anderen, die gucken.´" und fügt den Kommentar hinzu: "...denn das eigene Schauen sieht man nicht." Das "eigene Schauen" wird noch nicht bei Duchamp, dafür aber bei Art & Language sichtbar: Duchamps Durchblick wird rekonstruiert als Spiegelbild mit Durchblick. Schon im 18. Jahrhundert wird der Körper zum beliebig partialisierbaren Blickobjekt, zum "imaginären Körper."53 Der Blick auf das Geschlecht ersetzt den Akt. Die Relation von Reflex und Durchblick in einigen "Index (Now they are)"-Varianten schafft ein Bildmodell, das als aus Kunstmodellen destilliertes Modellbild für musealisierte Weltbeobachtung - jenes der Gegenwart ferne Weltverhältnis in der Gegenwart54 - verstanden werden kann: Der Blick bricht sich schon am Spiegel, bevor er den "imaginären Körper" hätte sehen können.

Baldwin und Ramsden entschieden sich schließlich dafür, die gesamte Fläche der Glasplatte zuzustreichen und dem vor die Platte tretenden Beobachter ein nur schwach sich aus der rosa Fläche abhebendes, deiktisches/indexikalisches "Hello" zu lesen zu geben - doch warum sollte er nahe treten, wenn er von Ferne nur Glasspiegelungen über einer monochromen Fläche sieht? Auch die überarbeitete Variante "V" gibt heute von der Courbet-Kopie nicht mehr zu erkennen als am Bildrand überstehende Malspuren, es sei denn, die Glasplatte wird abgeschraubt.

In der Hängung mehrerer Varianten 1993 in einem Saal des Jeu de Paume kehrt allerdings die Ausstellungssituation der "Architecture of Contemplation" zurück, die Menard und White in "Media Madness" skizzieren: Werke in hinreichenden Abständen, um sowohl als isolierte Objekte sich behaupten zu können, und in nicht zu grossen Abständen, um noch als zusammengehörige Reihe erfaßt werden zu können, bilden einen bestimmten Rhythmus an den Wänden. Die Gleichheit von Musealisierung als Weltbeobachtung thematisierendem Schichtenmodell und musealem Präsentationskontext wäre besorgniserregend, wären da nicht die Kontextverschiebungen der Vorbilder durch Kopie, Adaption und Paraphrase.
"Now they are" versteht Michael Baldwin als "Duchampian Anagram". Es ist eine Übersetzung der lateinischen Phrase "nunc sunt", die Baldwin anagrammatisch auch englisch als "nun´s cunt" verstehen will: «Il y a donc une question entre la vulgarité latente du titre et le résultat final. C´est pourquoi il est aussi question du masquage et du déguisement.»55

In Duchamps Anagramm gibt der Wechsel der Sprachen vom Lateinischen ins Englische der Verschiebung von "c" und "s" erst einen sinnverleihenden Kontext. Das Schichtenmodell von Art & Language thematisiert diese Kontextverschiebung: Jede Schicht liefert den Elementen anderer Schichten einen anderen optischen Kontext, der die semantischen Felder gegenüber dem Kontext der Schicht, in der sie materialisiert sind, verschiebt.56 Das Verschiebungsmodell für die alte Version von Variante "V" und für die Varianten "II" und "X" faßt folgendes Diagramm zusammen:


Die Referenz auf kunsthistorische Vorbilder durch Adaption und Kopie verschiebt die Aufmerksamkeit zumindest teilweise vom `Was´ auf das `Wie´. Die `Was´-`Wie´-Relation wiederum erzeugt die Möglichkeit der Analogie zu Duchamps Schlüssellochinszenierung, die den Nahblick des Beobachters auf (post-)moderne Distanz hält. Duchamps «Etants donnés» ist der Vorläufer des Schichtenmodells von Art & Language. Die Referenz allerdings wird mit der vollständigen Übermalung abgetrennt: Die Kopie von Courbets «L´Origine du Monde» ist materiell, aber fast nicht optisch da. Mental präsent kann sie durch Wissen werden, erhältlich durch Abmontieren der Glasplatte - das nicht unproblematische Privileg des Besitzers - oder über Katalogillustrationen. Ist das unsichtbar gemachte, aber material vorhandene Bild analog zur `Negation´ zu betrachten, die die `Affirmation´ voraussetzt? Baldwin, Harrison und Ramsden schreiben in der neuesten, nach neun Jahren Pause erschienen "Art-Language"-Nummer über "A painting which is not to be seen": "Faced with the insistence of `actual seeing´, it may be that the real `possibility of seeing´ rests paradoxically with that which is `not to be seen´: that which the eye must register, but does not copy." Das Bild präsentiert sich also in einer Form, in der es einerseits Aktuelles durch mögliches Sehen-Lesen ersetzt, andererseits aber die Voraussetzung für den Wechsel von `aktual´ zu `möglich´, das Abdecken des Aktuellen, aufheben will. Das Paradox des real Möglichen ("real possibility") steht für den Wandel der Sicht auf museale Vorbilder in einem veränderten Kontext. Bild und Diskurs klaffen hier wieder auseinander: Was das Diskursmodell an Transformationsprozessen will, kann das nichtmentale Bild an sich selbst nicht vorführen, aber es kann auf seinen Mangel verweisen: "...the condition of being `not to be seen´ seems to be connected with the practical matter of assigning a possibility of discursive agency to that thing which is being discursively and physically acted upon in the studio." 57 Der Diskurs über die Relation von Bild- und Diskursmodell erscheint Baldwin, Harrison und Ramsden als die zentrale Herausforderung des Konzepts "a painting which is not to be seen".

