Thomas Dreher Aktionstheater als Provokation: groteske Körperkonzeption im Aktionstheater Die Wiener Aktionisten provozierten in den sechziger Jahren mit Aktionen, die etablierte Körperkonzeptionen radikal in Frage stellten. Von Religion und Tabus der österreichischen Nachkriegsgesellschaft geprägte Auffassungen wurden parodiert und mit Alternativen konfrontiert. Die Mittel dieser „Dialogizität“ 1 zwischen Etabliertem und Kritik waren nicht selten blasphemische. In der „grotesken Körperkonzeption“2 waren sozialisierte Einstellungen von unten, das Erhöhte hinabziehend, thematisier- und kritisierbar. Michael Michajlovic Bachtin erkannte darin die Grundlage einer „Karnevalisierung“3, die zur Kritik herrschender Machtstrukturen eingesetzt wurde. Durch Transformation und Transgression sozialer Codes wurden die Strukturen in Frage gestellt, die diese Codes trugen. Mit Bachtin lässt sich der Wiener Aktionismus dort fassen, wo Rückgriffe auf Brauchtum, Rituale und Religion die Entwicklung einer provokativen Form des Aktionstheaters beschleunigten. Weder die Notation von Redetext noch die Darstellung einer Rolle sind Voraussetzungen des Aktionstheaters, sondern die Körperaktion – in Kurzform: Aktionen statt Rollenspiel. Die Einfühlung in die ästhetische Illusion des Rollenspiels lösen `ansteckende´, die Körpererfahrungen und -vorstellungen der ZuschauerInnen aktivierende Aktionen von TeilnehmerInnen ab: ZuschauerInnen kombinieren zum Beispiel vorgeführte Verletzungen der Haut mit Schmerzempfindungen.4 Zeitgleiche Entwicklungen der Performance Art wie die Öffnung zur Aktionsumgebung und zur Teilnahme des Publikums (“Environmental Theater“ und “`Participation´ Happening“)5 sind bei den Wiener Aktionisten wenn, dann im Hinblick auf die Organisation der nichtmimetischen Körperaktion relevant: Hier gelangen ihnen provozierende und faszinierende Aktionen. Die Provokation lässt sich ohne die Konfrontation von ZuschauerInnen mit Aktionen von TeilnehmerInnen nicht realisieren. Entscheidend für die Entwicklung eigener Aktionsformen waren bei Günter Brus, Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler Auseinandersetzungen mit der Malerei des Informel und den Aufführungen der Wiener Gruppe (1952-64) mit ihren sowohl kabarettistischen als auch experimentellen Vortrags- und Aktionsformen. Informel, ab 1960 Die europäische Malerei des Informel greift nach dem Krieg Tendenzen des „abstrakten Expressionismus“6 der Vorkriegszeit auf. Wenn der Malprozess öffentlich vorgeführt wird, kommt der Ausarbeitung in der Zeitdimension eine neue Bedeutung vor den Malspuren zu. Diese Aktionsmalerei wird zugleich Vorstufe und Bestandteil des Wiener Aktionismus.
Hans Namuth: Jackson Pollock malt Autumn Rhythm: Number 30, Atelier, The Springs, East Hampton, Long Island, s/w-Fotos, 1950 (an der Wand: Number 32, 1950). Georges Mathieu führte seit 1956 öffentlich den Malprozess vor. Seit 1952 ließ er sich beim Malen fotografieren, wie vor ihm Jackson Pollock, den Hans Namuth 1950 beim Dripping fotografierte und filmte.7 1959 realisierte Mathieu in „Die Huldigung an den Contenable von Bourbon (Urheber der Plünderung von Rom)“ im Wiener Theater am Fleischmarkt eine seiner kalligraphisch orientierten Linienkonfigurationen. Er trug Farbe aus Tuben, mit der Kanne oder mit großen Pinseln auf der zuerst liegenden, dann hoch gestellten Leinwand in kurzer Zeit auf und verteilte sie mit Handtuch und Benzin. Die Konfigurationen variierten mit ihren Figur-Grund-Relationen ein klassisches Kompositionsproblem der Malerei, das Jackson Pollock seit 1947 mit seinen Dripping-Spuren auf am Boden liegenden Leinwänden in einen die ganze Bildfläche überziehenden Rhythmus aufzulösen versuchte.
Georges Mathieu: Die Huldigung an den Contenable von Bourbon/Hommage au Connétable de Bourbon, Urheber der Plünderung von Rom, Öl/Leinwand, Wien, Theater am Fleischmarkt, 2.4.1959. In: Neuer Kurier. 11.4.1959.
Georges Mathieu: Hommage au Connétable de Bourbon, Öl/Leinwand, 2.4.1959. Sammlung des Künstlers. Vor Mathieu trat der Wiener Künstler Markus Prachensky auf: Er ließ rote Farbe über drei aufrecht stehende Leinwände laufen.8 Pollocks “Dripping“-Prozess ersetzte Prachensky durch die Schwerkraft der über die vertikal stehenden Träger abrinnenden Farbe: Die aufrechten Träger wurden nicht – wie von Mathieu – mit dem Ziel bearbeitet, um Chiffrenkonfigurationen zu erhalten, sondern um Prozesse auf allen Bereichen der Träger auszulösen, die der Künstler nach dem Start der Farbschüttungen nicht mehr beeinflusst: Das Verhalten von Farbe unter Bedingungen der Schwerkraft auf vertikalen Trägern führte zu Farbspuren, deren Breite und Verlauf nur durch die Farbmenge beeinflusst werden konnte, die am oberen Bildrand freigesetzt wurde. Prachenksy startete Schüttprozesse über die ganze Länge des Bildträgers und schuf einen die Bildfläche füllenden Rhythmus aus vertikalen Spuren rinnender Farbe.
Markus Prachensky: Peinture liquide, rote fließende Farbe/drei Leinwände, Theater am Fleischmarkt, Wien, 2.4.1959. Hermann Nitsch entwickelt in seinen Schüttbildern aus Prachenskys Aktionsmalerei ab 1960 „Malaktionen“.9 Schüttaktionen und Schüttbilder werden ab 1962 zu Bestandteilen von Nitschs Aktionstheater: Prachenskys Reduktion auf weißen Grund mit roter Farbe folgt Nitsch und fügt Blut hinzu, das in Aktionen mit Kadavern eingesetzt wird (s. Kap. Kadaver). Das getrocknete Blut hinterlässt hellbraune Spuren auf den Trägern (meist Jute) und die rote Farbe wird unterschiedlich stark mit Wasser verdünnt. Die Schüttaktionen werden mit Pinsel und Schwämmen gestartet, die verschieden hoch angesetzt werden und seitlich ausspritzen.
Hermann Nitsch: Blutorgelbild, Blut, Dispersion, Schlämmkreide/Jute, Resultat der 7. Malaktion, Atelier Otto Mühl, Wien, Perinetgasse 1, Juni 1962. 1960 entstehen auch Bilder aus Wachs in verschiedenen Rottönen, das erhitzt auf Träger aufgebracht wird.10 Auf einige Bilder von 1960 schreibt Nitsch Fragmente seines späteren Aktionsprogramms und Zitate aus dafür entscheidenden Quellen. Hermann Nitsch: Wachsbild, 1960, Wachs und Farbe/Leinwand, 108 x 83 cm, Archiv Sohm (Unten: Ausschnitt, links oben). Ein „Wachsbild“ von 1960 präsentiert in der oberen Bildzone Opfergesetze zur „Darbringung des Rindopfers, Geflügelbrandopfers und unblutigen Speiseopfers“, welche die ersten beiden Kapitel des „Liber Leviticus“ (Bibel, Altes Testament, 3. Buch Mose) als Anweisungen für den Priesterdienst aufführen.11 Das kalt gewordene Wachs wird zum Träger von Anleitungen für (Brand-)Opferhandlungen, in denen unter bestimmten, vorgeschriebenen Bedingungen getötet wird. Während das Wachs einen vergangenen Prozess dokumentiert, verweisen die Worte auf ausführbare Handlungen. Wachs und Aufschrift stehen für Prozesse zwischen Leben und Tod, die den Opfervorschriften folgend auf bestimmte Weise in Riten be- und verarbeitet werden. Im Wechselverhältnis zwischen Aggressionstrieb und Verarbeitung des Tötungstabus sieht Nitsch in seiner Theorie des „Orgien Mysterien Theaters“ eine soziale, aber verdrängte Relevanz der Kulte. Menschenopfer werden in Nitschs „Orgien Mysterien Theater“ durch Tieropfer ersetzt.12 Das „Wachsbild“ im Archiv Sohm kündigt diese (unten weiter ausgeführten) Zusammenhänge bereits an. Polyzentrische Kompositionsweisen, die De- und Refiguration in verschiedenen Zonen einer Fläche und die Textur der Malmaterie sind in Werken von Künstlern wie Jean Dubuffet, Asger Jorn, Hans Bischoffshausen und Bernhard Schultze bildbestimmend. Links oben: Jean Dubuffet: Ties and
Whys: Landscape with Figures, 1952, Tusche/Papier. Anfang der sechziger Jahre reagieren die späteren Wiener Aktionisten auf diese Tendenzen: Einige von Günter Brus´ Zeichnungen von 1960-62 zeigen polyzentrische Verdichtungen schwarzer Figurationen13, während seine großformatigen Gemälde von 196314 dicke weiße und schwarze Farbmaterie in Konstellationen präsentieren, die als Ausschnitte oder Vergrößerungen aus nicht-darstellenden Figurationen lesbar sind. Aus der dicken Farbmaterie und der Reduktion auf Weiß und Schwarz entwickelt Brus seine ersten Aktionen mit Körperbemalung und Farbschleim.
Günter Brus: ohne Titel, 1963, Dispersion/Molino, 198 x 467 cm, Sammlung Hummel.
Otto Mühl: Materialbild (mit Sardinendose), 1961-62, Mischtechnik/Hartfaserplatte, Sammlung Friedrichshof (Rechts: horizontale Präsentation unter Plexiglas). Otto Mühl entwickelt 1961/62 aus der Textur der Malmaterie im Informel Reliefs aus Stoffen und Fundstücken, die in getrockneten, hart gewordenen Materialien fixiert sind. Zudem durchstößt er 1962/63 den Träger.15 Die rechteckige Bildbegrenzung wird aufgehoben und die Bildfläche in den Raum nach vorne ins Dreidimensionale und nach hinten zur Wand mittels Durchbrüchen erweitert. Den Ausbruch aus der Malfläche durch die Expansion in den Raum holt Mühl nach: Erweiterungen vom Zwei- zum Dreidimensionalen haben amerikanische Künstler sowohl in New York als auch im Umkreis der kalifornischen Assemblage Art und in Europa, vom Informel kommend, unter anderem Alberto Burri, Manolo Millares, Emilio Vedova, Bernhard Schultze und Mitglieder der Gruppe Zero, bereits vollzogen.16 Mit Beschüttungen durch Farbe, Farbpulver und Anderem treibt Mühl die Expansion vom Zwei- zum Dreidimensionalen weiter in die Zeitdimension. In seinen „Materialaktionen“ mit Beschüttungen passiver Akteure setzt er ab 1963 „weiche Materialien“17 ein: Die Produktion ephemerer Konstellationen an und mit Menschen ersetzt die Arbeit auf und durch Träger.
Links: Manolo Millares: Cuadro 61, 1959, Öl und andere Materialien/Sackleinwand. Rudolf Schwarzkogler greift 1961-63 europäische Entwicklungen auf, die das Gestische des Informel in die Thematisierung des Bildkörpers als bearbeitbaren Träger überführen: Yves Kleins blaue Monochrome (ab 1955) und Lucio Fontanas weiße „Concetti Spaziali“ (ab 1949) liefern Vorlagen für ein monochrom blaues und ein monochrom weißes Bild. Schließlich werden Weiß und Blau in den Fotodokumenten von Schwarzkoglers „1. Aktion HOCHZEIT“ (1965) zu den dominierenden Farben (s. Kap. Rasierklinge).18
Links: Yves Klein: Monochrome bleu sans titre (IKB 175), 1957, (vom Künstler kombinierte) Puderfarbe mit Bindemittel auf Leinwand/ Sperrholz.
