Thomas Dreher
Robert Smithson äußert sich in seinen Schriften früher (ab 1966) und ausführlicher als amerikanische Kollegen wie Michael Heizer, Walter de Maria und Robert Morris über “Earthworks“. Sein Bezug auf das Erhabene und Pittoreske in Schriften über Gartenarchitektur und Ästhetik des 18. und 19. Jahrhunderts (s.u.) bestimmt den Diskurs über Land Art bis heute. Smithsons Projekte für die Renovierung und Umgestaltung von offenen Gruben antizipieren Grubensanierungen von Robert Morris (Untitled, 1979, Johnson Pit #30, SeaTac/Washington) und Michael Heizer (Effigy Tumuli, 1983-85, Buffalo Rock Mesa) sowie Joseph Beuys´ Projekt für das Spülfeld in Altenwerder/Hamburg (1983). Robert Morris: Untitled, 1979, Johnson Pit #30, 37th Pl. S & 40th Ave S., SeaTac/Washington Von Minimal zur Earth Art Auf Exkursionen, die Smithson und seine Frau Nancy Holt in die dezentralisierten Städte und verlassenen Gruben in New Jersey unternehmen, begleiten sie zwischen 1966 und 1968 u.a. Minimal Artisten wie Carl Andre, Donald Judd und Robert Morris. Die Umbrüche in Smithsons und Morris´ Werkentwicklung von Minimal zur Land Art finden in dieser Zeit statt.
Discontinuous Aggregates, 1966, 5 Stahlelemente in verschiedenen Größen: 18x54x11'', 18,5x58x12'', 19x64x15'', 19,7x66x15'', 20x70x20''. Foto: Courtesy Dwan Gallery, Inc. Smithson installiert 1966 fünf "Discontinuous Aggregates" aus identisch gestaffelten Schichten mit sechseckigem Umriß gestaffelt: gestaffelte Wiederholungen der gestaffelten Wiederholung von Sechsecken. Der minimalistischen Bodeninstallation aus Reihen separater identischer Objekte in stereometrischen Grundformen, wie sie Robert Morris bereits 1965 in "Untitled (Four Mirrored Cubes)" realisiert, widerspricht Smithson mit einer doppelten Staffelung und Größenvariationen.
Links: Spiral Reflecting Pool, Project for 'Clear Zone', Collage und Bleistift auf Papier, 1967 1967 kombiniert Smithson 12 Spiegeldreiecke, die sukzessive im Uhrzeigersinn kleiner und gegen den Uhrzeigersinn grösser werden. Die Staffelung identischer Elemente von “Discontinuous Aggregates“ wandelt Smithson in eine Transformation der Größe eines Elementes. Die flachen Dreiecke ergeben, am Boden ausgelegt, eine Spiralform. Smithson bezeichnet die "triangulated spiral" als "Aerial Map" eines "Earthwork" -Projektes für das Gelände des Dallas Fort Worth Regional Airport. Ein alternatives Projekt für denselben Flughafen zeigt die Zeichnung "Project for `Clear Zone´" desselben Jahres: Ein Wassergraben soll sich in kleiner werdenden Abständen rechtwinklig einwinden: "Spiral Reflecting Pool". Spiral Jetty, Film (Ausschnitt), 1970, 16 mm, Farbe, Ton, 32 Min. Das Flughafenprojekt "Spiral Reflecting Pool" nimmt "Spiral Jetty" von 1970 vorweg: Smithson plant in beiden Fällen horizontale, zum Umraum offene "Earthworks" aus spiralförmigen Molen zwischen Wasser. Die Mole von “Spiral Jetty“ erhebt sich nur wenig über den Wasserspiegel des Great Salt Lake in Utah. Von einer Uferböschung blickt der Beobachter zunächst auf "Spiral Jetty" hinab. In dem Weg von der Sicht auf das Werk zur Sicht auf die Landschaft in und auf dem Werk rekapituliert Smithson die Entwicklung seines Oeuvres und der kontextbezogenen Kunst seiner Zeit. Diese Entwicklung verlief vom mit seinen Grenzen überblickbaren Werk, vor dem der Beobachter steht, um auf es zu blicken, zum Blick auf die Umgebung von einem Standpunkt im begehbaren "Earthwork". Spiral Jetty, 1970, Rozel Point, Great Salt Lake, Utah. Fotograf: Soren Harward (April 2005). Quelle: Wikimedia Commons. Land Artisten wie Walter de Maria, Michael Heizer, Robert Morris und Smithson verändern die Position des Betrachters zwischen Werk und Umraum: Die minimalistische Installation für den Beobachter, der zwischen Objekten schreitet, die auf dem Boden angeordnet sind, wird ersetzt durch Projekte für den Wanderer in und auf dem "Earthwork". Während de Maria 1968 in "Mile-long Drawing" (Mojave Desert, Kalifornien) den Blick und die Laufrichtung des Rezipienten noch auf die optische Konvergenz der Bodenlinien aus weißem Kalk am Horizont ausrichtet und Heizer in "Double Negative" 1969-70 (Mormon Mesa, Overton/Nevada) den Blick durch zwei begehbare Gräben dies- und jenseits eines Tals begrenzt, rückt Smithson in "Spiral Jetty" den unbeschränkt offenen Blick des Wanderers in den Vordergrund: Bei de Maria und Heizer liefert das Werk die Blickgrenze, bei Smithson die Landschaft. Bei Smithsons “Earthworks“ in Seen mit Ufern in Sichtweite werden die Formen der Molen und der Landschaft zu zwei sich durchdringenden Aspekten einer Konzeption. Links: Walter de Maria: Mile-long Drawing, 1968, Mojave Desert, Kalifornien (Gelatine- Silberdruck, 19,1 x 20,2 cm, Fotograf unbekannt, Metropolitan Museum of Art, New York. Quelle: Metmuseum.org) Reclamation Projects 1973 schlägt Smithson der Kennecott Copper Corporation vor, die drei Meilen breite Grube ihrer Bingham Mine in Utah durch einen See an der tiefsten Stelle mit vier Molen zu gliedern. Die Vorstellung eines sich ein- oder ausdrehenden Rades provozieren Molen in Form von Halbkreisen, die sich infolge zu geringen Durchmessers nicht in der Mitte treffen. Die Terrassen der Grubenhänge werden von dieser optischen Bewegung erfaßt. Die Kennecott Copper Corporation lehnte das Projekt ab. Bingham Copper Mining Pit Utah / Reclamation Project, 1973
In offenen Gruben entstehen bei steilen Abbauwänden giftige Säuren. Die Betreiber von Amerikas größter Kupfermine in Bingham werden 1973 von der Bundesregierung aufgefordert, die Grube zu füllen oder in einen Park zu wandeln. Erst 1977, nach Smithsons Unfalltod 1973, unterzeichnet Präsident Carter die "Surface Mining Control and Reclamation Act", die alle Bundesstaaten zu Schutzmaßnahmen verlassener Gruben verpflichtet. Für Abbaugenehmigungen bieten Unternehmen schon vor 1977 an, nach Rohstoffabbau das Land in einem besseren Zustand zurück zu geben, als sie es erhalten. Den von den Firmen bevorzugten Freizeitparkprojekten hält Smithson "Reclamation Projects" entgegen, die die Spuren der irreversiblen Rohstoffausbeutung konservieren. Pittoreskes Sublimes Smithson erwähnt in seinem Artikel über Frederic Law Olmsteds und Calvert Vaux´ Gestaltung des New Yorker Central Park (Artforum, February 1973, S.62-68) William Gilpin (1724-1804), der 1782 in einem Brief an William Lock die sublime Reduktion auf eine kontinuierliche Form erläutert: "...the continuation of one large object, ranging uninterruptedly, & uniformly, through a vast space." Uvedale Price, den Smithson ebenfalls erwähnt, definierte 1794 das Pittoreske als Bereich zwischen der "variety" des Schönen und der sublimen Reduktion auf das großartige Eine. Smithson ließ in seinem Artikel über den Central Park den Bezug der Begriffe "sublim" und "pittoresk" zur Wahrnehmung seiner Werke offen. Die Kunstkritik hat diesen Bezug bislang unzureichend diskutiert. In Zeichnungen phantastischer Landschaften mit Titeln wie "Island Project" und "Entropic Landscape", alle 1970, präsentiert Smithson Pittoreskes. Für das pittoreske "Earthwork" "Partially Buried Woodshet" ließ Smithson 1970 das Dach einer Holzhütte auf dem Gelände der Kent State University mit Erde belasten, bis ein Stützbalken brach. Die `ruinierte´ Hütte erinnert an Ruinen in Landschaftsbildern und Gärten des 18. und 19. Jahrhunderts.
Partially Buried Woodshed, 1970, Kent State University, Kent/Ohio In vielen Earth Art-Projekten dagegen präferiert Smithson Sublimes - genauer: pittoreskes Sublimes. Dem Wandernden auf "Spiral Jetty" wird die Kontinuität des Diskontinuierlichen im mehrfachen Wechsel von Wasser und Erde erfahrbar: von Standorten auf der Mole mit Blick auf weitere Molenkrümmungen und vom Molenrand mit Sicht über den Great Salt Lake zum Ufer. Sublim wird die "variety" der Diskontinuität durch "succession", die Edmund Burke (1729-97) 1757 als "artificial infinite" bestimmte: ...the parts may be continued so long, and in such a direction, as by their frequent impulses on the sense to impress the imagination with an idea of their progress beyond their actual limits. So bestehen die “Aerial Map“ für das Flughafenprojekt und "Spiral Jetty" aus Fragmenten von Spiralformen, die beliebig fortsetzbar sind. Smithsons Formengrammatik steht offensichtlich für das Motto `Ohne Pittoreskes kein Sublimes, ohne Differenz keine Kontinuität´. Auch die Projektzeichnungen für die Bingham Copper Mining Pit demonstrieren mit ihrer "succession" gekrümmter Molen eine Kontinuität der Diskontinuität, des rhythmischen Wechsels zwischen Wasser und Erde. Das formale Prinzip der Kontinuität der Diskontinuität wird in Smithsons "Reclamation Projects" lesbar als Verweis, wie wenig kulturelle Kontinuität ohne Einplanung möglicher Störungen durch das Eigenleben der Natur möglich ist. Smithsons “Earthworks“ demonstrieren dies am Verhältnis zwischen Mole und Wasserstand. So liegt “Spiral Jetty“ zwischen 1972 und 1993 unter Wasser, da Smithson 1970 bei der Bestimmung der niedrigen Molenhöhe keine Rücksicht auf den damals vorhersehbar stetig steigenden Seespiegel nimmt. Thomas Dreher 1994/Webfassung 2008 Literatur: - über Robert Smithson: Bildquellen: Robert Morris: Untitled, 1979: Microsoft Virtual Earth/Live Search Maps, Januar 2009. |