Art & Language führen in den monochromen Varianten von "Index (Now they are)" nicht die `Negation´ einer Kopie eines Bildes mit referentiellen Zeichenfunktionen durch Übermalen vor, sondern eine `Spannung´, eine wechselseitige `Negation´ von poetischen und referentiellen Zeichenfunktionen. Die spiegelnde Glasfläche und die Malspuren, die am Rand beobachtbar sind, stören die Desemantisierung im Sinne des Programms einer künstlerischen Avantgarde, das das Ende der Malerei-Entwicklung im monochromen Farbkörper kommen sieht und doch nicht kommen lassen will. Was an Umrissen von der Courbet-Kopie durchscheint, wird teilweise wiederum von den Spiegelungen ausgelöscht, teilweise durchdringen sich Spiegelungen und gerade noch mögliche Transparenz - auch in unangenehmer Weise, wenn der Beobachter sich als Figur vor Schamhaar erkennt. Ein Ausstreichen des (Ab-)Bildes zugunsten eines Malkörpers, eine `Affirmation´ poetischer Zeichenfunktion mit `Negation´ aller mitteilenden Zeichenfunktionen kann deshalb nicht mehr vorliegen. Die im Konzept des Schichtenmodells angelegte Rückkehr der Semantisierung aus dem Hinterhalt - wie das Rauschen, das sich zur Information zu verdichten droht wie das Grau auf dem Geheimfoto, das in der Vergrösserung sein Geheimnis nicht ohne Interpretation der Fleckenmuster preisgibt - bedroht zu deutlich "Monofunktionalität".58 Die Referenz auf das Darunterliegende, ob als Ganzes gesehen oder nur als Farbrand, läuft beim Beobachten der Glasfläche mit. Zugleich wenden sich die Bilder mit der "Hello"-Inschrift, soweit dies die spiegelnde Glasfläche zu erkennen erlaubt, mit phatischen Zeichenfunktionen nach vorn an den Beobachter. Das Schichtenmodell greift in der Konzeption der "Index (Now they are)"-Serie von der monochromen Glasfläche in poetischen Zeichenfunktionen nach unten durch auf referentielle Zeichenfunktionen und nach oben auf phatische Zeichenfunktionen. Die Abwesenheit der Reflexionsebene metasprachlicher Zeichenfunktionen im Bildmodell wird an dessen Implikationen für Diskursmodelle selbst beobachtbar - deshalb "Art-Language: New Series"?

So wenig das deiktische "Hello" ein direkter Apell an bestimmte Beobachter ist, so wenig ist durch die Abdeckung die Oberfläche des Abgedeckten erkennbar: Darstellung wie Beobachterappell werden so offen und unspezifisch wie möglich gehalten. Zugleich sind Darstellung und Beobachterapell, wie unspezifisch im narrativen Sinne auch immer, im Sinne des Modernismus schon zu spezifisch, zu "theatralisch".59

Das Schichtenmodell ist eine Alternative zu einer monochromen Malerei, die das Ende des Reduktionsprozesses durch minimalste Veränderungen am Malkörper und Farbauftrag verzögern will und einem Ansatz, der einen Neubeginn der Malerei nach Ad Reinhardts "last painting" sucht.60 Das Schichtenmodell führt über den engen Horizont der Geschichte des Mediums Malerei hinaus: Es steht für eine Komplexierung der Beziehungen zwischen materiellen, optischen und mentalen Strata sowie zwischen Bild- und Diskursmodellen. Werke von Art & Language, die dem Schichtenmodell zuzuordnen sind, provozieren Beobachter, zwischen materiell Existentem und Sichtbarem, zwischen materiellen und optischen Strata mentale Beziehungen/Zwischenschichten herzustellen. Die implizite Beobachtersituation von Werken des Schichtenmodells ist als Kunst- ebenso wie als Weltmodell charakterisierbar, weil das Medium Malerei nur Anlaß für ein Kunstmodell ist, dessen Schichtenbildung wiederum als Modell für jede Art der Selbstdifferenzierung verstanden werden kann. Ohne Selbstdifferenzierung der Beobachtungsmöglichkeiten gibt es - so argumentieren Vertreter des radikalen Konstruktivismus - keine Möglichkeit der Umweltbeobachtung: Der Selbst/Selbst-Bezug antizipiert den Selbst/Fremd-Bezug.61

In Varianten der Serie "Study for an Incident: Now They Are" (Abb. 25) von 1993 wird ein weiteres Beispiel des Schichtenmodells in tragbaren, grauen Ready-Made-Boxen präsentiert. Die oben offene Box mit jeweils einem dezentriert vertikal in ihr arretierten Zeichnung erscheint in musealen Ausstellungspräsentationen wie ein grauer Container im weißen Container, aber auch wie museale Installationen minimalistischer Objekte von Donald Judd.62 In der Box befinden sich hinter Glas Auszüge eines Interviews mit Tom Holert, das in "Texte zur Kunst" (Nr.12) abgedruckt wurde. Die Auszüge verdecken Bilder, die in zwei Reihen Courbets «L´Origine du Monde» ("Next"-Varianten) und eine Grottenzeichnung Courbets63 adaptieren und in einer weiteren Reihe Landschaftsmotive der "Hostages" ("Elegant"-Varianten) paraphrasieren. Die Präsentation der verdeckten Bilder in der Box führen die Grammatik des Enthaltens/Einbettens, wie sie von Baldwin und Ramsden schon in den Bildern-im-Bild der "Index: Incidents in a Museum"-Reihe angewandt wurde, in Kombination mit der Grammatik des Schichtens vor. Die Grammatik des Enthaltens ist als Innenschichtung/-brechung der umgekehrte materiale Prozeß zur Schichtung übereinander, in der Innenschichten Außenschichten erhalten. Die Innen/Außen-Brechungen, wie sie in mentalen Strata und Diskursmodellen vorgeführt werden können, werden in materielle Strata nicht in eins-zu-eins korrespondierende Modelle übertragen, sondern adaptiert und paraphrasiert. Die Übersetzung mentaler Innen- und Außenbrechungen in materielle Strata erzwingt Verschiebungen. Die Unterkomplexität von Bildmodellen verkehrt sich in ihre Stärke, wenn sie der latenten `Dominante´ metasprachlicher Zeichenfunktionen in Diskursmodellen poetische Zeichenfunktionen als korrigierende Gegenbewegung entgegenhalten können: Die Parallelführung von Bild- und Diskursmodellen führt zu permanenten Verschiebungen der Relationen zwischen Zeichenfunktionen. Die "Studies for an Incident: Now they are"-Varianten führen diese Verschiebungen zwischen Bild- und Diskursmodellen an sich selbst durch den integrierten Interview-Text vor.