Links: Lucio Fontana: Concetto Spaciale, 49-b3, 1949, perforiertes Papier/Leinwand. Trotz der aufgewiesenen Kontinuitäten zwischen frühen Bildern und ersten Aktionen vollziehen die erwähnten Wiener Künstler in ihren Wegen aus der Malerei Entwicklungssprünge und werden eigenständig. Kadaver, ab 1962 (Nitsch, Mühl) Mit dem Manifest und der Veranstaltung „Die Blutorgel“19 lenken Adolf Frohner, Hermann Nitsch und Otto Mühl die Aufmerksamkeit der Wiener Kunstszene auf ihre Überschreitungen des Informel, in denen sich der Wiener Aktionismus ankündigt.
Links: Otto Mühl: Gerümpelskulpturen, Blutorgel, Wien, Perinetkeller, Die drei Künstler mauern sich am 1. Juni 1962 im Keller in der Perinetgasse 1 (Wien, 20. Bezirk) ein. Bis 4. Juni arbeiten sie abgeschieden von der Umwelt. Frohner und Mühl installieren Skulpturen aus Altwaren, die sie vor der Einmauerung in den Keller brachten.20 Nitsch schafft in der „7. Malaktion“ das 190 x 900 cm große „blutorgelbild“ mit vertikalen Rinnspuren und seitlich ausgreifenden, in Bögen nach unten auslaufenden Farbspritzern, die der Farbauftrag mit Pinsel und Schwamm auf dem vertikal gestellten Träger hinterlässt. Der Schwamm wird abwechselnd in „rote farbe, wasser oder farbwasser“ getaucht.21
Hermann Nitsch: Blutorgelbild (Ausschnitt), Blut, Dispersion, Schlämmkreide/Jute, Resultat der 7. Malaktion, Atelier Otto Mühl, Wien, Perinetgasse 1, Juni 1962. Am letzten Tag bringt Nitsch ein gehäutetes Lamm, Eingeweide und Blut durch die Hintertür in den Keller. Der Kadaver wird an eine mit weißem Stoff bespannte Wand genagelt. Das Lamm wird mit dem Kopf nach unten so befestigt, dass es an ein gekreuzigtes Opfer erinnert. Den Kadaver bearbeiten Frohner, Mühl und Nitsch. Letzterer schlägt „mit einer Klampfe“ auf das Schaf und „spaltet[...] mit einem Beil das Hirn“.22 Der Kadaver fällt auf den Boden, wo ihn die drei `Eingemauerten´ bearbeiten. Dann wird das Lamm auf das Fell genagelt und mit Blut beschüttet. Der Kadaver hängt mit dem Kopf nach unten über einem Sessel. Auf dem mit einem weißen Tuch bedeckten Sessel liegen „blutige innereien und gedärme“, die „mit blut und heissem wasser beschüttet“23 werden. Auch das Schüttbild wird im von Mühl geschilderten Aktionsfuror mit Blut bespritzt. Am Abend, nach der Lammzerreißung, findet die „Ausmauerung“ statt. Die Mauer wird von ZuschauerInnen eingerissen und das Resultat der Aktivitäten der letzten vier Tage gezeigt: Mühls und Frohners Materialmontagen sind für die Kleidung der BesucherInnen nicht ungefährlich. Die Relikte der Lammerzerreißung fallen durch ihren starken Geruch auf. Das Fell des zerrissenen Lamms hängt an einer Wand und Eingeweide liegen auf weißen, mit Blut bespritzten Stoffen.24 Von Nitsch und Mühl wird die Kreuzigung und Zerreissung des Lammkadavers Juni 1963 im „Fest des psychophysischen Naturalismus“ am selben Ort öffentlich vorgeführt. Den Sessel ersetzt ein Bett. Nitsch ist als mit Eingeweiden belegter und mit Blut beschütteter Teilnehmer ein – noch aktiver – Vorläufer seiner späteren „passiven akteure“, die mit verbundenen Augen an Holzkreuze gefesselt werden. Im Bett liegend, teilweise mit Kissen bedeckt, legt er Eingeweide auf sich und lässt sich von Mühl mit Eingeweiden, Blut und Farbe bearbeiten.
Hermann Nitsch: 3. Aktion, Fest des psychophysischen Naturalismus, Wien, Perinetgasse 1, 28.6.1963. Fotos: Ludwig Hoffenreich. Der an einem Seil mit Fleischerhaken hängende Lammkadaver wird mit einem Mauerhaken geschlagen, abgerissen, gekreuzigt, und wieder abgenommen, nochmals geschlagen und gerissen. Der abgenommene Kadaver wird immer wieder an den Füßen hoch gehalten, mit Blut beschüttet, mit heißem Wasser gewaschen und zertrampelt. Die Aktion wird von Anestis Logothetis´ Tonbandkomposition mit Geräuschaufnahmen begleitet. Mühl berichtet, dass der Komponist ihn und Frohner bei der Arbeit mit Gerümpel aufnahm. Nach Nitsch allerdings entstanden die Geräusche durch Hammerschläge auf die Saiten einer Harfe. Diese Geräusche sowie die Folge von Beschüttungen und exzessiven Misshandlungen des Kadavers erzeugen eine Dynamik, die nach Nitsch den „abstieg ins unbewusste [...] ausdrucksstark“ umsetzt. Da PassantInnen zu jeder Zeit Zugang zum Keller haben, hätte das Fest genehmigt werden müssen. Die Polizei löst die Veranstaltung auf. Mühl und Nitsch werden 14 Tage in Arrest gehalten.25 Durch den Abbruch des Festes kann Mühl die „Versumpfung einer Venus“ nicht mehr ausführen. Sie wird im September 1963 in privatem Rahmen zum ersten Mal realisiert.26 In Nitschs „3. Aktion“ erinnert der gekreuzigte Lammkadaver an den Tod Christi. Nach Nitschs Theorie des „Orgien Mysterien Theaters“ ersetzt Christus am Kreuz die Rolle der Opfertiere in vorchristlichen Ritualen. Stellvertretend für die Menschheit übernimmt Christus das Opfer für die Erbsünde. Nitsch beschreibt die Kreuzigung Christi in seiner religionsgeschichtlichen Perspektive:
In der Theorie des „Orgien Mysterien Theaters“ dient Nitsch der religionsgeschichtliche Weg zurück als Korrektiv von religiös bedingten sozialhistorischen Entwicklungen. Mit dem Zusammenhang von Kult und Opfer geht im Christentum auch die Verbindung zwischen Ritual und Tötung verloren. Durch Schlachthöfe sind Blut und Tiertötung im Alltag nicht mehr wahrnehmbar. Diese religiösen und sozialen Ausgrenzungen verkürzen nicht nur die persönliche Erlebnisfähigkeit28, sie erleichtern es auch, den Anteil der Aggression an Zivilisationsprozessen zu verkennen. Nach Nitschs Zivilisationskritik wird im Christentum mit dem Tieropfer auch die Erinnerung an dessen Notwendigkeit – nach den von Sigmund Freud in „Totem und Tabu“ analysierten Zusammenhängen – aus der Lebenswelt verdrängt. Das verdeckt die Notwendigkeit der „Katharsis“ als psychische Entlastung vom Todestrieb.29 Der Exzeß der Lammzerreißung wird von Aktricen und Akteuren stellvertretend für die ZuschauerInnen ausgeführt, die ihn miterleben und sich emotional mitreißen lassen sollen. Im Manifest zur „Blutorgel“ bezeichnet Nitsch das „abreaktionsbedürfnis“ als „dionysisch“. Das antike dionysische Ritual endet mit der Zerreißung des den Gott Dionysos symbolisierenden Stieres, worauf Nitsch 1964 in seinem „MANIFEST das lamm“ hinweist.30 Nitschs Version von Friedrich Nietzsches „Die Geburt der Tragödie“ (1872/86) aus dem Geiste des „Dionysischen“ führt Andacht und orgiastische Abreaktion zusammen. So schreibt der Künstler in „Die Blutorgel“ über sein Aktionstheater: „Die blasphemische herausforderung ist andacht.“ Die vom „Dionysischen“ geprägte „herausforderung“ wendet sich gegen die Verdrängung des Todestriebs im Christentum. Die Gefahr der Wiederkehr des Verdrängten soll durch das Abtauchen ins „Dionysische“ gebannt werden. Die „reinigungs- und abreaktionsfeier“ seiner Aktionen beschreibt Nitsch als Voraussetzung, „eine ablösung im viehischen“ und „eine steigerung in richtung zum apollinischen“ zu erreichen.31 Die etablierte Körperkonzeption wird von Nitsch mittels „blasphemische[r] mythenschändung“32 kritisiert und die Verdrängung entlarvt. Karnevalistische Traditionen im Christentum liefern Nitsch ebenso wie Bachtin in seiner Theorie der „grotesken Körperkonzeption“ eine Brücke zu Traditionen der Verspottung. Die Verspottung des Heiligen wurde für begrenzte Zeit zum Karneval in Kirchen zugelassen. Nitsch erkennt im Karneval eine Integration vorchristlicher Rituale ins Christentum, die er im „Orgien Mysterien Theater“ in eine Freilegung der Wurzeln der christlichen Religion in vorchristlichen Kulten wenden will. Nitsch transformiert das zugelassene Vorchristliche an einem Tag des katholischen Jahreskalenders in eine „rituelle orgie“33, die Charakteristika von „fest, drama“ und „liturgie“ verknüpft.34 Im „Orgien Mysterien Theater“ wird jedoch nicht das Ausgeschlossene in den Katholizismus reintegriert, sondern mit dem Katholizismus wird die von ihm geprägte Kultur „karnevalisiert“ – das ist „die blasphemische herausforderung“. „Gewalttaten und Blasphemien“ sind – so Mühl in seinem Beitrag zur „Blutorgel“ – Mittel gegen „Ordnungen, die durch keine Realität mehr gedeckt sind“: „Scharlatanerie, Obszönität, Senkgrubenästhetik sind die moralischen Mittel gegen Konformismus, Materialismus und Dummheit.“35 Mühl zeigt in der vor Freunden und Fotograf Ludwig Hoffenreich ausgeführten “Versumpfung einer Venus“, wie sich eine passive nackte Teilnehmerin mit in Farbe getauchten Tüchern, Schnüren und weichen sowie flüssigen Materialien bis zur Unkenntlichkeit verfremden lässt: Die Teilnehmerin wird zum Opfer des Beschütters und Verschnürers, der sich auslebt. Er lässt auf visueller Ebene erkennen, wie weit er gehen kann.
Links: Otto Mühl: Materialaktion Nr.1: Versumpfung eines weiblichen Körpers Versumpfung einer Venus, Atelier Muehl, Wien, Obere Augartenstraße 14A, September 1963. Fotos: Ludwig Hoffenreich. In Mühls „Materialaktion Nr.8“36 ist von einer Teilnehmerin nur der durch ein Loch in einer Tischplatte gesteckte Kopf zu sehen. Diese Fragmentierung des Körpers ist zwar nur eine Inszenierte, sie wird aber komplementiert durch einen Schweinekopf, der auf der Tischplatte liegt. Unterschiede zwischen menschlichem Kopf und abgetrenntem Kadaverteil auf der Tischplatte hebt Mühl durch Gleichbehandlung auf: Alle Teile werden mit Lebensmitteln und Farbpulver beschüttet und beide Köpfe werden verschnürt. Mühl wickelt transparente Plastikfolie nicht nur um den Kopf der Teilnehmerin, sondern auch um einen Ballon. Er bläst den mit der Aktrice verbundenen Ballon auf. Der menschliche Kopf wird als Objekt unter Anderen behandelt und ist für den Akteur (fast) so verfügbar wie die leblosen Objekte auf der Tischplatte. Zerhackt wird allerdings nur der Kadaver. Die Blasphemie der Beinahe-Gleichbehandlung von Tier, Objekt und Mensch parodiert etablierte Körperkonzeptionen. Das groteske Herabwürdigen von Menschlichem auf Materielles und Animalisches soll zur Rückkehr zum Triebbedingten im Menschlichen als Ausgangspunkt für eine neue Körperkonzeption führen. Rasierklingen, ab 1964 Günter Brus reduziert 1964-65 in seinen frühen Performances die Akteure und die Umgebung durch Bemalung auf die Farbe Weiß. Von der ersten Aktion „Ana“ mit seiner Frau Anni37 zeigen die Foto- und Filmdokumente Personen, Fahrrad und andere Objekte im Atelier von Otto Mühl in Weiß. Schwarze Farbe wurde von Brus auf Boden, Wände, Objekte und Anni getropft und gestrichen. Brus bewegt sich zwischen Aktionsmalerei und Körperkunst.
Günter Brus: Ana (mit Anni Brus), Atelier Mühl, Wien, Obere Augartenstraße 14a, Oktober/November 1964. Fotos: Otto Mühl (Archiv Sohm, Fotos außen), Siegfried Klein (Sammlung Hummel, Foto im Zentrum). In den darauf folgenden, fotografisch und filmisch dokumentierten Aktionen „Selbstbemalung“ und Selbstverstümmelung“38 setzt Brus mit Rasierklingen, Reißzwecken, Nägel, Bauklammern und Scheren in einer weißen, schleimigen Umgebung graue und schwarze Akzente. Der Künstler erscheint mit weiß bemalter Kleidung und weiß bemaltem Gesicht. In der von Kurt Kren in Einzelbildschaltung mit längeren Einstellungen gefilmten „Selbstverstümmelung“ nimmt er den Schleim in den Mund. Er versucht, sich die Augen mit der Schere und anderem offen zu halten, während der Schleim auf den Augenlidern dagegen drückt. Diese Operationen mit spitzen Gegenständen in Augennähe sowie die Bauklammern und Reißzwecken neben und auf dem Körper deuten Selbstverletzungen an: Von den schmerzhaft wirkenden, wie vom Schleim erdrückten langsamen Aktionen zur Selbstverletzung scheint es nur ein Schritt zu sein.
Links: Günter Brus: Selbstbemalung I, Atelier Sailer, Wien, Opernring, 1964. Fotos: Ludwig Hoffenreich. Die schwarze Linie auf weißem Körper in „Selbstbemalung“ und „Selbstverstümmelung“ setzt Brus 1965 im „Wiener Spaziergang“39 erneut ein: Kopf, Hände, Anzug und Schuhe sind weiß bemalt, während eine schwarze Linie vertikal vom Kopf über das rechte Bein zum rechten Fuß führt. Sie teilt den Körper und provoziert die Vorstellung, dass hier eine psychische Spaltung in der physischen Einheit des Körpers durch optische Zweiteilung ausgedrückt wird.
Im Wiener Stadtraum reicht in den sechziger Jahren der Auftritt in Bemalung, um wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt zu werden. Brus wird bereits zum zweiten Mal wegen dieses Vergehens verurteilt, dieses Mal zu einer Geldstrafe von 80 Schilling oder 12 Stunden Haft.40 Rudolf Schwarzkogler führt seine „1. Aktion HOCHZEIT“ mit Anni Brus im Februar 1965 in Heinz Cibulkas Wohnung vor drei Fotografen und Freunden vor.41 Schwarzkogler setzt die Farben Blau und Weiß als dominanten Farbklang in Requisiten und Kleidung ein. Davon setzen sich auf schwarzen Unterlagen ausgestellte Fischkadaver und Hirne in verschiedenen Rottönen ab.
Links: Rudolf Schwarzkogler: 1. Aktion HOCHZEIT, Wohnung Heinz Cibulka, Wien, Kaiserstraße, 6.2.1965. Foto: W. Kindler. In bis 1966 folgenden vier, ebenfalls privat für FotografInnen ausgeführten Aktionen entstehen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Sie zeigen Akteure in weißen Mullbinden auf und vor weißem Grund. In der zweiten bis vierten und sechsten Aktion42 werden weiße Pakete, Medizinbälle und Huhnkadaver mit hell- oder dunkelgrau bis schwarz erscheinenden Elementen ausgelegt: Kabel, Rasierklingen, Hörrohr, Fischkadaver, eine quadratische Platte und andere Objekte werden in dominant weißen Situationen eingesetzt. Fotografien von Franziska Cibulka, Michael Epp und Ludwig Hoffenreich schildern keinen Handlungsablauf, sondern Arrangements bilden assoziationsreiche Tableaus. Rasierklingen und Scheren weisen auf Verletzungen, Hörrohre auf das Prüfen des Herzschlags und Mullbinden auf Heilprozesse. Die Rasierklingen liegen auch auf dem mit Mullbinden eingewickelten Akteur aus. Die Klingen liegen auf dem Körper und stehen durch die Verpackung des gesamten Akteurs mit Binden in keinem direkten Zusammenhang mit verletzbarer Haut.
Rudolf Schwarzkogler: 3. Aktion „o.T.“, Wohnung Heinz Cibulka, Wien, Kaiserstraße, Sommer 1965. Fotos: Ludwig Hoffenreich. In der 3. Aktion wird eine Rasierklinge eingesetzt, um das Maul eines Fischkadavers aufzuhalten.43 Der Fischkopf ist wie ein Penisaufsatz platziert und provoziert mit Rasierklingen Assoziationen an Verletzungen des Geschlechtsteils. Zugleich werden Objekte, Körper- und Tierteile in poetischer Weise kombiniert. Die Provokation von Kastrationsvorstellungen wird nicht forciert.
Links: Günter Brus: Der helle Wahnsinn Die Architektur des hellen Wahnsinns, Reiff-Museum, Foyer, Aachen, 6.2.1968. Foto: Henning Wolters. Bei Brus wecken ausliegende Rasierklingen im Kontext des Einsatzes von Schere, Bauklammern und Nägeln Vorstellungen von Verletzungen, die sich der Akteur zufügen kann: Der Gebrauch von Rasierklingen erscheint in „Selbstverstümmelung“ als mögliche nächste Stufe der bereits gegen den Körper gerichteten Aktionen mit Schere und Bauklammern. Der Akteur wird zur Kunstfigur, die an und mit dem Farbschleim ihr Verhältnis zur Welt bildhaft-theatralisch vorstellt. 1968-70 setzt Brus Rasierklingen in „Körperanalysen“ ein, um an Oberschenkel, Brust und Kopf seine Haut zu ritzen und Blut hervorquellen zu lassen. Der Künstler testet Ekel- und Schmerzgrenzen am eigenen Körper durch Schnitte und das Trinken von Urin (s. Kap. Destruktion und Revolte). Brus begibt sich an und unter die eigenen Körperschwellen. Er tauscht die Rolle, die sich Künstler als Priester zuschreiben, mit der Exponierung des eigenen Körpers als Mittel wie als Ziel von Aktionen. Während Nitsch seit den siebziger Jahren in Aktionen vor und zwischen weiß bekleidete TeilnehmerInnen in schwarzem Gewand wie ein Priester erscheint44, setzt Brus seinen Körper ein, ohne Distanz zum Aktionsverlauf einnehmen zu können: Er kann nicht zeitweilig als Zuschauer zurücktreten. Aus den von Künstlern – von Albrecht Dürer bis Oskar Kokoschka – in Selbstporträts eingenommenen, Christusbildern entlehnten Zeige Deine Wunde-Posen45 entwickelt Brus durch Selbstverletzung den erlernte und verinnerlichte Körperkonzeptionen überschreitenden “Transformer“, der zum Leitmotiv der Body Art wird.46
Oskar Kokoschka: Selbstporträt (Plakatentwurf für „Der Sturm“), 1910, Öl/Leinwand. Destruktion und Revolte, 1966-68 Günter Brus, Kurt Kren, Otto Mühl, Hermann Nitsch und Peter Weibel werden 1966 zum “Destruction in Art Symposium“ (DIAS) in London eingeladen. Die Wiener Aktionisten können sich zum ersten Mal in einem internationalen Rahmen vorstellen. Sie tun dies in London so ausführlich, wie sie dies in Österreich noch nicht getan haben. Günter Brus und Otto Mühl zeigen bereits an dem zweiten der für Vorträge vorgesehenen drei Tage von DIAS (10.9.1966) im Africa Center ihre Auffassung von Körpermotorik als Basismaterial für Aktions- und Destruktionskunst. Nach Peter Weibels Vortrag über “Film, Division of Labor and Direct Art“ stört Mühl Juan Hidalgos Lesung von Teilen eines Reiseführers. Aus der Lesung werden durch Mühls Manipulationen an Hidalgos Gesicht „Mundgeräusche“.47 Mühl löst die Rede auf in Körperaktionen, die Laute erzeugen.
Juan Hidalgo/Otto Mühl: Translation – Action for Two Voices, DIAS, Africa Center, London, 38 King Street, 10.9.1966. Foto: Hanns Sohm. Brus führt die Auflösung von Text in Körperaktion nach Mühl in “Head Destruction“ erneut und anders vor: Er liest einen Text von einem kleinen Zettel ab, stottert zunehmend, bis er das Papier in den Mund steckt, kaut und verschluckt. Zuerst löst Brus die Rede auf in von Körpermotorik geleitete Lautproduktion, dann zerstört er mit dem Geschriebenen die Sprache als Vorlage der Rede. Im zweiten Teil seines Vortrages bewegt er seinen Kopf zunehmend schneller und heftiger auf und ab gegen einen mit Papier gefüllten Sack, der auf einem Tisch liegt – bis er den Kopf schnell und heftig auf den Sack treffen lässt. Der Papiersack zerbricht und der Akteur lässt sich, einen Schrei ausstoßend, nach hinten fallen.48 Der im Agieren Widerstände erfahrende Körper wird der Auflage der Veranstalter entgegen gesetzt, Reflexionen über Prozesse und Aktionen vorzutragen. Der Verstoß ist ein programmatischer: Behauptet wird das Primat des Destruktionsakts vor der Reflexion über Destruktion. Wenn DIAS die Destruktionsquellen in der Zivilisation freilegen will, dann im handelnden Menschen: So lässt sich Brus´ Botschaft dechiffrieren. Wobei Brus diese Freilegung an sich selbst – als Akteur und Opfer – zeigt: Mit dieser Eingrenzung des Soloperformers auf Autoaggression findet Brus nach dem Verzicht auf Körperbemalung sein Aktionsthema.
Günter Brus: Head Destruction, DIAS, Africa Center, London, 38 King Street, 10.9. 1966. Fotos: Hanns Sohm. Auf Henri Chopins “Tape Presentation“ von Lautpoesie in der Conway Hall zwei Tage später reagieren Brus und Mühl mit Atemübungen (“Breath Exercises“). Mit Turnübungen unterbrechen sie ihre durch Mikrophone verstärkten Aktionen des Atmens, Keuchens, Stöhnens, Schreiens und Brüllens: „...atmen und keuchen, knapp bevor die lungen platzen...“49 Die „Selbstleibmusik“ erscheint bei Brus und Mühl als Konsequenz der Körperbewegung „Richtung Hyperventilation“.50 Brus und Mühl konterkarieren mit ihren rhythmischen Körperbewegungen sowohl Chopins Reduktion des Körpers auf Lautproduktion als auch dessen Substitution der Performance durch Reproduktionsmedien.
Günter Brus und Otto Mühl: Breath Exercises, DIAS, Conway Hall, London, 25 Red Lion Square, 12.9.1966. Foto: John Prosser. “Ten Rounds for Cassius Clay“ führen Brus und Mühl mit Susan Khan (und Peter Weibel?) einen Tag später im St. Bride Institute auf51: Karotten, Moos und Kartons mit Lebensmitteln stehen bereit. Khan ist in ein weißes Tuch gewickelt und liegt auf einem weißen Tuch. Die Aktrice wird von Mühl mit Lebensmittel und Pulverfarben beschüttet. Brus wälzt sich auf ihr und vermischt die Lebensmittel. Khan wird mit „zerquetschten reifen Tomaten, Bier, rohen Eiern, hell leuchtenden Farbpigmenten, Cornflakes, halbzerkauten rohen Karotten, Melonenstücken und Melonensamen, Milch sowie Moos- und Grasbüscheln beschmiert.“52 Eine „innige Verbindung aus Tierischem und Pflanzlichem“53 entsteht. Mühl legt ein Brot quer über die Brust von Khan und schneidet es mit einer Metallsäge.