Plurifunktionalität der Zeichen

Zeichengebrauch ohne Reflexion über die Art der Koordination von Zeichen mit Bedeutungen, konstituiert eine erste Ordnung der Beobachtung. Auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung wird der Gebrauch der Zeichenfunktionen beobachtet und in Beobachtungen dritter Ordnung werden die Möglichkeiten der Beziehungen zwischen Zeichenfunktionen reflektiert.

Jean Baudrillard nimmt 1976 in «L´échange symbolique et la mort»" Ferdinand de Saussures «Cahiers d´anagrammes» zum Anlaß einer Auseinandersetzung mit der Koordination von Zeichen mit Bedeutungen, mit Zeichenfunktionen. Saussures Anagramme sind nach Baudrillard Beispiel für einen sprachinternen "symbolischen Tausch", der sich jedem "Äquivalenzprinzip", also der Koordination von Zeichen mit Bedeutung, entzieht. Roman Jakobsons Modell der Zeichenfunktionen lehnt Baudrillard ab, da es nicht den Austausch von Zeichenformen als außerhalb jeder Koordination von Zeichen mit Bedeutung, von Signifikant mit Signifikat, stehend ausweist, sondern Zeichenformen als Sonderfall, als poetische Funktion in das System pluraler Zeichenfunktionen integriert: «Qu´importe si le poétique nie toutes les lois de la signification: on le neutralisera en lui donnant droit de cité linguistique, et en lui imposant d´obéir au même principe de réalité. Mais qu´est-ce qu´un signifiant ou un signifié qui ne sont plus régis par le code de l´équivalence? Qu´est-ce qu´un signifiant qui n´est plus régi par la loi de linéarité? Et qu´est-ce qu´une linguistique sans tout cela? Rien..64 Baudrillards radikale Kritik der Semantisierungsprozesse verkürzt die Koordination von Zeichen mit Bedeutungen auf Fragen der "Äquivalenz" , und lehnt dann in Folge dieser Verkürzung das Sprachmodell der Zeichenfunktionen ab. Verschiebungen zwischen verschiedenen Zeichenreihen bzw. - schichten wären auch analysierbar als Prozesse, in denen die "Differenz von Identität und Differenz" in laufend neuen De- & Rekonstruktionen bearbeitet wird. Dieses prozessuale Modell wird von Baudrillard ersetzt durch ein Sprachideal, durch ein statisches Modell der selbstbezüglichen Dauerfluktuation von Signifikanten.

Aus der Sicht von Art & Language läßt sich Baudrillard vorwerfen, daß er sich in eine Position begibt, in der eine kritische Reflexion/Beobachtung der eigenen Position im kulturellen Kontext nicht mehr möglich ist oder die eine Verwendung von Zeichenfunktionen voraussetzt, denen er entrinnen will: Reflexiver Kontextbezug steht gegen postsituationistische Wiederbelebungen des "Potlatsch" und die Schwierigkeiten dieser Position, sich von Spektakel-Organisationen abzugrenzen - mit Art & Language: "What will you have: expansion or implosion, celebration or shame, art as a series of festivals or art as a project of work?"65

"Dialectical Materialism" und das Schichtenmodell von Art & Language verstehe ich als Plädoyer für die "Plurifunktionalität" von Zeichen. Art & Language verwenden nicht nur Codes und Relationen zwischen Codefragmenten, sondern setzen vorcodierte Zeichen ein, um Exempel für verschiedene Zeichenfunktionen zu erhalten. In einem großen Teil der Werke spielen die Beziehungen zwischen Zeichenfunktionen eine entscheidende Rolle. Verhältnisse der `Negation´, der `Spannung´ und des `Gleitens´ zwischen Zeichen, die als in verschiedenen Funktionen stehend erkennbar sind, stehen kritisch zu Verhältnissen der `Dominante´ und der `Affirmation´. In der Oxforder Installation von "Dialectical Materialism" ergeben sich die Relationen zwischen Zeichenfunktionen noch aus dem `Nebeneinander´ der Elemente im Wall Display, die der Beobachter in einem mentalen Schichtenmodell aufeinander beziehen kann. Das Schichtenmodell ist nicht nur als ein hierarchisches Ebenen- oder Typenmodell vorstellbar, sondern auch als Schichtenbezug durch `Faltungen´, z. B. durch Kontextverschiebungen, wie am Beispiel von "Index II, V (alter Zustand), X (Now they are)" gezeigt. Diese Kontextverschiebungen reflektieren das Problem der permanenten Refocussierung auf Welt, das bei der Analyse der "Theoriebeladenheit der Beobachtung" in den Bildern der Reihe "Portrait of V.I. Lenin...in the Style of Jackson Pollock" und in den "Painted by Mouth"-Bildern eine entscheidende Rolle gewann. Die permanente Refocussierung und Kontextverschiebung transformiert erstarrte Verhältnisse zwischen materiellen, optischen und mentalen Strata. Die Umschichtung der Schichtenverhältnisse wiederum erzeugt "Epi-" und "Parastrata".66 `Dominante´ Zeichenfunktionen, die die semantischen Prozesse in anderen Zeichenfunktionen mitbestimmen, und `Affirmation´ zwischen Zeichenfunktionen verhindern solche Umschichtungen. Die Geschichte von Art & Language ist spätestens ab 1973 die Geschichte der Vermeidung, metasprachlichen Zeichenfunktionen die Rolle der "dominanten Funktion"67 zukommen zu lassen und auf `affirmative´ Bezüge zwischen Zeichenfunktionen zurückgreifen zu müssen. Das Wechselspiel zwischen Bild- und Diskursmodellen und damit zwischen materialen, optischen und mentalen Strata resultiert hieraus.