Günter Brus/Otto Mühl/Susan Khan: Ten Rounds for Cassius Clay, DIAS, St. Bride Institute, London, Brade Lane (off Fleet Street) EC 4, 13.9.1966. Fotos: Hanns Sohm. Die (auf eigenen Wunsch) mit schwarzer Unterwäsche bekleidete Khan zieht sich schließlich das Tuch vom Leib, liest einen Text und kreist Hand in Hand mit Brus und Mühl immer schneller um die und auf den vermischten Lebensmitteln – bis zum Umfallen. Brus und Mühl kombinieren in “Ten Rounds“ – wie auch in den beiden im Juni 1966 ebenfalls gemeinsam vorgeführten „Totalaktionen“54 – Körper- mit Materialaktionen. Diese Kombinationen zeigen ein Übergangsstadium von Mühls Schüttaktionen zu den Körperanalysen beider, die in DIAS noch deutlicher die “Breath Exercises“ antizipieren. Letztere sind den “Ten Rounds“ im Verzicht auf passive Aktricen und auf die Beschüttung mit Lebensmitteln voraus. Die Ausschließlichkeit des Körperbezugs wird ohne Requisiten programmatisch vorgeführt. Mit der Reduktion auf den Körper treten in den von Brus (mit Otmar Bauer oder in Soloperformances) und von Mühl (mit Koakteuren und –aktricen) ab 1967 meist unabhängig voneinander vorgeführten Analysen des Körpers dessen Öffnungen und – bei Brus – die Verwundbarkeit der Haut (Schnitte und Blut) in den Vordergrund. Bemalung und Beschüttung werden aufgegeben. Requisiten erhalten beiläufige Funktionen, es sei denn, Brus setzt Stricke oder Mühl Nudelwalker oder Kadaver ein.
Günter Brus/Otto Mühl/Susan Khan: Ten Rounds for Cassius Clay, DIAS, St. Bride Institute, London, Brade Lane (off Fleet Street) EC 4, 13.9.1966. Fotos: Hanns Sohm. Dem Thema des Symposiums gibt Nitsch in seinem Vortrag am 10. September 1966 im Africa Center über das „Orgien Mysterien Theater“ und in der Aufführung der „21. Aktion“ sechs Tage später im St. Bride Institute seine Interpretation: Nitsch stellt mit dem produktiven Anteil des Todestriebs an Zivilisation seine Auffassung vom Zusammenhang zwischen Destruktion und Sozialisation vor. Nitsch realisiert eine anderthalb Stunden dauernde Aktion mit Lärmorchester. Die 16 Personen des Orchesters und die 10 Personen des Schreichors folgen einer Notation, die in drei Tonhöhen grob festlegt, wie die sich zur und in der Lammzerreißung steigernde Aktion akustisch begleitet und in ihrer Wirkung verstärkt wird. Nitsch als „passiver akteur“ liegt unter dem an einem Seil von der Decke hängenden Lammkadaver. Ein Akteur schüttet mangels Blut (Organisationsfehler) rote Farbe über den Kadaver und den „passiven akteur“. Alle TeilnehmerInnen trampeln auf dem Kadaver, angeregt von „geschrei und getrampel“ des Chores. Auch ZuschauerInnen sind eingeladen, auf dem Kadaver zu trampeln. Im Finale überlagern sich Musik aus Lautsprechern, Chor und Orchester zum „stärkste[n] lärm des spieles“.
Hermann Nitsch: 21. Aktion (5. Abreaktionsspiel), DIAS, St. Bride Institute, London, Brade Lane (off Fleet Street) EC 4, 16.9.1966. Fotos: Hanns Sohm. Alle drei Minuten geht während der Aktion, angekündigt mit „trillerpfeiferl“, das Saallicht aus und der Filmprojektor für eine Minute an: Im Film wird ein mit einem Rinderhirn belegtes männliches Geschlechtsteil mit Hilfe einer Schnur hin und her bewegt sowie mit Blut und heißem Wasser beschüttet. Die Projektionen auf den Kadaver begleiten Beat- und alpenländische Blasmusik aus Lautsprechern.55 Erst am Ende der Aktion schalten sich von Vertretern der “Associated Press“ gerufene PolizistInnen ein. Sie verlangen den Film. Raphael Montañez Ortiz versteckt den Film in einem Klavier und gibt den PolizistInnen einen unentwickelten Film. Die Organisatoren Gustav Metzger und John Sharkey werden wegen Nitschs Aktion vom Director of Public Prosecutions für eine “indecent exhibition contrary to Common Law“56 angeklagt. Metzger erhält eine Geldstrafe von 100 englischen Pfund. John Latham (“Skoob with Powder“), Guy Pro-Diaz (“Painting with Explosives“) und Werner Schreib (“Pyrogravure/He lost his Face“) führen am 12. September 1966 Verbrennungen auf und von Bildträgern auf dem London Free School Playground vor. Diese Aufführungen beziehen sich noch in der Zerstörung eines rechteckigen Trägers auf Malerei, dem bislang zentralen Medium der Bildenden Kunst57, während Brus, Mühl, Nitsch und Weibel ihre Formen des Aktionstheaters weiter entwickeln: Auf Malerei rückbezogene Formen der Aktionsskulptur treffen auf das Wiener Aktionstheater.
Links: John Latham: Skoob with Powder (Foto: Hanns Sohm). Ritual und Zerstörung verbindet Raphael Montañez Ortiz in seiner “Chair Destruction“58 in DIAS in einer mit den Wiener Aktionisten vergleichbaren Weise miteinander. Seine von der karibischen Santeria beeinflusste “Chicken Destruction“59 führt zu Demonstrationen und wird vom Künstler abgesagt. Ortiz realisierte die Hühnerschlachtung im selben Jahr in New York zum ersten Mal in einer öffentlichen Aktion.60 Im Vergleich zu Ortiz´ in DIAS zum ersten Mal als öffentliche Aktionen geplanten oder realisierten Zerstörungen liefern Brus und Mühl in “Ten Rounds for Cassius Clay“ sowie Nitsch in der „21.Aktion“ ausgefeilte, bereits in Aufführungen erprobte Beispiele ihres Aktionstheaters. Die Wiener Aktionisten provozieren jetzt auch das Londoner Publikum mit ihrer Interpretation von Destruktionsprozessen als Mittel, das im Menschen angelegte Theater der Grausamkeit aufzuzeigen.
Raphael Montañez Ortiz: Mattress Destruction, DIAS, 1966 (Foto: John Prosser). In den Wiener Veranstaltungen „Zockfest“ und „Kunst und Revolution“ provozieren 1967 und 1968 ehemalige Mitglieder der Wiener Gruppe und Wiener Aktionisten ZuschauerInnen, Presse und Polizei. April 1967 treffen sich Mühl, Brus und Nitsch mit Oswald Wiener und Gerhard Rühm, die schon bei den beiden „Literarischen Cabarets“ der Wiener Gruppe 1958 und 1959 auftraten, im Gasthaus „Zum Grünen Tor“ und realisieren das „Zockfest“.61 Rühm und Wiener setzen in ihren Aktionsformen der Lesung eine Aufführungspraxis der „Literarischen Cabarets“ fort: Sie provozieren das Publikum mittels einer „steuerung konkreter situationen durch den sprachgebrauch“.62 Rühm eröffnet das „Zockfest“ (unter dem Pseudonym Gustav Werwolf). Auf der Bühne, vor dem Vorhang stehend, sagt er „15 minuten“63 lang nichts, bis sich das Publikum regt. Dann sagt Rühm nach jedem Zuruf aus dem Publikum ein weiteres Wort, bis sich der Satz ergibt: „dieser satz ist nach dem achten zuruf beendet.“ Wiener (unter dem Pseudonym „GARTH“) tritt „mit verchromtem US-Stahlhelm“64 auf. Er schleudert in seiner Rede „Zock an Alle“ nach Absätzen Knödel über die ZuschauerInnen hinweg an die Saalwand am anderen Ende des Raums. Publikumsreaktionen beantwortet Wiener: „wer mit bierdeckeln oder flaschen zurückwarf, bekam einen semmelknödel mitten ins gesicht.“65
GARTH (Oswald Wiener, rechts mit Brille): Zock an alle, Rede mit Knödelwurf. Zockfest, Gasthaus "Zum Grünen Tor", Wien, Lerchenfelderstraße 14, 21.4.1967 (Wiener Wochenblatt, 6.5.1967). Rühm und Wiener reagieren provozierend auf Publikumsreaktionen und –provokationen. Sie erweitern die Publikumsprovokationen der „Literarischen Cabarets“ um die `Provokationsprovokationen´. Wiener reagiert mit Knödelwürfen direkt auf Provokationen des provozierten Publikums.66 Rühm dagegen ersetzt die direkte Provokation durch seine Strategie der Verweigerung, auf Publikumsausrufe anders als selbstbeschreibend zu reagieren – und provoziert so neue Provokationen. In der „Zockhymne“ von „Omo Super & His Big Band“ zerstören Otto Mühl in dunkler sowie Otmar Bauer, Herbert Stumpfl und drei weitere Akteure in weißen Gattehosen ein Küchenmobiliar und Stühle. Außerdem fliegen Bettfedern. Die Akteure bewegen sich in einer krampfartigen, Glieder zuckenden Körpersprache, wie sie Brus und Mühl in DIAS bereits vorgeführt haben. Die sechs Teilnehmer werfen Trümmer von der Bühne und wälzen sich vom Bühnenrand ins Publikum, vor dessen Füßen sie liegen bleiben. Sie führen die Waschkraft von „OMO super“ als Farce in Destruktionsform vor und lassen sich dann ermüdet – mit erloschener Wasch- und Schlagkraft – ins Publikum fallen.67
Omo Super & His Big Band (Otmar Bauer/Otto Mühl/Herbert Stumpfl u.a.): Zockhymne, Aktion mit Zerstörung eines Küchenmobiliars. Zockfest, Gasthaus "Zum Grünen Tor", Wien, Lerchenfelderstraße 14, 21.4.1967 (Wiener Wochenblatt, 6.5.1967). Mühl und Koakteure greifen sowohl auf die Klavierzerstörung zurück, die Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm im „2. literarischen cabaret“ ausführten68, als auch auf Raphael Montañez Ortiz´ Objektzerstörungen in DIAS.69 Der kabarettistisch-karnevaleske Charakter der „Zockhymne“ ist ein Gegenprogramm zu Nitschs Reaktivierung des Dionysischen im antiken Kult und in der griechischen Tragödie. Nitsch integriert transformierend extern vorgegebenes Karnevaleskes in seine Fest, Theater und Liturgie verbindende interne Struktur der „rituellen orgie“70, die sich wiederum am extern vorcodierten Seriös-Tragischen orientiert. Mühl dagegen kehrt das Extern-Intern-Verhältnis zwischen Seriösem und Karnevaleskem um. Die Zertrümmerung des Küchenmobiliars karnevalisiert die als seriös etablierte Vorstellung von `der guten Stube´. Aus der Reinigung, die das Interieur blitzsauber erscheinen lässt, wird Abfallproduktion. Das `geschätzte´ bürgerliche Interieur wird in der Wendung vom Seriösen zum Grotesken erniedrigt.71 Die Struktur der „Zockhymne“ konstituieren karnevalisierende Mittel des Aktionstheaters. Nitsch plant für das „Zockfest“ eine durchkomponierte „23. Aktion“ mit Lärmorchester, Schafkadaver, Blut und roter Farbe.72 Als Nitsch in das „tumultartige Chaos“ der „OMO super“-Aktion und den von Reinhard Priessnitz (unter dem Pseudonym “MR. MESSAGE“) simultan gehaltenen Vortrag73 hinein verfrüht einen Schafkadaver „blitzartig...vom Balkon aus an einem Klobenrad in den Saal“74 abseilt, um die Aufmerksamkeit auf seine Aktion zu lenken, steigert er nur den Tumult. ZuschauerInnen und der sich wehrende Künstler beschütten sich in einer „saalschlacht“75 mit Blut und/oder roter Farbe76 aus den für die Aktion bereit stehenden Kübeln, bis – je nach Bericht – 50 oder ca. 200 PolizistInnen das „Zockfest“ auflösen.77 „Kunst und Revolution“ wird im Juni 1968 in einem Hörsaal der Wiener Universität vorgestellt. Otto Mühl und Peter Weibel konfrontieren das Publikum mit Reden, die Robert Kennedy78 und den österreichischen Finanzminister Stephan Koren verspotten. Die Aktionslesungen „karnevalisieren“ das sich seriös gebende Polittheater der Realpolitik. Sie geben mit den Stützen auch die ehrenwerte Gesellschaft der Lächerlichkeit preis.