 

Anmerkungen:


1 Burn,I./Ramsden,M./Smith,T.: Draft for an Anti-Textbook, in: Art-Language, Vol.3/Nr.1, September 1974; Kat. Ausst. Art & Language: Proceedings I-IV, Kunsthaus Luzern 1974.

2 Art-Language, Vol.2/No.4, June 1974, S.38: "... we are carrying on a form of the `journal´ as an extensive `proceedings´...`going-on´."

3 Harrison,C./Orton,F.: A Provisional History of Art & Language, Galerie Eric Fabre, Paris 1982, S.40.

4 Atkinson,T.: Introduction, in: Art-Language, Vol.1/Nr.1, May 1969, S.3.

5 Atkinson, s. Anm.4, S.1. Vgl. Gehlen,A.: Zeit-Bilder, Frankfurt a. M./Bonn 1960, S.63,75 über die Relation Anschauung-Begriff in zeitgenössischer Kunst. Manfred Schmalriede setzt Gehlens Erörterungen über die Funktion der Kunsttheorie in der zeitgenössischen Kunst in Bezug zu Daniel Kahnweilers Begriff «peinture conceptuelle». (Schmalriede,M.: Sich ein Bild machen über Bilder, in: Neusüss,F.M. (Hg.): Fotografie als Kunst: Kunst als Fotografie, Köln 1979, S.111.

6 Atkinson, s. Anm.4, S.2.

7 Atkinson, s. Anm.4, S.3.

8 Wollheim,R.: The Work of Art as Object, in: Studio International, December 1970, S.234.

9 Kosuth,J.: Art after Philosophy, part I, in: Studio International, October 1969, S.136: "That there is no `truth´ as to what art is seems quite unrealized...Works of art are analytic propositions. That is, if viewed within their context - as art - they provide no information what-so-ever about any matter of fact. A work of art is a tautology in that it is a presentation of the artist´s intention, that is, he is saying that that particular work of art is art, which means, is a definition of art. Thus, that it is art is true a priori (which is what Judd means when he states that `if someone calls it art, it´s art." Vgl. Pilkington,P./Rushton,D.: Don Judd´s Dictum and its Emptiness, in: Analytical Art, No.1, July 1971, S.2.

10 Für den Nachvollzug der ungewohnten Setzungen von Künstlern durch ein eingeweihtes Publikum plädiert Lippard,L.: Change and Criticism. Consistency and Small Minds (1967), Neu in: Dies.: Canging. Essays in Art Criticism, New York 1971, S.23-34.

11 Karshan,D.: The Seventies. Post-Object Art, in: Studio International, September 1970, S.69: "The marriage of a 17th-,18th- and 19th-century art form and the consciousness of the twentieth century was a superficial and unharmonious one."

12 Wollheim, s. Anm.8, S.234.

13 Wollheim, s. Anm.9, S.232f.

14 Atkinson,T./Baldwin,M.: On the Material-Character/Physical-Object Paradigm of Art, in: Art-Language, Vol.2/No.1, February 1972, S.55.

15 Vgl. Atkinson,T./Baldwin,M.: Sunnybank (1967), in: Kat. Ausst. Conceptual Art and Conceptual Aspects, The New York Cultural Center, New York City 1970, S.16-20 mit Burn,I.-o.T.,1968, vielteiliges Offset (Auflage: 25), in: Kat. Ausst. Ian Burn: Minimal Conceptual Work 1965-70, Art Gallery of Western Australia, Perth Cultural Centre, Perth 1992, S.48,84; Dreher,T.: Konzeptuelle Kunst in Amerika und England zwischen 1963 und 1976, Frankfurt a.M. 1992, o.P., Abb. Nr.5a (Werktext). Text mit geringfügigen Modifikationen, in: Burn,I./Ramsden,M.: The Role of Language (1968), in: Vries,G. de (Hg.): Über Kunst..., Köln 1974, S.90-95. Neu in: Burn, I.: Dialogue: Writings in Art History, North Sydney, S.120-124.

16 Atkinson/Baldwin, s. Anm.14, S.51f.,55.

17 Atkinson,T./Baldwin,M.: Some post-war American Work and Art-Language ideological responsiveness, in: Studio International, April 1972, S.165.

18 Atkinson,T./Baldwin,M.: A Reiteration of an Old Art-Language View, in: Kat. Ausst. De Europa, John Weber Gallery, New York 1972, o.P.

19 Stenius,E.: Mood and language game (1967), in: Ders.: Critical Essays, Amsterdam 1972, S.188,191.

20 Atkinson/Baldwin, s.Anm.17, S.165f.

21 Atkinson,T./Bainbridge,D./Baldwin,M./Hurrell,H.: Status and Priority, in: Studio International, January 1970, S.28.

22 Atkinson/Baldwin, s. Anm.17, S.167. Zur Beobachtung erster bis dritter Ordnung: Huber, Hans-Dieter: Interview mit Niklas Luhmann, in: Texte zur Kunst, Herbst 1991, S.122-126; Luhmann,N.: Erkenntnis als Konstruktion, Bern 1988, S.21-24; Luhmann,N: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1995, S.92-164; Luhmann,N.: Weltkunst, in: Baecker,D./Bunsen,F./Luhmann,N.: Unbeobachtbare Welt. Über Kunst und Architektur, Bielefeld 1990, S.22-30.

23 Burn,I./Ramsden,M.: A Dithering Device, masch. schrf. Manuskript 1972 (Archiv Paul Maenz, Köln), S.30.

24 Atkinson/Baldwin, s. Anm.17, S.167.

25 Vgl. Ramsden,M.: On Practice, in: The Fox, Vol.1/Nr.1, 1975, S.77f.: "So, alternatives to the present system of distribution, if they are to challenge that system, cannot challenge this concept of mass-audience, since such a concept means power and, at present, without its power one can´t be an `alternative´." "Power" und die Rationalität der besseren Argumente im herrschaftsfreien Diskurs lassen sich nicht vereinigen. Aber Funktionen von Machtmechanismen lassen sich unterbrechen (Burn,I.: Buying Cultural Depency..., in: The Fox, Vol.1/Nr.1, 1975, S.141-144).

26 Luhmann,N.: Soziale Systeme..., Frankfurt a.M. 1987, S.601.

27 Luhmann, s. Anm.26, S.25: "Die (inzwischen klassische) Unterscheidung von `geschlossenen´ und `offenen´ Systemen wird ersetzt durch die Frage, wie selbstreferentielle Geschlossenheit Offenheit erzeugen könne."

28 Dreher,T.: Konzeptuelle Kunst in Amerika und England zwischen 1963 und 1976, Frankfurt a.M. 1992, S.357. Die Indices "A" bis "I(iii)7" wurden von 6 Lesern in "+" (akzeptiert), "-" (nicht akzeptiert) und "T" (dahingestellt)-Gruppen aufgeteilt. Um jeden Index aus der "+"-Gruppe als Headline über jedem der 6 Blätter erscheinen zu lassen, sind 320 Blätter nötig. Der tautologische Selbstbezug zwischen identischen Indices wird vermieden, indem der Index mit Tipp Ex in der "+"-Gruppe ausgelöscht wird, der zugleich als Headline erscheint. Die Relationen zwischen den Headlines und den darunter stehenden Indices konstituieren das Bezugsfeld zwischen Textabschnitten von Art & Language.

29 Dreher, s. Anm.28, S.354-358. Die Ordnung des lexikalischen Querverweises von "Blurting In" praktiziert Mel Ramsden schon in schon in "Elements of an incomplete map (substantiality)", 1968 (Archiv Paul Maenz, Köln).

30 Aus der Eintragung im Musterblatt links oben geht hervor, daß die Indices auf Worte von "S1", den ersten Satz, zu beziehen sind.

31 Burn/Ramsden/Smith, s. Anm.1, S.79.

32 Pilkington,P.: Brief an d.A., 30.8.1987, telefonisch: 22.9. und 5.10.1987. Pilkington hat sich mit dem `Rauschen im Kanal´ - der gegen Null tendierenden Redundanz, aus der keine Steigerung der Information resultiert - u.a. in "Channel Noise" (mit David Rushton, 5-teilig) auseinandergesetzt. Zwischen Pilkington und David Rushtons "Channel Noise/Noisy Channel A" von 1970 (5-teilig, Archiv Paul Maenz, Köln) und Mel Ramsdens "Elements of an incomplete map (substantiality)" (s. Anm.29) bestehen bereits wichtige Differenzen auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung, die auf der Ebene der Beobachtung dritter Ordnung zwischen "Blurting In" und "Index 002 (Bxal)" wiederkehren.

33 Über "Zeichenfunktionen": Eco,U.: Einführung in die Semiotik, München 1972, S.145f.,269f.,307 mit Anm.3; Jakobson,R.: Linguistics and Poetics, in: Sebeok,T.A. (Hg.): Style in Language, Cambridge/Mass. 1960, S.350-377. Über dominante Zeichenfunktionen: Holenstein,E.: "Die russische ideologische Tradition" und die deutsche Romantik, in: Jakobson,R./Gadamer, H.-G./Holenstein,E.: Das Erbe Hegels II, Frankfurt a.M. 1984, S.61f.

34 "Surf." war als Abkürzung für "Surfeit" konzipiert (Kuspit,D.B.: Of Art and Language, in: Artforum, May 1986, S.128).

35 Art & Language: Dialectical Materialism 1974, Museum of Modern Art, Oxford 1975, textrelevante Abb. in: Dreher, s. Anm.28, S.309-319, o.P. (Abb. 22f.); Kat. Ausst. Art & Language, Musée de Toulon 1982, S.98f., Abb. 4a,b; Kat. Ausst. Art & Language, Stedelijk van Abbemuseum, Eindhoven 1980, o.P., Abb. 76,79.
El Lissitzky-Da sind zwei Quadrate: Suprematistische Erzählung in zwei Quadraten in sechs Spielen, Berlin 1922.

36 "Dialectical Materialism", s. Anm.35, Abb. des hier angesprochenen Textes in: Kat. Ausst. Sviluppi Alternative: Arte Inglese Oggi 1960-1976, Palazzo Reale, Mailand 1976, Bd.2, S.358f. Vgl. die Texte in Kat. Ausst. Art & Language 1966-1975, Museum of Modern Art, Oxford 1975, S.41 über die Dialektik von Vorlauf und Rücklauf, Katapher "Alpha" (rechtsverzweigt, Vorlauf) und Anapher "Beta" (linksverzweigt, Rücklauf). Dazu Dreher, s. Anm.28, S.317ff.
Zur "Neuen Rhetorik" s. Olbrechts-Tyteca,L./Perelman,C.: Traité de l´Argumentation, Brüssel 21970; Perelman,C.: The New Rhetoric, in: Bar-Hillel,Y. (Hg.): Pragmatics of Natural Languages, Dordrecht 1971, S.145-149, bes. S.145f.: "Dialectic reasoning, as opposed to the analytic reasoning of formal logic, is a discourse addressed to an audience; this audience may be a special one, made up of many people, one interlocutor, or the subject himself when he deliberates; or it may be universal, the ideal audience we address when we appeal to reason..." Explizite Referenz im Art & Language-Diskurs auf "Perelman": Burn/Ramsden/Smith, s. Anm.1, S.6,21,45.