Kunst und Revolution, Universität Wien, Neues Institutsgebäude, Hörsaal 1, Wien, Universitätsstraße 7, 7.6.1968. Fotos: Siegfried Klein. Valie Export lenkt während Weibels Rede den Lichtkegel eines Scheinwerfers auf einen lichtempfindlichen Widerstand. Über diesen Widerstand kann sie Weibels Mikrophon an- oder abstellen. Sie tut dies als Vollstreckerin der Aufforderungen aus dem Publikum: Bei Rufen nach einer Unterbrechung wird von ihr die Verstärkeranlage des Mikrophons abgestellt, bei Rufen nach ihrer Fortsetzung wird die Anlage wieder angestellt. Deshalb ist Weibels Rede nur verstümmelt zu hören.79 Die Verstümmelung der den Ruf des Finanzministers verstümmelnden Rede entwickelt die `Provokationsprovokation´ zu einer Form der Performance, die – anders als bei Rühm und Wiener im „Zockfest“ – keinen Text mehr gegen das Publikum behauptet oder auf es reagierend erzeugt, sondern den Text verfremdet: Die Versuche von ZuhörerInnen, die Verspottung Korens zu unterbinden, bevor sie den Vortrag als Ganzes kennen, werden als Eingriffe vorgestellt, die mit der Rede die Redefreiheit verstümmeln. Das Publikum sieht sich mit seiner eigenen Gewalt konfrontiert. „Kunst und Revolution“ erhält schließlich seine Eigendynamik durch simultan ablaufende Aktionslesungen und Aktionen. Während Weibels Rede beginnt Brus mit seiner „Körperanalyseaktion“.80 Er entkleidet sich und ritzt sich mit einer Rasierklinge an Brust und Oberschenkel auf. Dann uriniert er in ein Glas und trinkt den Urin, defäktiert und beschmiert sich mit Kot. Er erbricht sich, legt sich nieder und führt „Onaniebewegungen“81 aus. Beim Defäktieren und nachfolgenden Aktionen singt Brus die österreichische Bundeshymne. Während Brus ein Nationalsymbol karnevalisiert, hält Wiener seine Rede über die „input-output-Relation zwischen Sprache und Denken“. Außerdem führen Franz Kaltenbäck und Weibel simultan weitere Aktionslesungen vor. Kaltenbäck beschreibt die „anwesenden perzipienten...als platzhalter...einer normierten situation..., aus der sich möglicherweise ein epileptiker, ein schwachsinniger befreien könnte.“82 Womit Kaltenbäck die soziale Norm als versperrten Weg und die Krankheit – oder das, was dafür gehalten wird – als Alternative ausweist. Laurids liest mit bandagiertem Kopf einen selbst verfassten pornographischen Text vor. Mühl deutet mit Militärkoppel eine Auspeitschung von Laurids an, eine Anklage wegen Körperverletzung vermeidend. Mühl versucht, mit dem Gürtel das Papier zu treffen, von dem Laurids abliest, trifft ihn aber doch. Unbeirrt von den simultanen Aktionen und dem erzeugten Lärm setzt Wiener seine Rede fort. Die “Direct Art Group“ (Anastas, Dieter Haupt, Otto Mühl, Herbert Stumpfl) führt einen „Weitschiff-Wettbewerb“ und Onaniersimulationen mit schäumenden Bierflaschen aus. Die Ergebnisse des Wettbewerbs werden an die Tafel des Hörsaals geschrieben, auf der Wiener Begriffe und Diagramme zum besseren Verständnis seiner Theorie notiert. Laurids nimmt nach den simultanen Aktionen seine Bandagen ab: Laurids ist das Pseudonym für den Journalisten Malte Olschewski. Im Hörsaal bekennt sich Olschewski zum Masochismus. „Zockfest“ und „Kunst und Revolution“ zeigen das Provokationspotential der Kombinationen von Aktionslesungen mit Aktionstheater. „Kunst und Revolution“ provoziert anarchisch, durch blasphemische Aktionslesungen sowie durch den grotesken Einsatz von Exkrementen, Geschlechtsteilen und Gewalt im Aktionstheater zur Dekonstruktion und damit zur Umwertung aller Werte, zur Rekonstruktion. Die Diskussion kommt nach den Parallelaktionen nur schleppend in Gang und Proteste gibt es nur vereinzelt. Doch in Tageszeitungen wird empört über die „Uni-Ferkel“ be- und gerichtet. Brus, Mühl und Wiener werden verhaftet und erhalten zunächst 28 Tage Arrest als Verwaltungsstrafe. Zwei Mitglieder der “Direct Art Group“ (Bauer und Stumpfl) erhalten von der Bundespolizeidirektion Wien 20 Tage Arrest wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Weibel 14 Tage Arrest wegen desselben Vergehens plus Verhöhnung eines Regierungsmitglieds. Einen Tag nach Erhalt ihrer Verwaltungsstrafen werden Brus, Mühl und Wiener in Untersuchungshaft genommen. Nach zwei Monaten U-Haft wird Wiener vom „Schwurgerichtshof beim Landesgericht für Strafsachen Wien“ frei gesprochen, da er nicht, wie unterstellt, zur Wiederholung der Aktion im Stephansdom aufgerufen hat. Er erhält aber keine Haftentschädigung. Brus erhält sechs Monate strengen Arrest wegen „Herabwürdigung österreichischer Symbole“ und „Verletzung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit“. Seine beiden Vorstrafen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses werden im Urteil als strafverschärfend gewertet. Mühl wird „wegen vorsätzlicher körperlicher Beschädigung“ zu vier Wochen Arrest verurteilt und erhält keine Haftentschädigung für die zu lange U-Haft. In zweiter Instanz wird Brus´ Strafe auf fünf Monate reduziert.83 Er verlässt Österreich vor Strafantritt und zieht nach Berlin. Die Dauer der U-Haft im Verhältnis zu den Urteilen gegen Wiener und Mühl erlaubt, daran zu zweifeln, dass Gerechtigkeit der einzige handlungsleitende Maßstab der Justiz nach der massenmedialen Empörung war. Hermann Nitsch kann, nachdem er 1966 zu einem halben Jahr auf Bewährung wegen „Kirchenverspottung“ in „Die erste heilige Kommunion“ verurteilt wurde, keine Aktionen mehr in Österreich ausführen.84 1967 verlässt Nitsch Österreich und lebt 1968-70 in München und Umgebung (Harmating und Dießen am Ammersee). Der Wiener Aktionismus als im Zentrum Österreichs aktive Gruppe zerfällt mit der Emigration von Brus und Nitsch. Zur Zeit der Studentenrevolte treffen die Wiener Aktionisten, welche einem sich von Repression befreienden, „körperwirklichen“ Logos85 folgen, und Vertreter von Justiz und Polizei aufeinander, die in der österreichischen Bundesverfassung verankerte Freiheiten der Bürger sichern sollen, tatsächlich aber nach eigenem Gutdünken einschränken.86 Exil, ab 1968 Rudolf Schwarzkogler hört 1966 auf, Aktionen zu realisieren, und stirbt am 20. Juni 1969 nach einem Sturz aus dem Fenster. 1968 bis 1971 führen Günter Brus und Otto Mühl öffentliche Aktionen außerhalb Österreichs aus87, während Nitsch sein „Orgien Mysterien Theater“ fortsetzt und 1998 das in der Theorie des „Orgien Mysterien Theaters“ konzipierte „6-Tagespiel“ in Schloß Prinzendorf realisiert.88 In „O Tannenbaum“ trägt Otto Mühl im Dezember 196989 die in Wien erprobte Provokation nach Deutschland: An der Staatlichen Hochschule in Braunschweig wird die in der Vorweihnachtszeit etablierte Kombination aus Konsum und christlichem Fest parodiert – diese Zeit ist die für den Handel einträglichste Phase eines Verkaufsjahres. Die ZuschauerInnen bilden einen Kreis um ein mit weißen Laken bezogenes Bett, eine Leiter und einen geschmückten Weihnachtsbaum. Weihnachtslieder werden vom Tonband gespielt. Drei Akteure röhren „O du fröhliche“ und entfremden das Lied zu „unartikuliertem Grunzen“.90 Mühl und eine Aktrice erscheinen nackt im Kreis. Die Aktrice legt sich auf das Bett. Mühl trägt neben dem Weihnachtsbaum ein Gedicht zum „Fest der frommen Lieder, des Fressens und der Kampfpause in Vietnam“ vor. Er wälzt sich dann schreiend am Boden und legt sich zur Aktrice ins Bett; beide rauchen. Mühl steht auf und die Aktrice wird von Akteuren aus dem Bett getragen.
Otto Mühl: O Tannenbaum, Staatliche Hochschule für Bildende Künste/Technische Hochschule, Braunschweig, 16.12.1969 (Unten: Still aus dem Film "Stille Nacht" von Hans Peter Kochenrath, 1969). In einer Holzkiste wird ein Schwein hereingebracht, auf das Bett gelegt und von einem Metzger „mit einem Bolzenschuß“91 getötet. Mühl sammelt das Blut aus der vom Metzger aufgeschnittenen Halsschlagader in einem Eimer und schüttet es über die auf den Boden gelegte Aktrice. Die Aktrice legt sich neben dem Kadaver ins Bett. Die Därme und Eingeweide des Schweines werden auf der Aktrice verteilt und sie wird mit Eiern und Farbpulver beschüttet. Mühl steigt auf die neben dem Bett stehende Leiter und uriniert auf Schwein und Aktrice. Danach defäktiert er – je nach Beschreibung – über dem Kadaver oder auf dem Fußboden.92 Der den Vorschriften folgende Schlachtablauf wird vom Schlachthof in die Aktion versetzt und hier ebenso professionell ausgeführt wie dort. Mühl überführt Nitschs Reorganisation des Tieropfers in eine Konfrontation der Schlachtung mit vorcodierten Elementen der Weihnachtsfeier. Lied, Tannenbaum und Schlachtung werden in „O Tannenbaum“ nicht – wie „fest, drama“ und „liturgie“ (s.o.) im „Orgien Mysterien Theater“ – in eine „struktur der form“93 integriert, sondern in den tradierten oder festgelegten Formen und Abläufen erneut realisiert. Mit der Pissaktion von der Leiter, auf der Höhe des Weihnachtsbaums und nach unten zu den Eingeweiden, zeigt Mühl die blasphemische Verkehrung von Vorcodierungen, die festlegen, was in einer Wertehierarchie oben und unten steht: Er steigt die (Himmels-)Leiter hinauf, um eine Verbindung nach unten herzustellen. Bachtin erwähnt volkstümliche parodistische Verspottungen des Weihnachtsliedes bis zur Umformung des Noël in ein französisches Straßenlied.94 Bachtin verweist mit diesem Beispiel einer „dialogisierten Hybride“ auf Transformationen vorgegebener Codes, durch die Hierarchien zwischen hoch Geschätztem und dem an den unteren Rand der Wertordnung Gedrängten verletzt werden. Von Tabus gesetzte Grenzen werden dabei überschritten. Die Konfrontation der semantischen Ebenen Gewalt (Tötung), Nahrung (Fleisch) und Kult (Schlachtopfer) irritiert. Exkremente, Schlachtung und die Nacktheit von Aktrice und Akteur verbinden sich in der Imagination der ZuschauerInnen zu einem die Fragmente des Weihnachtsfestes parodierenden „bewusstseinstheater“.95 Weihnachtskonventionen und die tradierte Ausgrenzung der Schlachtprozesse aus der Öffentlichkeit werden in Frage gestellt. Der Anlass des Weihnachtsfestes – die Geburt Christi – wird durch die in die Aktion verlegte Schlachtung parodiert: Blut und Exkremente verherrlichen, was im Glauben an die Mission Christi transzendiert werden soll: Das Körperlich-Vergängliche nimmt den Stellenwert der Erlösung von aller Schuld und Irdisch-Körperlichem ein. Im Unterschied zu Nitschs Problematisierung des Stellvertreteropfers Christi lässt Mühl im Eintauchen ins Dionysische kein Apollinisches erkennbar werden. „O Tannenbaum“ provoziert wie „Kunst und Revolution“ erst durch Pressemeldungen. Eine „Aktion Menschenwürde“ fordert – auf „O Tannenbaum“ verweisend – in einer Unterschriftenaktion dazu auf, die Freiheit der Kunst einzuschränken. 17.801 ZeitungsleserInnen füllen den Einsendeabschnitt aus und schicken ihn an die „Aktion Menschenwürde“. Der öffentliche Diskurs formiert sich zur Forderung nach Repression künstlerischer Selbstbestimmung statt zur Öffnung des juristischen Diskurses über Kunst und künstlerische Freiheit. Aktionsformen Die Künstler Günter Brus, Valie Export, Hermann Nitsch, Gerhard Rühm, Rudolf Schwarzkogler, Peter Weibel und Oswald Wiener96 entwickelten in Veranstaltungen des Wiener Aktionismus von 1962 bis 1971 folgende künstlerische Strategien: Diese Systematisierung der Strategien der Wiener Aktionisten widerspricht Darstellungen, die deren Programmatik auf eine Gegenüberstellung von direkter Aktion gegen Sprachgebrauch, also auch den kritisch-experimentellen der Wiener Gruppe, verkürzen: Die direkte Aktion ist nicht unmittelbar-affirmativ100, sondern im Kontext der Aufführungssituationen und -verläufe ergibt sich für ZuschauerInnen ein Assoziations- und Interpretationspotential, das eigene soziale Erfahrungen und damit Erinnertes be- und aufrührt. Das Gedächtnis wird nicht in Schockerlebnissen ausgeschaltet101, sondern die Erinnerung an das in sozialer Interaktion Erfahrene wird auf das Vorgestellte bezogen. Die Wiener Aktionisten parodieren etablierte Körperkonzeptionen in blasphemischen Strategien. Aktionen entfalten ihr Wirkungspotential im Aufgreifen, Verwandeln (Transformation) und Überschreiten (Transgression) des Vorcodierten.102 In Frage gestellt werden etablierte Wahrnehmungsweisen, tradierte Zeichenketten (Vorcodierungen) und anerzogene Bindungen der Organisation des psychischen Gleichgewichts an diese Vorgaben. Vortrag, Staatsgalerie Stuttgart, 30. Juni 2009 (Bildstrecke: PDF-Datei).