37 o.A.: A note on the cover, in: Art-Language, Vol.4/Nr.2 (The Fox, Nr. 6), October 1977, S.3-5.

38 Kat. Ausst. Kunst und Technik in den 20er Jahren: Neue Sachlichkeit und Gegenständlicher Konstruktivismus, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1980. Das von Paul Wood auf dem Symposium "Art & Language & Luhmann" am 26.1.1995 im Kunstraum Wien als Dia gezeigte Vorbild (Autor unbekannt) entspricht dieser stilistischen Zuordnung. Durch das Weglassen des Soldatenkopfes über der Szene entfernen Art & Language das Element, das sich einer stilistischen Ableitung aus der Malerei der Neuen Sachlichkeit in den zwanziger Jahren am wenigsten fügt.

39 Greenberg,C.: "American-Type" Painting (1955), neu in: Ders.: The collected essays and criticism, vol.3, Chicago 1993, S.217-236.

40 Über "`theoryladenness´ of experience" äußern Ian Burn und Mel Ramsden in "Comparative Models, Version 1" 1972 (Sammlung Vicky Rémy, Saint Tropez) in "Fourth/Sixth Annotation" (auch in: Burn/Ramsden, s. Anm.23, S.7, Anm.3): "One of the important contributions to perceptual science has been the disclosure that aspects of perception are learned, aspects as crucial as being able to cognize data based on perceptual events."

41 "trial-and-error": Gombrich,E.H.: Kunst und Illusion, Stuttgart/Zürich 1977, S.9 ("hypothetischer Charakter aller Wahrnehmungsprozesse"), 14 (gegen "Unschuld des Auges"), 110f. (mit Anm.-Hinweis auf "Flexibles Schema") u.a.
"ontologische Relativität": Quine, W.v.O.: Ontologische Relativität (1968), in: Ders.: Ontologische Relativität u.a. Schriften, Stuttgart 1975, S.41-96.

42 Kat. Ausst. Gustave Courbet und Deutschland, Hamburger Kunsthalle 1978, S.25,230.

43 Burn,I.-o.T., 1968, s. Anm.15.

44 Vgl. Wiener,O.: Künstliche Intelligenz, Berlin 1990, S.24f. ("Wendemarken" und Faltung), 45,127-135.

45 Menard,A./White,R.: Media Madness, in: The Fox, Nr.2, 1975, S.105-117.

46 Kat. Ausst. Kontext Kunst, Trigon ´93, steirischer herbst ´93, Neue Galerie im Landesmuseum Joanneum/Künstlerhaus in der Fabrik Lastenstraße 11, Graz 1993/Köln 1994, S.510-521,544-552,562-571. Brüderlin,M.: Gerwald Rockenschaub und Heimo Zobernig, in: Du, Januar 1995, S.57-61.

47 Ausst. Jean Fautrier-Les Otages, Galerie René Drouin, Paris 1945, in: Glozer,L.: Westkunst..., Köln 1981, S.141f.,384.

48 Greenberg,C.: After Abstract Expressionism, in: Art International, October 1962; Kat. Ausst. Post Painterly Abstraction, Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles 1964 (Text: Clement Greenberg) u.a.

49 Decker,A.: La ténébreuse affaire des cycles du marché de l´art, in: Beaux Arts, No.94, October 1991, S.44f.: 1988 beträgt die Steigerungsrate des Umsatzes der Auktionen zeitgenössischer Kunst bei Christie´s und Sotheby´s gegenüber dem Vorjahr 134,4%. Das ist mit Abstand die größte Steigerungsrate der achtziger Jahre.

50 Pollock,J.-The Deep, in: Kat. Mus. Art Américain, Musée national d´art moderne, Centre Georges Pompidou, Paris 1981, S.29,161; Naifeh,S./Smith, G.W.: Jackson Pollock. An American Saga, London 1989, S.728f.,731.
Courbet,G.-L´Origine du Monde, 1866, in: Kat. Ausst. Gustave Courbet, s. Anm.42, S.610.

51 Daniels,D.: Duchamp und die anderen, Köln 1992, S.280-291; Lyotard,J.-F.: die TRANSformatoren Duchamp, Stuttgart 21987, S.10-16,113-140,143f.

52 Lacan,J.: Le Séminaire, Livre XI: Les quatre concepts fondamentaux de la psychanalyse (1964), Paris 1973, S.79 über «se voir se voir»: «En tant que je suis sous le regard qui disparaiît...Ce regard que je rencontre - c´est à repérer dans le texte même de Sartre - est, non point un regard vu, mais un regard par moi imaginé au champ de l´Autre.»

53 Vgl. eine Illustration zu Borel: Mémoires du Saturnin, 18. Jhdt., in: Kleinspehn,T.: Der flüchtige Blick..., Reinbek b. Hamburg 1989, S.279, vgl. S.289,292.