Literatur: In den Anmerkungen erwähnte Artikel und Bücher über die Wiener Gruppe und (Künstler des) Wiener Aktionismus (Die Titel werden in den Anmerkungen abgekürzt aufgeführt: Autor: Kurztitel mit erstem Substantiv [falls erstes Substantiv unzureichend ist, wird das Jahr der Publikation ergänzt]: Seitenzahl): Amanshauser, Hildegund/Ronte, Dieter: Günter Brus. Der Überblick. Museum Moderner Kunst Wien. Wien 1986. Amaya, Mario: Destruction in Art...What are they trying to prove? In: London Life. London, 8.10.1966, S.5-11. Backes, Michael: Experimentelle Semiotik in Literaturavantgarden: Wiener Gruppe und Konkrete Poesie. In: Backes, Michael/Dreher, Thomas/Jäger, Georg/Jahraus, Oliver (Hg.): Das Problempotential der Nachkriegsavantgarden: Grenzgänge in Literatur, Kunst und Medien. Bd. I. München 2000. Badura-Triska, Eva/Klocker, Hubert (Hg.): Rudolf Schwarzkogler. Kat. Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien im Museum des 20. Jahrhunderts. Wien 1992. 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Wilhelm-Lehmbruck-Museum der Stadt Duisburg. Duisburg 1979, S.50-65. Weibel, Peter (Hg.): die wiener gruppe. ein moment der moderne 1954-1960. die visuellen arbeiten und die aktionen. Kat. Ausst. Biennale Venedig 1997/Wien 1997. Weibel, Peter/Export, Valie: Wien. Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film. Frankfurt a. M. 1970. Anmerkungen: 1 Dreher: Performance Art, S.181 mit Anm.338, S.209 mit Anm.393, S.215 mit Anm.402 (mit ausführlichen Literaturhinweisen); s. Anm.95,97. 2 Dreher: Performance Art, S.203f. mit Anm.388, S.223 mit Anm.415. 3 Dreher: Performance Art, S.269ff. mit Anm.488. 4 Fischer-Lichte, Erika: Zuschauen als Ansteckung. In: Dies./Schaub, Mirjam/Suthor, Nicola: Ansteckung. Zur Körperlichkeit eines ästhetischen Prinzips. München 2003, S.47: „In den Zuschauern werden die unterschiedlichsten physiologischen, energetischen, affektiven und motorischen Zustände hervorgerufen.“ Die gesehene Körperaktion wird mit der eigenen Körpererfahrung über die vorbewusste Körperkoordination (“body scheme“) und mit ihr verbunden Vorstellungen (“body images“, “in-depth body“) kombiniert (De Preester, Helena: To Perform the Layered Body – A Short Exploration of the Body in Performance. In: Janus Head. Vol.9/Nr.2. Winter/Spring Issue 2007, S.349-383. URL: http://www.janushead.org/9-2/DePreester.pdf (8.2.2008)). 5 “Environmental Theater“: Schechner, Richard: Environmental Theater. New York 2. Auflage 1994. 6 Der Begriff „abstrakter Expressionismus“ wurde bereits 1919 in Deutschland verwendet: Herzog, Oswald: Der abstrake Expressionismus. In: Der Sturm. Jahrgang 10. Berlin 1919/20, Heft 2, S.106. Heute werden eine Gruppe amerikanischer Maler (Arshile Gorky, Willem de Kooning, Franz Kline, Jackson Pollock, Clyfford Still, Mark Rothko, Mark Tobey, Robert Motherwell, Adolph Gottlieb, Jack Tworkov, William Baziotes, Theodore Stamos u.a.) als “[New York] Abstract Expressionists“ bezeichnet. 1959 schreibt Alfred Hamilton Barr, Jr. im Vorwort zur Ausstellung “The New American Painting“ im New Yorker Museum of Modern Art: “Abstract Expressionism, a phrase used ephemerally in Berlin in 1919, was reinvented (by the writer) about 1929 to designate Kandinsky´s early abstractions that in certain ways do anticipate the American movement – to which the term was first applied in 1946 [by Robert Myron Coates].“ Neu in: Shapiro, Cecile und David (Hg.): Abstract Expressionism. A Critical Record. Cambridge 1990, S.97. 7 Dreher: Performance Art, S.59-62,68f. 8 Mathieu, Georges: Die Huldigung an den Contenable von Bourbon/Hommage au Connétable de Bourbon, Urheber der Plünderung von Rom, Öl/Leinwand, Theater am Fleischmarkt, Wien, 2.4.1959. In: Fleck: Avantgarde, S.146,179,187-193,569f.; Gargerle/Ronte/Zweite: Nitsch, S.7f.; Schimmel: Actions, S.30,289,337. 9 Nitsch, Hermann: 1.-8. Malaktion, 1960-63. In: Gargerle/Ronte/Zweite: Nitsch, S.44, Abb.11-14; Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.30-43; Noever: Aktionismus, S.44-47,74. 10 Nitsch, Hermann: Wachsbilder, 1960, Wachs und Lippenstift auf Hartfaserplatte oder Leinwand. In: Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.31,256, Nr.28; Fuchs: Nitsch, S.60f.; Gargerle/Ronte/Zweite: Nitsch, S.42,196, Nr.8f.; s. Anm.16. 11 Nitsch, Hermann: Wachsbild, 1960, Wachs und Farbe auf Leinwand, Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart. In: Dreher: Performance Art, S.165f.; Kellein, Thomas: Das Orgien Mysterien Theater des Hermann Nitsch. In: Fuchs: Nitsch, S.113ff. (Zitat); Kellein: Wissenschaft, S.126ff. 12 Dreher: Performance Art, S.171f. mit Anm.320; Friedl, Peter: Der zerrissene Dionysos...Neu in: Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1988, S.381. 13 Beispiele für polyzentrische Kompositionen: Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.133f.,150f.,155,305ff. 14 Z.B. Brus, Günter: o.T., 1963, Dispersion/Molino, Sammlung Hummel. In: Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.102f.,259, Nr.91; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.308f.; Schimmel: Actions, S.179,331. Vorläufer: o.T., 1961, Dispersion/Nessel. In: Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.34,185. 15 Mühl, Otto: Werke, 1961-63, verschiedene Materialien auf Trägern. In: Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.35,37,39; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.171-176,233,236f.; Noever: Mühl, S.246-257; Schimmel: Actions, S.182f.,338. 16 New York: Carolee Schneemann, Jean Follett, Jim Dine, Allan Kaprow, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg. Kalifornien: Jay DeFeo, Wallace Berman, Bruce Conner, George Herms, Jess, Edward Kienholz, Fred Mason u.a. In: Coplans, John/Glicksman, Hal/Hopps, Walter/Leider, Phil: Assemblage in California. Works from the late 50´s and early 60´s. Kat. Ausst. Art Gallery. University of California. Irvine 1968; Phillips, Lisa (Hg.): Beat Culture and the New America: 1950-1965. Kat. Ausst. Whitney Museum of American Art. New York 1995. S.41,43,54f.,57,64f.,68-87,92-115,128f.,142f.,260f.,270-275; Starr, Sandra Leonard: Lost and Found in California. Four Decades of Assemblage Art. Kat. Ausst. James Corcoran Gallery/Shoshana Wayne Gallery/Pence Gallery. Santa Monica 1988, S.22-30,54-108. 17 Mühl, Otto: o.T. (1989). In: Noever: Aktionismus, S.26. 18 Blaues Monochrom: Schwarzkogler, Rudolf: o.T., 1962/63, Acryl und Schnur/Sackleinen. Weißes Monochrom: Ders.: o.T., um 1961/62, Öl/Leinwand. In: Badura-Triska/Klocker: Schwarzkogler, S.54f., Abb.68f. Werke von Klein und Fontana als Vorbilder: Ebda, S.42ff. Vgl. Piero Manzonis weiße „Composizione“ von 1955, Öl auf Leinwand, Sammlung Giolo, Mailand. In: Engler, Martin: Piero Manzoni. Metonymien des Körpers. Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität. Freiburg im Breisgau 2000. Textband, S.58f. URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/421/pdf/1_Textband.pdf; Abbildungsband, S.25, Abb.51. URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/421/pdf/22_Abbildungsband_hohe_Aufloesung.pdf (30.4.2009). 19 Manifest „Die Blutorgel“ (mit Beiträgen von Josef Dvorak, Adolf Frohner, Otto Mühl und Hermann Nitsch), Wien 1962. Neu in: Breicha/Klocker: Miteinander, S.188-191; Weibel/Export: Wien, Kap. Texte (Auswahl), o.P.; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.218-221. 20 Frohner, Adolf und Mühl, Otto: Gerümpelskulpturen, Wien, Perinetgasse 1, 1.-4. Juni 1962. In: Breicha/Klocker: Miteinander, S.161; Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.42, Abb.39; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.207,222-227, Abb.72-80; Noever: Aktionismus, S.20-23,25,74; Noever: Mühl, S.64f.; Ronte: Frohner, S.16,19-23,56-61 (Abb.23-28),; Weibel/Export: Wien, S.44,245. 21 Nitsch, Hermann: Blutorgelbild, 4.6.1962, Blut, Dispersion, Schlämmkreide auf Jute, Slg. Oskar Schmidt, Wien. In: Gargerle/Ronte/Zweite: Nitsch, S.50, Abb.25; Stärk: Nitsch 1987, S. 15. 22 Mühl, Otto: Brief an Erika Stocker, 1.-5. April 1962. In: Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.224. 23 Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.39. 24 o.A.: Drei Mann an der Blutorgel. In: Bunte Woche. Jg. 18/Nr.26/1962, o. P. Neu in: Noever: Mühl, S.166. 25 Nitsch, Hermann: 3. Aktion, Wien, Perinetgasse 1, 28.6.1963. In: Breicha/Klocker: Miteinander, S.154f.,162ff.; Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.44ff.,54,257; Jahraus: Aktion, S.34; Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.53-61 (Zitat S.56,61); Noever: Mühl, S.66ff.; Spera: Nitsch, S.69-75; Weibel/Export: Wien, S.46-50,245f. 26 Mühl, Otto: Materialaktion Nr.1: Versumpfung eines weiblichen Körpers – Versumpfung einer Venus, 1963, Atelier Mühl, Wien, Obere Augartenstrasse 14A, September 1963. In: Meifert: Geborene, S.34; Noever: Aktionismus, S.28-31,74; Noever: Mühl, S.69. 27 Nitsch, Hermann: zur theorie des o.m. theaters (1976). In: Nitsch: O.M. Theater, S.130. Nitschs „durchblick“ von christlichen zu antiken und älteren „kultformen“ erörtert Ekkehard Stärk: Nitsch 1987, S.61-65. Eine Geschichte der Texte von Autoren, welche die Kreuzigung Christi mit antiken Ritualen, einschließlich des Opfertodes, verbinden (Friedrich Hölderlin, Heinrich Heine, Richard Wagner, Sigmund Freud u. a.), offeriert Stärk in: Stärk: Nitsch 1987, S.44-53 (Vgl. über den Zusammenhang von Blut- und Meßopfer: Bataille, Georges: Die Erotik. München 1994 (i.O.m.d.T. L´érotisme. Paris 1957), S.87f.). 28 Vgl. Bataille, Georges: Abattoir. In: Documents. No 6. Novembre 1929, S.329 (Über Eli Lotars Fotos der Pariser Schlachthöfe von La Villette): «Cependant de nos jours l´abattoir est maudit et mis en quarantaine comme un bateau portant le choléra. Or les victimes de cette malédiction ne sont pas les bouchers ou les animaux, mais les braves gens eux-mêmes qui en sont arrivés à ne pouvoir supporter que leur propre laideur, laideur répondant en effet à un besoin maladif de propreté, de petitesse bilieuse et d’ennui: La malédiction (qui ne terrifie que ceux qui la profèrent) les amène à végéter aussi loin que possible des abattoirs, à s’exiler par correction dans un monde amorphe, où il n’y a plus rien d’horrible…» 29 Freud, Sigmund: Totem und Tabu. Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der 30 Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.76. Vgl. Nitsch, Hermann: Aus der Theorie des O.M. Theaters. In: Le Marais. Sondernummer zur Ausstellung Günter Brus, Galerie Junge Generation, Wien 1965. Neu in: Weibel/Export: Wien, Kap. Texte (Auswahl), o. P.: „Der Dionysos des mythos provozierte den exzess, stieg hinab in die tierheit, in das chaos, opferte sich dem exzess und wurde zerrissen.“ 31 s. Anm.19. 32 s. Anm.19. 33 Dreher: Performance Art, S.175 mit Anm.328. 34 Vgl. Dreher: Performance Art, S.270f. mit Anm.488; Nitsch, Hermann: Versuche zur Geschichte der Aktion (1971). In: Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1990, S.53f. 35 s. Anm.19. 36 Mühl, Otto: Materialaktion Nr.8: Stilleben – Aktion mit einem weiblichen Kopf und einem Schweinekopf, Atelier Mühl, Obere Augartengasse 14A, Wien, 16. Mai 1964. In: Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.74f.,258; Noever: Mühl, S.79f. 37 Brus, Günter: Ana (mit Anni Brus), Atelier Mühl, Wien, Obere Augartenstraße 14a, Oktober/November 1964. In: Brus: Aktionen 64-66, S.6-10; Dreher: Performance Art, S.217 mit Anm.405; Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.86,104,259, Abb.92f; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S. 288,310f.; Meifert: Geborene, S.32f.; Noever: Aktionismus, S.7-12,74; Schimmel: Actions, S.179,183,331; Weibel/Export: Wien, S.41,245. Film: Kren, Kurt: 8/64 Ana, 16 mm, s/w, stumm, 2:40 Min. In: Kren: Action Films, Nr.03; Scheugl: Underground, S.21,168. 38 Brus, Günter: Selbstbemalung 1 (Hand- und Kopfbemalung, Kopfzumalung), Atelier John 39 Brus, Günter: Wiener Spaziergang, Wien, Innenstadt, 5. Juli 1965. In: Amanshauser/Ronte: Brus, S.38,40; Brus: Aktionen 64-66, S.39-44; Dreher: Performance Art, S.218f. mit Anm.407; Fischer/Jäger: Wiener Gruppe, S.677; Grenier: Brus, S.22,193; Hoffmann: Destruktionskunst, S.134; Jahraus: Aktion, S.157,203,224,384-394; Kellein: Wissenschaft, S.132,134, Abb.223; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S. 299ff.; Schimmel: Actions, S.331; Weibel: Kunst, S.52,54; Weibel/Export: Wien, S.58,247. 40 Die erste Verurteilung zu drei Tagen Arrest bekam Brus, als er nach dem „Fest des psychophysischen Naturalismus“ mit Nitsch und Hans Jörg Bauer den in Nitschs 3. Aktion (s. Anm.25) verwendeten Lammkadaver über eine Böschung am Donaukanal schleifte (Kellein: Wissenschaft, S.131,134, Abb.221; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.315; Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.60; Spera: Nitsch, S.75). 41 Schwarzkogler, Rudolf: 1. Aktion HOCHZEIT, Wohnung Heinz Cibulka, Wien, Kaiserstraße, 6. Februar 1965. In: Badura-Triska/Klocker: Schwarzkogler, S.64-71,75f.,162-185; Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.132-138,260, Abb.122-130; Hoffmann: Destruktionskunst, S.140f.; Jahraus: Aktion, S.203,291; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.39f.,303f.,334-339; Schimmel: Actions, S. 291, 293 mit Anm.161,164. 42 Schwarzkogler, Rudolf: 2.-4. und 6. Aktion, 1965-66. In: Badura-Triska/Klocker: Schwarzkogler, S. 94-102,104-112,142-146,152-156,186-212; Cibulka: Körper, o. P.; Dreher: Performance Art, S.227-231 mit Anm.424; Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.87ff.,139-147,149f.,260f., Abb.131-137,143-147; Hoffmann: Destruktionskunst, S.141ff.; Jahraus: Aktion, S.155f.,212f.,229f.,399f.,444f.; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.74f.,339; Noever: Aktionismus, S.64-71,74; Schimmel: Actions, S.186f.,292f.,342; Weibel/Export: Wien, S.119-124,249. 43 Schwarzkogler, Rudolf: 3. Aktion, Fischmaul mit Rasierklinge: Badura-Triska/Klocker: Schwarzkogler: S.192, mit Abb.49f., S.198 mit Abb.25f.,28, S.100 mit Abb.110. 44 Künstler als Priester: Gargerle/Ronte/Zweite: Nitsch, S.5f. (Nitschs Bezug auf Gustav Klimt und Stefan George). 45 Brus, Günter: Der helle Wahnsinn – Die Architektur des hellen Wahnsinns, Reiff-Museum, Foyer, Aachen, 6. Februar 1968. In: Amanshauser/Ronte: Brus, S.48; Brucher: Wunden, S.123ff.; Brus: Aktionen 67-68, S.89-95; Dreher: Performance Art, S.220f. mit Anm.412; Hoffmann: Destruktionskunst, S.136; Oellers, Adam C./Spiegel, Sibille: Wollt ihr das totale Leben? Fluxus und Agit-Pop der sechziger Jahre in Aachen. Kat. Ausst. Neuer Aachener Kunstverein. Aachen 1995, S.280-285; Weibel/Export: Wien, S.61-64,247. 46 Dreher: Performance Art, S.220f.,302f.,316ff. 47 Hidalgo, Juan/Mühl, Otto: Translation – Action for Two Voices, Africa Center, London, 38 King Street, 10. September 1966. In: Dreher: Performance Art, S.235 mit Anm.437; Hoffmann: Destruktionskunst, S.154; Noever: Mühl, S.133; Weibel/Export: Wien, S.130,251 (Zitat). 48 Brus, Günter: Head Destruction, Africa Center, London, 38 King Street, 10. September 1966. In: Brus: Aktionen 64-66, S.67f.; Dreher: Performance Art, S.235f. mit Anm.438; Hoffmann: Destruktionskunst, S.154; Jahraus: Aktion, S.215; Weibel/Export: Wien, S. 251. 49 Brus, Günter/Mühl, Otto: Breath Exercises, Conway Hall, London, 25 Red Lion Square, 12. September 1966. In: Brucher: Wunden, S.40f.; Dreher: Performance Art, S.236-239 mit Anm.441; Hoffmann: Destruktionskunst, S.157; Prosser: DIAS, S.65, Ill.18; Weibel/Export: Wien, S.251 (Zitat). 50 Brus, Günter: Brief an d.A., 3.12.1999. 51 Brus, Günter/Mühl, Otto u.a.: Ten Rounds for Cassius Clay, St. Bride Institute, London, Brade Lane (off Fleet Street) EC 4, 13.9.1966. In: Amaya: Destruction, S.6f.,10; Brucher: Wunden, S.28; Brus: Aktionen 64-66, S.67f.; Dreher: Performance Art, S.219 mit Anm.408; S.243-246; Hoffmann: Destruktionskunst, S.158; Loers/Schwarz: Wiener Aktionismus, S.81; Noever: Mühl, S.133f.; Schimmel: Actions, S.182; Weibel/Export: Wien, S.131,251. 52 o.A.: „Beautiful, Jean-Jacques“. In: Time, 23.9.1966. Neu in: Brus: Aktionen 64-66, S.69. Neu auf Deutsch in: Noever: Mühl, S.134. 53 Farrell, Barry: The Other Culture. In: Life Magazine, 17.2.1967. Neu auf Deutsch in: Noever: Mühl, S.134. 54 Brus, Günter/Mühl, Otto u. a.: 1. Totalaktion – Ornament ist ein Verbrechen, Villa 55 Nitsch, Hermann: 21. Aktion (5. Abreaktionsspiel), St. Bride Institute, London, Brade Lane (off Fleet Street) EC 4, 16. September 1966. In: Dreher: Performance Art, S.243-246 mit Anm.453; Hoffmann: Destruktionskunst, S.159f.; Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.162-168 (Zitate); Spera: Nitsch, S.88ff.; Weibel/Export: Wien, S.231. 56 o. A.: [DIAS] Introduction. In: o. A.: Preliminary Report (Februar 1967). Neu in: dé-coll/age. No.6. Juli 1967, o. P. Vgl. Dreher: Performance Art, S.246 mit Anm.457; Hoffmann: Destruktionskunst, S.159f.; Spera: Nitsch, S.88. 57 Afternoon Events, London, London School Playground, 12. September 1966. In: Amaya: Destruction, S.5,8f.; Hoffmann: Destruktionskunst, S.156f.; Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art since the 60s. London 1998, S.47; o.A.: Happening mit dem Bundeskanzler. In: Stern, No.45/6. November 1966, S.167; Prosser: DIAS, S.64, Abb.9-11. 58 Ortiz, Raphael Montañez: Chair Destruction, St. Bride Institute, London, Brade Lane (off Fleet Street) EC 4, 31. August 1966. In: Dreher: Performance Art, S.257f. mit Anm.471, S.266f.; Stiles: Ortiz, S.14 59 Ortiz, Raphael Montañez: Chicken Destruction, Buchhandlung Better Books, London, 5. September 1966, nicht ausgeführt. In: Dreher: Performance Art, S.268f. mit Anm.485; Prosser: DIAS, S.64, Abb.1; Stiles: Ortiz, S.14. 60 Ortiz, Raphael Montañez: Chicken Destruction, New York, 1966. In: Dreher: Performance Art, S.208 mit Anm.391, S.269 mit Anm.486; Stiles: Ortiz, S.31,59f. 61 Wiener Gruppe: 1. Literarisches Cabaret, Theatersaal der Künstlervereinigung, Alte Welt, Wien, 6.12.1958; Dies.: 2. Literarisches Cabaret, Porrhaus, Wien, Treitlstraße 3, 15. April1959. Beide in: Breicha/Klocker: Miteinander, S.16,26ff.; Eder/Vogel: Sätze, S.19,22f.,52-56; Fischer/Jäger: Wiener Gruppe, S.622,635,645,648-653; Weibel/Export: Wien, S.19-31,243f.; Jahraus: Aktion, S.122f.; Rühm: Wiener Gruppe, S.28f.,300f.