54 Zur "Musealisierung" als Modell für Weltbeobachtung: Lübbe, Herrmann: Zeit-Verhältnisse. Über die veränderte Gegenwart von Zukunft und Vergangenheit, in: Zacharias, Wolfgang (Hg.): Zeitphänomen Musealisierung. Das Verschwinden der Gegenwart und die Konstruktion der Erinnerung, Essen 1990, S.40-49. Baudrillard, Jean: Die Agonie des Realen, Berlin 1978, S.18. Jeudy, H. P.: Die Welt als Museum, Berlin 1987, S.10f.: "Aus dem Sozialen, aus dem sozialen Leben an sich werden Kulturobjekte, und sie werden es in einer Art und Weise, daß wir uns in einer endlosen, durch die Museographie aufgenötigten Spiegelung leben sehen. Diese umfassende und durch die museale Verdopplung überaus aktiv gewordene Spiegelfunktion macht sämtliche Auswirkungen entwicklungsbedingter Umbrüche unschädlich. Ein ideologischer Erfolg des ökomusealen Prozesses, der die Welt am liebsten in einen großen Spiegel des Lebens verwandeln würde...Heute wird das Ereignis von den Kommunikationstechnologien als `Echt-Zeit´ behandelt, es wird fast unmittelbar zu einem `Erinnerungseffekt´..."

55 Art & Language, in: Devolder,E.: Art & Language. Bruxelles, Galerie Isy Brachot, in: Artefactum, September-Oktober-November 1992, S.42.

56 Vgl. Boden, K.P./Geenen,A./Kampermann,J./Scheller,M.: Internet. Werkzeuge und Dienste, Berlin u.a. 1994, S.18f. über die "vereinfachte...Darstellung des komplexen Vorgangs der Datenübertragung zwischen zwei Rechnern" mittels "Schichtenmodell": "Jede Schicht bietet der ihr übergeordneten einen Dienst an und kann die Dienste der unter ihr liegenden Schicht in Anspruch nehmen, ohne ihre Funktionsweise zu kennen. Dem Anwender bleibt die Schichtung verborgen."

57 Baldwin,M./Harrison,C./Ramsden,M.: On Conceptual Art and Painting, and speaking and seeing. Three corrected Transcripts, in: Art-Language, New Series Nr.1, June 1994, S.44,48f.

58 Zu "Mono-" versus "Plurifunktionalität" von Zeichen durch eine begrenzte Vielzahl von "Zeichenfunktionen" (s. Anm.33): Holenstein,E.: Einführung. Von der Poesie und der Plurifunktionalität der Sprache, in: Jakobson,R.: Poetik. Ausgewählte Aufsätze 1921-1971, Frankfurt a.M. 1979, S.7-60; Holenstein, s. Anm.33, S.57-64; Mukarovsky,J.: Kapitel aus der Ästhetik, Frankfurt a.M. 1982, 4. Auflage, S.121ff.,133,146f.
Zur Gegenstände identifizierenden Interpretation abstrakter Bildmuster auf unscharfen Stellen in Fotografien: Eco, s. Anm.33, S.253: "Der Kontext funktioniert als Idiolekt, der Signalen, die sonst als reines Geräusch erscheinen könnten, bestimmte Codewerte zuordnet."

59 Fried,M.: Art and Objecthood (1967), neu in: Harrison,C./Wood,P. (Hg.): Art in Theory 1900-1990. An Anthology..., Oxford 41993, S.827-834.

60 Reinhardt,A. über "last painting which anyone can make": Ders.: Art-as-Art: The Selected Writings of Ad Reinhardt, New York 1975, S.13. Vgl. Kat. Ausst. Ad Reinhardt, Whitney Museum of American Art, New York 1981, S.27ff.
Thesen zur Malerei Malerei nach "Last Painting": Danto,A.: Art after The End of Art, in: Artforum, April 1993, S.62-69; Weibel,P.: Das Bild nach dem letzten Bild/The Picture after the Last Picture, in: König,K./Weibel,P.: Das Bild nach dem letzten Bild/The Picture after the Last Picture, Galerie Metropol, Wien 1991, S.183-211; Dreher,T.: Antiquiertheit der Malerei? In: Kat. Ausst. Pittura Immedia: Malerei in den 90er Jahren, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1995, S.27-35 (S.27f. über Weibel und Danto).

61 Foerster,H.v.: Über selbst-organisierende Systeme und ihre Umwelten, in: Ders.: Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke, Frankfurt a.M. 1993, S.211-232: Luhmann, s. Anm.26, S.242-248.

62 Vgl. Kat. Ausst. Donald Judd, Whitney Museum of Modern Art, New York 1988, S.105-107, Fig.72-74.

63 Kat. Ausst. Gustave Courbet, s.Anm.42, S.283f. (Kat. Nr.274), 609f.

64 Baudrillard,J.: L´échange symbolique et la mort, Paris 1976, S.288.

65 Art & Language: Blue Poles, in: Art-Language, Vol.5/Nr.5, March 1985, S.88. Zur Kritik von Art & Language an Situationisten s. Dies.: Ralph the Situationist, in: Artscribe,Nr.66, November-December 1987, S.59-62.

66 Deleuze,G./Guattari,F.: Tausend Plateaus, Berlin 1992, S.74ff. Vgl. Dreher,T.: Robert Smithson. Epistrata, in: Kritisches Lexikon zur Gegenwartskunst, München 1995. Im Unterschied zu Smithsons Geomorphismus, der Abstraktion von möglichst wenig physikalischen Eigenschaften der Außenwelt, betreiben Art & Language Stratifizierung, um zwischen allen drei Beobachterordnungen Brücken zu schlagen.

67 Holenstein, s. Anm.33, S.62: "Die dominante Funktion nimmt alle anderen Funktionen in ihren Dienst."

 


Literatur über Art & Language mit Abbildungen und Erörterungen der erwähnten Werke (2001 aktualisiert):


Monographien:

Art & Language: Catalogue Raisonné. November 1965-February 1969, Galerie Bischofberger, Zürich 1969.
Atkinson,T./Bainbridge,D./Baldwin,M./Hurrell,H./Kosuth,J.: Art & Language, Köln 1972.
Burn,I.: Dialogue: Writings in Art History, North Sydney 1991.
Harrison,C.: Essays on Art & Language, Oxford 1991.
Harrison,C./Orton,F.: A Provisional History of Art & Language, Galerie Eric Fabre, Paris 1982.
Kat. Ausst. Art & Language in Practice, Fundació Antoni Tapiès, Barcelona 1999, 2 Bde.
Kat. Ausst. Art & Language, Galerie nationale du Jeu de Paume, Paris 1993.
Kat. Ausst. Art & Language, Ikon Gallery, Birmingham 1983.
Kat. Ausst. Art & Language, Musée de Toulon 1982.
Kat. Ausst. Art & Language, Stedelijk van Abbemuseum, Eindhoven 1980.
Kat. Ausst. Art & Language: Confessions: Incidents in a Museum, Lisson Gallery, London 1986.
Kat. Ausst. Art & Language: Hostages, Lisson Gallery, London 1988.
Kat. Ausst. Art & Language: Hostages XXV-LXXVI, Lisson Gallery, London 1991.
Kat. Ausst. Art & Language: Index: Studio at 3 Wesley Place Painted by Mouth, de Vleeshal, Middelburg 1982.
Kat. Ausst. Art & Language: Les Peintures, Palais des Beaux-Arts, Brüssel 1987.
Kat. Ausst. Art & Language 1966-1975, Museum of Modern Art, Oxford 1975.
Kat. Ausst. Art & Language 1975-78, Galerie Eric Fabre, Paris 1978.
Kat. Ausst. Art & Language: Now they are, Galerie Isy Brachot, Brüssel 1992.
Kat. Ausst. Art & Language: Proceedings I-VI, Kunstmuseum Luzern 1974.
Kat. Ausst. Ian Burn: Minimal Conceptual Work 1965-70, Art Gallery of Western Australia, Perth Cultural Centre, Perth 1992.


Artikel über Art & Language und Interviews:

Art & Language: Antworten auf Fragen von Tom Holert, in: Texte zur Kunst, Nr.12, November 1993, S.78-93.
Batchelor,D.: The Archaeology of Surf. Notes on Recent Paintings by Art & Language, in: Artscribe, No.85, S.71-74.
Batchelor,D.: Art & Language. What Painting Means. Interviews with Michael Baldwin and Mel Ramsden, in: Art Press, S.12-20,E1-E8.
Batchelor,D./Wood,P.: Realism. Art & Language, Paintings 1984-1987, S.60-64.
Baudson,M.: Art-Language. Incidents au musée, in: Art Press, No.114, Mai 1987, S.10-15.
Devolder,E.: Art & Language. Bruxelles, Galerie Isy Brachot, in: Artefactum, September-Oktober 1992, S.42 [mit Interview].
Dreher,T.: Art & Language: Art as a Series of Festivals or Art as a Project of Work, in: Artefactum, April-May 1989, S.2-5, 53f. (engl. Übers.).
Dreher,T.: Index: Incidents in a Museum, 1985-87, in: Kunst + Unterricht, Heft 138, Dezember 1989, S.51-54.
Harrison,C.: Art & Language: Thoughts in the Black Museum, in: Leeuw,R. de/Beer,E. (Hg.): L´Exposition imaginaire: The art of exhibiting in the eighties, S.72-95.
Harrison,C.: Some other Sense. On Hostage: Incident and People´s Flag, in: Artscribe, No.76, Summer 1989, S.64-67.
Harrison,C.:Art&Language Paints a Landscape, in: Critical Inquiry, No. 21, Spring 1995, S. 611-639.
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Kat. Ausst. Art Conceptuel I, capc Musée d´art contemporain de Bordeaux 1988, S.18-21,39-52
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Kat. Ausst. Kontext Kunst, Trigon ´93, steirischer herbst ´93, Neue Galerie im Landesmuseum Joanneum/Künstlerhaus in der Fabrik Lastenstraße 11, Graz 1993/Köln 1994, S.91-97,99.
Kat. Ausst. Kunst in Europa na ´68, Europalia 80, Museum van Hedendaagse Kunst, Gent 1980, S.46-51,173.
Kat. Ausst. L´architecture est absent: works from the collection of Annick and Anton Herbert, Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven 1984, S.64-67.
Kat. Ausst. L´art conceptuel: une perspective, Musée d´Art moderne de la Ville de Paris 1989, S.25,55-64,100-111, u.a.
Kat. Ausst. Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart 1997, S.XV,138,149,213,218f.,262,272.
Kat. Ausst. Pittura Immedia. Malerei in den 90er Jahren, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1995, S.22f.,48f.
Kat. Ausst. Reconsidering the Object of Art 1965-1975, Museum of Contemporary Art, Los Angeles/California 1995, S.56f.,294,296,299,311,323, u.a.
Kat. Ausst. Sviluppi Alternative: Arte Inglese Oggi 1960-1976, Palazzo Reale, Mailand 1976, Bd.2, S.352-359.
Kat. Ausst. The New Art, Hayward Gallery, London 1972, S.14-20,69-73.
Kat. Ausst. Watch your language..., Whitworth Art Gallery, University of Manchester 1985, S.18f.
Lippard,L.: The dematerialization of the art object from 1966 to 1972, New York 1973, S.21, 35,43f.,146-152,237ff.
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Scheer,T.: Postmoderne als kritisches Konzept. Die Konkurrenz der Paradigmen in der Kunst seit 1960, München 1992, S.154f.,162-167,169ff.

Ich danke Michael Baldwin, Philip Pilkington und Mel Ramsden sowie Gerd De Vries und Paul Maenz für wichtige Informationen.

(Vortrag, Symposium "Art & Language & Luhmann", Kunstraum Wien, 26.1.1995. Mit einigen Abbildungen publiziert in: Institut für soziale Gegenwartsfragen, Freiburg i. Br./Kunstraum Wien (Hg.): Art & Language & Luhmann. Passagen Verlag. Wien 1997, ISBN 3-85165-272-X, S.41-84, Literaturliste aktualisiert, Text 2014 geringfügig modifiziert)