(Abb.1-28),399-471. 62 Wiener, Oswald: das `literarische cabaret´ der wiener gruppe. In: Rühm: Wiener Gruppe, S.401,411. Vgl. Ders.: Über Kunst, Selbstbeobachtung und Automatentheorie. Ein Gespräch mit Stan Lafleur. In: Hammel, Eckhardt (Hg.): Synthetische Welten. Kunst, Künstlichkeit und Kommunikationsmedien. Essen 1996, S.199-213. Neu in: URL: http://www.cultd.net/wiener/_txt/wien22.htm (3.6.2009): „Man kann durch Worte aufregen. Das geht durch direkte Ansprache, Beschimpfungen oder auch auf indirekte Weise, indem man Dinge angreift, von denen man annimmt, daß der Leser oder Hörer sie für heilig hält.“ (Vgl. Backes: Semiotik, S.166 mit Anm.29). 63 Weibel/Export: Wien, S.253 (Zitat). 64 Kandeler-Fritsch: Zünd-Up, S.28. 65 Rühm, Gerhard und Wiener, Oswald auf dem »Zockfest«, Gasthaus »Zum Grünen 66 Vgl. Wiener, Oswald: das `literarische cabaret´ der wiener gruppe. In: Rühm: Wiener Gruppe, S.415 (über das „2. literarische cabaret“): „ich konnte unruhig gewordene zuschauer durch grobheit mühelos in schach halten.“ 67 Bauer, Otmar/Mühl, Otto/Stumpfl, Herbert u.a.: Zockhymne, Gasthaus Zum Grünen 68 Achleitner, Friedrich/Rühm, Gerhard: zwei welten, Porrhaus, Wien, Treitlstraße 3,15.4.1959. In: Breicha/Klocker: Miteinander, S.27; Eder/Vogel: Sätze, S.21,23; Rühm: Wiener Gruppe, S.300f. mit Abb.12-14, S.413,412; Weibel: Wiener Gruppe, S.7,317,362-365,422-425,773; Weibel/Export: Wien, S.28,244. 69 Dreher: Performance Art, S.257f. mit Anm.471, S.265-269. 70 Nitsch, Hermann: Kreuzgwegstation/Kleiner Existenzaltar, 1960, Mischtechnik/Holz, 7 Teile. In: Gargerle/Ronte/Zweite: Nitsch, S.38f.,196, Abb.2-4 (Zitat: Inschrift auf einer Tafel, s.Abb.3). 71 Dreher: Performance Art, S.211 mit Anm.395, S.269ff. mit Anm.488f. 72 Nitsch, Hermann: 23. Aktion, Gasthaus Zum Grünen Tor, Wien, Lerchenfelderstr.14, 21. April 1967. In: Dreher: Performance Art, S.272f. mit Anm.490; Eder: Unterschiedenes, S.175; Kandeler-Fritsch: Zünd-Up, S.28; Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.173-177; Weibel/Export: Wien, S.154-158,253-256. 73 Priessnitz, Reinhard: hymne an zock, Gasthaus Zum Grünen Tor, Wien, Lerchenfelderstr.14, Wien, 21. April 1967. In: Eder: Unterschiedenes, S.174,180ff.; Weibel/Export: Wien, S.254. 74 Kandeler-Fritsch: Zünd-Up, S.28. 75 Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979, S.177. 76 Nach Nitsch (s. Anm.75) mit Blut, nach einem Bericht des Kurier vom 22.4.1967 (Weibel/Export: Wien, S.162) mit roter Farbe. 77 Weibel/Export: Wien, S.162-165. 78 Mühl, Otto: Beschimpfung Robert Kennedys und der Kennedyfamilie, Universität Wien, Wien, Universitätsstrasse 7, 7. Juni 1968. In: Hoffmann: Destruktionskunst, S.177; Kellein: Wissenschaft, S.133; Noever: Mühl, S.150,152; Weibel: Kunst, S.57; Weibel/Export: Wien, S.262. 79 Weibel, Peter/Export, Valie: Beschimpfung von Stephan Koren, Wien, Universitätstrasse 7, 7. Juni 1968. In: Dreher: Performance Art, S.273ff. mit Anm.492; Hoffmann: Destruktionskunst, S.177; Jahraus: Aktion, S.26; Noever: Mühl, S.150,152; Weibel: Kunst, S. 57f.; Weibel/Export: Wien, S. 263, Kap. Texte (Auswahl), o. P. 80 Brus, Günter: o. T. (Körperanalyseaktion Nr.33), Universität Wien, Wien, Universitätsstraße 7, 7. Juni 1968, in: Amanshauser/Ronte: Brus, S. 47, Nr.30; Brucher: Wunden, S.59ff.; Brus: Aktionen 67-68, S.98-128; Dreher: Performance Art, S.276 mit Anm.494; Hoffmann: Destruktionskunst, S. 177f.; Jahraus: Aktion, S.345f.,409; Weibel: Kunst, S.57-60; Weibel/Export: Wien, S. 207-214,216-223,263f. 81 Weibel: Kunst, S.58. 82 Weibel/Export: Wien, S.264. 83 Kunst und Revolution, Universität Wien, Neues Institutsgebäude, Hörsaal 1,Wien, Universitätsstraße 7, 7.6.1968. In: Breicha/Klocker: Miteinander, S.179ff.,184; Brus: Aktionen 67-68, S.98-128 (Verwaltungsstrafe und Urteil S.110-120); Dreher: Performance Art, S.273-280; Edizioni Mazzotta/Hummel: Wiener Aktionismus, S.182f.,263; Fischer/Jäger: Wiener Gruppe, S. 653,665,667,674; Grenier: Brus, S.21,68-72,196f.,287; Hoffmann: Destruktionskunst, S. 177ff.; Jahraus: Aktion, S.23-27,33,88,247,345f.,351,371,399,403; Kandutsch: Jahr; Kellein: Wissenschaft, S.133; Lackner, Herbert: Der fünfte Mann. In: Profil Nr.23/2.6.2008, S.30ff.; Noever: Mühl, S.150ff.; Weibel: Kunst, S.57-60; Weibel/Export: Wien, S.201-223,262ff. 84 Weibel: Kunst, S.54f.; Spera: Nitsch, S.95. 85 Marcuse, Herbert: Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud. Frankfurt am Main 16. Auflage 1990 (i.O.md.T. Eros and Civilization. Boston 1955), S.112,180. Vgl. S.208: „Die kulturschöpferische Macht des Eros ist nicht-repressive Sublimierung: die Sexualität wird weder abgelenkt noch in ihren Zielen gehemmt; vielmehr transzendiert sie, indem sie ihr Ziel erreicht, auf der Suche nach vollerer Befriedigung zu weiteren Zielen.“ 86 Peter Weibel zitiert Oberlandesgerichtsrat Dr. Kubernat, Richter im Prozess gegen Nitsch (s. Anm.84): „Wenn irgendwelche Leute glauben, sie könnten hier solche Experimente machen, so werden wir sie ins Ausland schicken, wir werden ihnen sagen, daß wir sie hier nicht brauchen.“ (Weibel: Kunst, S.64) 87 Günter Brus hat nach der „Zerreißprobe“ (Aktionsraum 1, München, Waltherstraße 25, 19. Juni 1970. In: Brus: Aktionen 69-70, S.160-169) keine eigene Aktion realisiert. Otto Mühl tritt am 14. Februar 1969 in “Film Action Text“ in der Wiener Buchhandlung Herrmann auf. Dies ist sein einziger österreichischer öffentlicher Auftritt zwischen 1968 und 1970. Mühls letzte öffentliche Aktion 1973 in Columbus/Ohio (Columbus University) variiert die Materialaktionen Nr. 9 und 10 von 1964. Sein aktionistisches Oeuvre endet 1971 (Noever: Mühl, S.81f.,153,165). 88 Nitsch, Hermann: 100. Aktion (6-Tagespiel), Schloß Prinzendorf, Prinzendorf a. d. Zaya, 3.-9.8.1998. In: Nitsch: Aktionstheater (DVD, Kap.25-30); Nitsch: Das Orgien Mysterien Theater 1998; Rychlik: Nitsch. 89 Mühl, Otto: O Tannenbaum, Staatliche Hochschule für Bildende Künste/Technische 90 Hein, Brigitte und Karlheinz: Augenzeugenbericht (1969/70). Neu in: Noever: Mühl, S.156. 91 s. Anm.90. 92 Erstere Beschreibung liefert der Protesttext mit Einsendeabschnitt (s. Anm.89), die zweite Beschreibung stammt von Brigitte und Karlheinz Hein (s. Anm.90). 93 Nitsch: Eroberung, S.207; Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1988, S.147. 94 Bachtin, Michail M.: Die Ästhetik des Wortes. Hg. von Rainer Grübel. Frankfurt a. M. 1979, S.332. 95 „bewusstseinstheater“: Backes: Semiotik, S.310f.; Bayer, Konrad: der sechste sinn. In: Ders.: Sämtliche Werke. Bd.II. Stuttgart 1985, S.219; Fischer/Jäger: Wiener Gruppe, S.653,660f. 96 Außerdem: Hanel Koeck, Franz Kaltenbäck, Kurt Kren, Reinhard Priessnitz und Mitglieder der Direct Art Group wie Anastas, Otmar Bauer und Herbert Stumpfl sowie Mica Most, Romilla Doll und andere, meist ungenannt bleibende Aktricen, die am Aktions-Oeuvre von Otto Mühl beteiligt waren. Hermann Nitsch dagegen nennt die Vielzahl der aktiven und passiven TeilnehmerInnen in Publikationen seiner Partituren (Nitsch: Orgien Mysterien Theater 1979). 97 Die „Dialogizität“ der „grotesken Körperkonzeption“ (in Michail M. Bachtins Begriffen) wird von Mühl und Nitsch auf verschiedene Weise praktiziert: Dreher: Performance Art, S.201-204 mit Anm.388, S.209ff. mit Anm.392-395,214ff. Vgl. Grotowski, Jerzy: Für ein armes Theater. Berlin 1994 (i.O.m.d.T. Towards a Poor Theatre. Holstebro 1968), S.22: „Dieses Element unserer Produktionen ist wechselweise ›Zusammenprall mit den Ursprüngen‹, ›Dialektik von Hohn und Anbetung‹ oder gar ›Religion, ausgedrückt durch Blasphemie; Liebe, die durch Hohn spricht‹ genannt worden.“ 98 Vgl. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. M. 1977 (O.m.d.T. Surveiller et punir. La naissance de la prison). Paris 1975, S. 38: „Es handelt sich...um eine Mikrophysik der Macht, die von den Apparaten und Institutionen eingesetzt wird; ihre Wirksamkeit liegt aber sozusagen zwischen diesen großen Funktionseinheiten und den Körpern mit ihrer Materialität und ihren Kräften (Vgl. Jahraus: Aktion, S.234ff.,340ff.).“ 99 Brus, Günter: Brief an Rainer Wick, 24.7.1973. In: Wick, Rainer: Zur Soziologie intermediärer Kunstpraxis. Happening Fluxus Aktionen. Diss. Köln 1975, S.59. 100 Braun: Wiener Aktionismus, S.69-77,107. 101 Jahraus: Aktion, S.20f.,29,66,71,217f.,242,244f.,321. 102 Dreher: Performance Art, S.449-454; Jahraus: Aktion, S.378-382; Weibel, Peter: Kunst als Kriminalität. Von der Transformation zur Transgression der Kunst. Ein Aide Mémoire. In: Tumult. Bd.11. 1988, S.21f. Bildquellen: Alle Bilder sind auch als durchlaufende Bildstrecke in PDF-Datei downloadbar. Die Bildquellen sind auf den Folien 23-26 der PDF-Datei aufgeführt. Große Abbildungen lassen sich mit einem Klick mit der rechten Maustaste auf die Abbildungen im Text und der Wahl der Funktion "Grafik anzeigen" (Mozilla Firefox) oder "Bild öffnen" (Opera) öffnen. |